In der aktuellen “Come” schreibt Rudi Pinke in einem transatlantischen Vergleich: “Seit Bush im Amt ist, ist Amerika ernster, konservativer, christlicher geworden.” Man muss ihm zugute halten, dass er danach auch ein paar Ungereimtheiten anspricht – aber gaaaaaanz dezent.
Mir ist das trotzdem nicht genug, denn wie der Seitenhieb auf Clinton (der war doch auch Christ…?) zeigt, hat wieder mal die (Sexual-) Moral Vorrang, während die Sozialethik in den Hintergrund rückt, zu den lässlichen Sünden.
“Europa lächelt gequält”, schreibt er weiter. Zu Recht – denn wenn Amerika tatsächlich christlicher geworden ist, dann wird die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit noch peinlicher als im alten, säkularen Europa, wenn man mal die Nachrichten betrachtet:
• Beim Klimaschutz, einer der ganz großen Zukunftsaufgaben, lassen die USA (25% der Emissionen) sich auf keine verbindlichen Zusagen ein.
• Beim internationalen Strafgerichtshof lassen sich die USA nicht zur Rechenschaft ziehen, nur die anderen.
• Die US-Baumwollsubventionen liegen um das Dreifache über der nach Afrika geleisteten Entwicklungshilfe und machen den armen Ländern dort den Preis kaputt.
• Die CIA entführt munter Leute und Dick Cheney findet Folter ganz ok – natürlich nur für die Bösen, aber wer das ist, das bestimmt ja er.
• Die Kriegslüge, mit der der folgenschwere Einmarsch in den Irak gerechtfertigt und die Welt wie das eigene Volk getäuscht wurde. Die Bibel sagt nichts über Klimaschutz, aber wenigstens Lügen ist in den Zehn Geboten erwähnt, oder?
• Das Amerika des George W. Bush fährt auch in Sachen Todesstrafe die harte Linie, die Strafe weniger pädagogisch, sondern mehr als Vergeltung versteht und es in Kauf nimmt, dass auch mal ein Unschuldiger bzw. ein Mensch, der sich offenkundig geändert hat hingerichtet wird. Ob das christlich ist?
• Unter seiner Regierung ist die Umverteilung des Reichtums von unten nach oben noch weiter fortgeschritten, als das bisher schon der Fall war.
Ich will hier nun gar nicht behaupten, die Europäer seien besser. Aber vielleicht klaffen Anspruch und Wirklichkeit einfach nicht so weit auseinander und vielleicht ist es das (ob nun durch Arroganz oder Ignoranz verursacht), was einem an den USA so aufstößt: Die Doppelmoral.
Ich freue mich, wenn Amerika tatsächlich christlicher wird. Es ist das Beste, was einem Land – jedem Land – passieren kann. Ob das dann allerdings etwas mit George Bush zu tun hat und ob diese Art Christentum, für die er steht, nicht nur für ihn persönlich, sondern auch für Europa und vor allem den Rest der Welt ein Segen ist, ist eine noch völlig offene Frage.