Am vergangenen Sonntag hat Michael die Hölle ein gutes Stück entmythologisiert, indem er den Begriff von den Übermalungen aus 2000 Jahren Kirchengeschichte befreite. Mit dem sehr gelungenen Beitrag hat er viele zum Nachdenken gebracht – und eine Menge Fragen aufgeworfen.
Ich hatte letzte Woche selbst so ein Erlebnis, wo ich mir die gute alte Hölle herbeigewünscht habe, in der die Bösen dieser Welt ihr Fett weg bekommen. Die SZ interviewte Prof. Manfred Nowak über Folter und Menschenrechte. Besonders ging mir dieser Abschnitt unter die Haut:
Sie haben die in Nigeria gängige Foltermethode angewendet, einem Menschen aus kurzer Distanz ins Bein zu schießen und ihn ohne medizinische Behandlung seinem Schicksal zu überlassen. Diesem Menschen fault dann bei lebendigem Leib der Fuß ab. Sie können sich die Qualen und den Gestank überhaupt nicht vorstellen.
Mein allererster und völlig unheiliger Impuls ist: die Schweine müssen bestraft werden, und zwar hart. Und weil das der nigerianische Staat vermutlich nie tun wird und wohl auch kein UN-Tribunal, könnte wenigstens Gott dafür sorgen, dass die Folterknechte und Ihre Auftraggeber nicht ungeschoren davonkommen?
Der andere Punkt bleibt aber das Gottesbild: Wenn da der Aspekt der Strafe dominiert und Gott eine Art kosmisches KZ betreibt, würde die Genugtuung blitzschnell in Angst umschlagen. Und die Fixierung auf einen strafenden Gott macht Christen dann doch geneigter, selbst auszuteilen. Das könnte ausgehen wie bei Richter Gnadenlos, der letzte Woche auf Youtube vor sich hin kokste und offenbarte, dass sich hinter der demonstrativen Härte wohl noch nie ein guter Kern verbarg. Harte Gottesbilder bringen wohl kaum unsere besten Seiten zum Vorschein.
Andererseits ist es ein starkes Argument gegen jede Form eigenmächtigen Urteilens und Strafens, dass wir an dem Gedanken energisch festhalten, dass kein anderer als Gott allein für vollkommene Gerechtigkeit sorgt – am Ende und auf seine Weise, die eben allzu oft nicht mit unseren ungeduldigen und zornigen Forderungen zusammenpasst. Alles andere wäre ja eine Art Lynchjustiz, die das bestehende Unrecht nur potenziert. Um das zu verhindern, sollten wir uns also Gottes Gericht nicht allzu plastisch ausmalen, sondern lieber über seine Barmherzigkeit meditieren. Wenn Jesus das mit der Feindesliebe ernst gemeint hat – was bedeutet das für das jüngste Gericht, dass Gott sich da treu bleibt?
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Ach Peter, ich bin immer wieder angetan von Deinen Beiträgen. Echt!! So sehr ich das alles nachvollziehen kann und mir auch wünsche, dass das Gericht dann doch ganz anders ist, als wir das immer denken, meinen, malen, predigen, bezeichnen und verkündigen – es stehen da halt immer noch so ein paar Bibelstellen im Raum, die ein Wegdenken, Wegmeditieren, Weglieben des Gerichtes irgendwie nicht möglich machen.
Für mich besteht die Herausforderung (und das erlebe ich in der Gemeinde interessanterweise viel mehr, als ich das vorher je dachte, weil man ja landläufig behauptet „die Landeskirche habe das Gericht gestrichen“ – zumindest bei den Mitgliedern stimmt das auf keinen Fall!) darin, das Gericht nicht zu negieren und im gleichen Atemzug von einem barmherzigen, den Menschen zugewandten (im Leben und Sterben) Gott zu reden. Die Erkenntnis, Gott dann doch nicht so ganz zu verstehen und verstehen zu können, wie wir es gerne hätten und das Vertrauen, dass er (!) der Richter ist und nicht wir ist dann meist nicht nur die Flucht nach vorne sondern die einzig logische Konsequenz.
…und zum Thema „die Schweine müssen bestraft werden“: ab und an mal das Programm von ARTE durchblättern. was die an Dokus bringen über Kriege, Menschenrechtsverletzungen und dergleichen, schreit im wahrsten Sinne zum Himmel.
Ja, leider. Ich verkrafte das nur bedingt. Aber ab und zu muss man sich das wohl antun, um wütend zu bleiben. Ab und zu versuche ich mir vorzustellen, dass Hitler „im Himmel“ auftaucht. Bisher bin ich immer daran gescheitert. Könnte es dort vielleicht eine geschlossene Abteilung geben zur Resozialisierung von Unmenschen? Wenigstens für die berühmten 1000 Jahre?
Übrigens: Gerade „die Landeskirche“ (und viele andere Kirchen) bekennt ja jeden Sonntag, dass Jesus kommen wird „zu richten die Lebenden und die Toten“. Ohne Gericht keine Gerechtigkeit, und keine Liebe ganz ohne Zorn (aber eben auch kein Zorn ohne Liebe).
….ja wenn denn in allen Gemeinden das Glaubensbekenntnis auch gesprochen wird *räusper*.
Zorn und Liebe – das steht nicht nur Gott zu, sondern das sollte (auch wenn es schwer ist) unser Anliegen sein, wenn wir von solchen Greueltaten hören. Oft bleibe ich beim Zorn über die Täter stehen und komme nicht zur Liebe zu den Opfern. Aber das muss sich ändern.
Moin moin, ne Frage, nen Kommentar:
Die PPT bei Elia ist das Material für Hauskreise!? Es gibt aber keine Predigt, Vortrag oder Paper als mp3 oder Datei dazu? Würde mich interessieren.
Kommentar: Laut EKL (Evangelisches Kirchenlexikon, 2004) entwickelte sich die Lehre von der Hölle erst zwischen 800 und 1000. Zwischen 300 und 400 wurde auch ausführlich debattiert, ob die Allversöhnung biblisch sei. Da scheinen die Christen ein paar Jahrhunderte ganz gut ohne Hööle ausgekommen zu sein. Und in der Debatte waren sie uns vor 1700 Jahren schon etwas voraus … es gibt viel zu graben in der Kirchengeschichte …
Gruss Andib
Gruss AndiB
Oh, ich dachte es sei ein PDF für die Hauskreise. Das mp3 steht übrigens hier.
Es ist kein Wunder, dass kirchliche Weltmacht und die Lehre von der Hölle parallel ausgebaut wurden, oder? Bei den Kirchenvätern scheint aber Tertullian ganz anderer Ansicht gewesen zu sein als die „liberaleren“ Alexandriner, da hat sich nicht viel geändert…
So genau bin ich nicht im Thema drinne, aber es ist schon erstaunlich, dass die Allversöhnung erst 556 ad acta gelegt wurde. Aber für einen Grossteil meines Umfeldes (evangelikal – liberal) ist die Hölle klare Sache … und man wird so Sachen gefragt wie: Hat die Hölle eigentlich verschiedene Stufen? Meine Güte, wäre froh, wenn ich meinen Schimmer, den ich mal zu haben glaubte, nicht verloren hätte … Obwohl … ich bin froh, manches noch mal neu denken zu müssen …
Entscheidend ist für mich die Frage der ewigen Hölle, ewigen Verdammnis.
Im Alten Testament und bei Paulus gibt es keine ewige Verdammnis und Jesus gebraucht das Wort Gehenna und bezieht sich dabei alttestamentlich auf das Tal bei Jerusalem wo u.a. Leichen verbrannt wurden.
Der heidnische Begriff Hölle wurde in die christliche Terminologie eingeführt und zudem verewigt.
Gott sagt nicht von sich, er sei der Zorn, aber er sagt von sich, er sei die Liebe.
Eine Milliarden Jahre andauernde Quälhölle ist damit nicht vereinbar.
Paulus sagt:
Röm. 11
32 Denn Gott hat alle miteinander in den Unglauben verschlossen, damit er sich aller erbarme.
Jesus sagt zuvor:
Joh 12
31 Jetzt ist das Gericht dieser Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden. 32 Und ich, wenn ich geoffenbart von der Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.
Paulus vervollständigt das:
Kol 1
16 Denn in ihm ist alles in den Himmeln und auf der Erde geschaffen worden, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Gewalten oder Mächte: ALLES ist durch ihn und zu ihm hin geschaffen; 17 und {er} ist vor allem, und alles besteht durch ihn. 18 Und {er} ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde. Er ist der Anfang, der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem den Vorrang habe; 19 denn es gefiel der ganzen Fülle, in ihm zu wohnen 20 und durch ihn ALLES mit sich zu versöhnen – indem er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes – durch ihn, sei es, was auf der Erde oder was in den Himmeln ist
Danach ist Allversöhnung höchst wahrscheinlich.
Auf meiner Webseite habe ich die Ewige Hölle entsprechend thematisiert.
Freundliche Grüße
Tom