Wehmut trifft meine momentane Stimmungslage gleich in doppelter Hinsicht. Zum einen, weil ich nach intensivem Fragen und Nachdenken zu dem Entschluss gekommen bin, nach dem Ende des Vikariats im kommenden Herbst Erlangen zu verlassen. Nach 25 Jahren und vielen unschätzbaren, prägenden Erfahrungen mit einer rundherum außergewöhnlichen, engagierten Gemeinde wird das ein gewaltiger Umbruch für mich persönlich und die ganze Familie.
Nun, wo der Abschied in Sichtweite kommt, färbt das auch die Erinnerungen noch einmal anders ein. Mit Wehmut, laut Wikipedia „ein Gefühl zarter Traurigkeit, hervorgerufen durch Erinnerung an Vergangenes“. Kein Abschied ohne Schmerzen – aber Schmerzen der guten Art, denn sie zeigen, was wertvoll ist.
Die Stelle für den Probedienst, so heißt die nächste Etappe von drei Jahren, kann man sich nicht aussuchen, die wird einem zugewiesen. Das heißt, die Zukunft ist noch nicht sichtbar, also kann die Vorfreude auf das Neue die Wehmut auch nicht überlagern oder kompensieren (es wäre wohl auch gar nicht gesund).
Ein Bild, das mich trägt, ist für mich in dieser Situation das der keltischen peregrinati – insbesondere die Geschichte jener Mönche, die ihr Coracle bestiegen, aufs Meer hinausfuhren und dann die Ruder über Bord warfen – im Vertrauen auf Gott und in der Erwartung, dass er Gottes Wind ihr kleines Boot schon an den richtigen Ort weht (und ich unterwegs nicht an den Klippen des zweiten kirchlichen Examens zerschelle…).
Das ist die andere Art von Weh-Mut: Der abenteuerliche Entschluss loszulassen, sich auf eine Situation einzulassen, die man nicht beherrscht, zu vertrauen. Nicht in der naiven Vorstellung, dass das Neue einfacher, schöner oder besser wäre. Aber sehr wohl in der Erwartung, Gott an dem neuen Ort, an den es mich hinweht, zu entdecken und mich dem anzuschließen, was er dort tut.
Bis auf Weiteres werden beide Formen von Wehmut mich begleiten. Der Anker ist gelichtet, das Boot schaukelt auf dem Wasser.
Alles Gute für diese Zeit des Los-Lassens, Peter. Nach so langer Zeit in Erlangen mit deiner tollen Gemeinde nicht einfach. Umso mehr wünsche ich dir, dass dein Mut belohnt wird und der Wind dich in Gottes Arme und zu seinem guten neuen Ziel treibt.
Herzliche Grüße, Sylvie
Diese Art von Weh-Mut ist mir seit 2 Jahren sehr vertraut.
Ich schätze sie inzwischen sehr und wünsche Dir / euch, dass ihr sie im besten Sinne auskosten könnt, denn sie ist so kostbar und einzigartig.
Man hat ja doch schon „ein Leben lang“ gelebt…(mein Erleben), Gemeinschaften gegründet, Kinder großgezogen und ist mit all seinen Idealen und Illusionen durch die Mühlen des Lebens gezogen worden.
Nach anfänglich unangenehmen Stürmen stellte sich in meinem Fall folgendes Erleben ein:
Mit 50 das Gefühl: was da war, reicht auch schon für ein Leben… da lädt die Zäsur ein, innezuhalten und intensiver zurück zu schauen. Und diese Rückschau auf ein komplettes Leben in der sich steigenden Bewusstheit das nichts, aber auch keine Sekunde dieses herrlichen Lebens so wiederkehrt – da fängt das Verkosten an. Im Angesicht des „Todes“, also des Abschieds heben sich die angesammelten inneren Schätze. Ich habe mir explizit ein halbes Jahr „frei“genommen, um 22 Jahre die hinter uns liegen zu verdauen und verkosten und muss sagen: es fühlt sich an wie der schönste Herbst meines Lebens, fast schöner als die Zeit, in der ich „drin“ war 😉
Und dann: „noch einmal „anfangen“ zu dürfen ! Mit kindlicher Neugier und all der Gelassenheit, die die „Lebensmühlen“ gebracht haben, dem Wissen, (und immer-noch nicht-Wissen) dass man heute hat…einfach genial ! Noch einmal ein „unbeschriebenes Blatt“ an einem unbekannten Ort zu sein, an dem man im Spiel des Lebens die Würfel neu auf den Spielplan wirft !
In meinem Fall weiß ich immer noch nicht, wohin es geht… 😉 und das ist auch wieder eine Besonderheit dieses Zustandes: in diesem „Aufriss“, dieser Los-gelöstheit zu leben, die der Wirklichkeit vielleicht näher ist als das satte Gefühl des „Hier-bin-und-bleibe-ich“, ist für mich zunehmend annehmbar und sehr lehrreich.
Ich wünsche euch von Herzen das Beste !