Franz Jaliczs über geistliche Begleitung und die wichtige (aber in Zeiten von „Schluss mit lustig“ unpopuläre) Frage, wozu jemand – zumal der pflichtbewusste Mensch – denn nun eigentlich Lust hat:
Diese innere Neigung, die wir Lust oder Freude nennen, fasst die lebenswichtigen Faktoren zusammen und zeigt die Summe der inneren Bestrebungen; deshalb können wir sie als den Ausdruck des Willens Gottes erkennen, falls sie auch die erhabeneren Wünsche einschließt und nicht nur niedrigere Empfindungen, wie die Bequemlichkeit und die Faulheit. Letzten Endes ist diese Veranlagung, die wir Lust nennen, der Ausdruck aller unserer Neigungen und Überlegungen. Ihr gehört das letzte Wort vor einem verantwortlichen Entschluss. Es ist sehr vorteilhaft, nach ihr zu fragen und ihr Bedeutsamkeit beizumessen, damit sie offenbar wird. Wozu wir Lust haben, gibt unserem Entschluss Sicherheit und verstärkt das Gefühl der Freiheit.
Du möchtest also mit diesem Statement wirklich sagen, das der Mensch seiner Lust folgen soll, seinen Bestrebungen und erhabenen Wünschen? So erkennen wir Deiner Meinung nach den Willen Gottes?
Bingo – auf diesen Kommentar habe ich gewartet.
Ja, ganz genau.
Eine ähnliche Richtung hat doch auch Augustin schon eingeschlagen, als er den Genuß Gottes und des Lebens an sich pries – Amen!
Na wie gut das ich diesen Kommentar gebracht habe. Das heißt, Du vertrittst ein theologisches Prinzip der Gleichsetzung menschlicher Lust und Begierde und des Willens Gottes. Ein diamentraler Widerspruch zu dem was Gott in seinem Wort sagt.
@Andi B Augustinus war vielleicht vor seiner „Bekehrung“ ein Mystiker, danach keineswegs. Luther und Calvin haben durch dessen Paulusauslegung ihr Konzept der totalen Verdorbenheit des Menschen.
@ Apologet: Ich kann diese Leier nicht mehr hören. Gottes Wille ist das, was weh tut und uns total gegen den Strich geht, weil wir solch elende, versaute Kreaturen sind – was ist denn das für ein jämmerliches Menschenbild?
@Peter: Wer ist uns? Paulus spricht von den zwei Naturen (Römer 7), die Goethe dann später aufgegriffen und ins Gegenteil verkehrt hat. Dazu heißt es dann im Römer 8:
5 Denn die, die nach dem Fleisch sind, sinnen auf das, was des Fleisches ist; die aber, die nach dem Geist sind, auf das, was des Geistes ist. 6 Denn die Gesinnung des Fleisches ist Tod, die Gesinnung des Geistes aber Leben und Frieden, 7 weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie kann das auch nicht.8 Die aber, die im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen. 9 Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn wirklich Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.
Die Lust des neu geschaffenen Menschen ist also der Wille des Herrn, die Lust der alten Natur ist dem Willen Gottes genau entgegengesetzt. Sie führt zum Tod.
Ach Ihr Fundi-Helden! Die Verwendung eines Begriffs ist kontextabhängig. klar wird der manchmal negativ verwendet. Hier aber nicht, und zwar zu Recht. Könnte ja auch sein, dass diese Lust eine geistgewirkte ist, oder ist das für Euch gar nicht denkbar?
@ Peter Gottes Wille ist ganz bestimmt nicht immer unser Wille. Jesus sagte vor der Kreuzigung zu Gott: Nicht mein sondern dein Wille geschehe. Glaub ja nicht das er rosarote Gefühle hatte als er ans Kreuz ging. Warum sagt Jesus das wer ihn Nachfolgen will, sich selbst verleugnen muss. Christ sein ist nicht ein Leben nach dem auf was man gerade Bock hat…
Es ist einfach schwachsinn was da behauptet wird. Wenn ich lust habe jemand eine reinzuhauen wäre es ja dann Gottes Wille – sorry aber ich finde diese Behauptungen sehr unüberlegt (obwohl ich weiß das du gern provozierst;)).
Aber warum begründest du nicht diese Auffassung mit der Bibel.
Nebenbei, schon gehört das in 1 Mose 8,21 auch das steht: “ denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“
Wenn man macht was man will macht man nicht Gottes Willen.
Aber du hast es bestimmt anders gemeint 😉 einfach provozieren wollen, gell 😉
Damit bist Du ja keineswegs allein. Die Mehrheit aller Menschen zu allen Zeiten war und ist Deiner Meinung. In der rkK hat sich – im Gegensatz zu Deinem offiziellen Bekenntnisstand – die (semi-)pelagianische Antrophologie bis heute erhalten. Letztlich bleibt die Wahl zwischen einem jämmerlichen Menschen- oder Gottesbild. Meine „Wahl“ ist da klar.
@ Johannes: Nein, obwohl mir schon klar war, wer sich provoziert fühlen würde! Ich kann nicht nachvollziehen, wie man die Bibel so einseitig negativ lesen kann. Und wie man so einen Text derart negativ lesen kann – von den niedrigen Instinkten, auf die Du anspielst, ist bei dieser Definition von „Lust“ ja eben nicht die Rede. Diese Unfähigkeit zu differenzieren und erst einmal hinzuhören, bevor man urteilt, erstaunt mich immer wieder. Mich würde das krank machen, so zu denken.
Jesus hat die Menschen keineswegs so negativ gesehen und in der Bibel ist sehr wohl davon die Rede, dass aus dem menschlichen Herzen Gutes kommen kann (vgl. Hes 36). Wie kann man das so komplett ausblenden?
@ Apologet: Allein diese Alternative zwischen jämmerlichen Menschen- oder Gottesbild aufzumachen ist schon eine Perversion des christlichen Glaubens. Da würde sich auch der von Dir erwähnte Luther im Grab herum drehen.
@ Peter: Ich würde Dich bitten mir eine Arbeit, einen Artikel oder zumindest ein Zitat Luther’s zu nennen in welcher dieser seinen Standpunkt von der völligen Verderbtheit des Menschen korrigiert oder gar zurücknimmt. Als ev. Theologe muß Dir „de servo arbitrio“ bekannt sein. Auch sein berühmtes Bild vom Reittier Gottes oder des Teufel’s macht diesen (biblischen) Standpunkt deutlich. Ich möchte hier nur kurz aus der Institutio zitieren:
»Denn unsere Natur ist nicht etwa bloß des Guten arm und leer, sondern sie ist fruchtbar und ertragreich im Bösen, so daß sie nie müßig sein kann! Einige haben gesagt, die Erbsünde sei die ›Begehrlichkeit‹ (concupiscentia). Das ist an sich kein sachfremdes Wort; nur muß man – was aber von den meisten nicht im mindesten zugegeben wird – noch hinzufügen, es sei eben der ganze Mensch (quicquid in homine est), Verstand und Wille, Seele und Fleisch, von dieser Begehrlichkeit befleckt und erfüllt oder kurzum, der ganze Mensch sei von sich aus nichts anderes als Begehrlichkeit.« (Institutio, Band I, Buch II, Kap. 1, Abs. 8)
Hier findest Du Deine „Lust“ oder „Biegierde“ trefflich charakterisiert. Und es ist gerade eindeutig Jesus, der den Menschen eindeutig beschreibt. Denke an Seine Aussagen über die totale Verdorbenheit des Menschen bspw. im Johannesevangelium (aus einem Artikel von Benedikt Peters):
5,38: Der natürliche Mensch hat Gottes Wort nicht in sich.
5,40: Der natürliche Mensch will nicht zum Sohn Gottes kommen. 5,42: Der natürliche Mensch hat keine Liebe zu Gott in sich.
5,43: Der natürliche Mensch nimmt Christus nicht auf.
5,44: Der natürliche Mensch sucht nur seine eigene, nie Gottes Ehre.
6,36: Der natürliche Mensch glaubt nicht, auch wenn er Christus gesehen hat.
6,44: Der natürliche Mensch kann nicht zum Sohn Gottes kommen.
6,63: Die Natur des natürlichen Menschen nützt nichts.
6,65: Der natürliche Mensch kann nicht zum Sohn Gottes kommen.
7,7: Der natürliche Mensch hasst den Sohn Gottes.
8,19: Der natürliche Mensch kennt weder den Sohn noch den Vater 8,21: Der natürliche Mensch kann nicht dahin gelangen, wo Christus ist.
8,23: Der natürliche Mensch ist von unten.
8,37: Der natürliche Mensch sucht Christus zu töten.
8,41: Der natürliche Mensch tut die Werke seines Vaters, des Teufels.
8,43-47: Der natürliche Mensch ist aus dem Vater, dem Teufel, und hat die gleichen Begierden wie er.
8,55: Der natürliche Mensch ist ein Lügner.
12,39: Der natürliche Mensch kann nicht glauben.
So ist das mit dem natürlichen Menschen. Wie ist es mit dem Geistlichen?
Hiob 22, 26: Denn dann wirst du am Allmächtigen deine Lust haben und zu Gott dein Gesicht erheben.
Psalm 119, 16: An deinen Satzungen habe ich meine Lust. Dein Wort vergesse ich nicht.
Psalm 37, 4 und habe deine Lust am HERRN, so wird er dir geben, was dein Herz begehrt.
u. v. m.
@Parvus: Das sind Imperative und keine gegenwärtigen Beschreibungen einer neuen Natur des „geistlichen“ Menschen. Der Gläubige bleibt zeitlebens zugleich gerecht und Sünder (simul iustus et peccator).
@ Parvus, Ja und Amen 😀
Aber man darf Sündige Lust nicht mit geistlicher verwechseln…um zu prüfen was, was ist brauch man die Bibel, sonst kann man ja alles behaupten
@apologet
stimmt nicht, durch Jesus sind wir keine Sünder mehr sondern Gotteskinder, die aber auch Fehler machen – Gott verändert schließlich 😉
@Johannes: Die Sichtweise, Gläubige seinen bereits zu irdischen Zeiten nicht mehr zugleich Sünder und Heilige, sondern ausschließlich Heilige (das bedeutet: bereits im Wesen wie Christus, verherrlicht), hat einen ersten offensichtlichen Bezug zur Reformation, insbesondere zu Luther, darüber hinaus jedoch noch einen wesentlich älteren, nämlich auf den donatistschen Streit zur Zeit des Augustinus von Hippo (ca. 388 n.Chr.). Bereits die Donatisten behaupteten, die Kirche wäre lediglich eine Versammlung von Heiligen.
Wenn man also argumentiert, der Gläubige wäre, beginnend mit der Neugeburt seines Geistes bereits umfassend erlöst, stellt er sich in einen Widerspruch mit dem Römerbrief Kapitel 8,23-26:
„Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes. Denn wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld. Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.“
Paulus führt hier aus, das der Gläubige als „Erstlingsgabe“ der vollen Erlösung zwar den Geist erhalten haben, aber unser Leib keinesfalls erlöst ist. Hier existiert eine ausstehende Hoffnung [siehe auch Kol 1,5; Tit 3,7 etc.]. Bereits im Kapitel 7 formuliert Paulus den vorhandenen Widerspruch zwischen dem Geist und dem Fleisch und ruft im Vers 24 verzweifelt aus:
„Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem todverfallenen Leibe?“
Luther sagt hier: wir sind Sünder dem Tatbestande nach, Gerechte in der Hoffnung. [Peccator in re – iustus in spe]. Beides zeitgleich jedoch so, daß beide – Sünder und Gerechter – im Menschen existent sind, wobei der Kampf (von Gott her!) eigentlich schon zugunsten des Gerechten entschieden ist.
Auch Augustinus hat schon argumentiert, Kirche sei „corpus permixtum“ , eine Versammlung von Heiligen und Sündern. Er betonte als ausgewiesener theologischer Experte des Romerbriefes die Sündhaftigkeit auch der Christen und bezeichnete die donatistische Lehre als verhängnisvoll und fehlgeleitet. Er verurteilte diese Bewegung nur aus einem Grund nicht als Häresie, weil er ein Schisma befürchtete, welches dann mit der Reformation eintrat.
Luther bezeichnet die Rechtfertigungsthematik als den „entscheidenden Punkt“, mit dem die Kirche steht oder fällt [articulus stantis et cadentis ecclesia]. Er geht sogar soweit, der katholischen Kirche an diesem Punkt den Anspruch, als wahre christliche Kirche zu gelten, abzusprechen. Soweit mag man nun nicht gleich ohne eingehende Prüfung gehen, jedoch geht es bei dieser Thematik um zentrale Aspekte der Ekklesiologie und Soteriologie.
😉
Also ich staune, wie die bloße Erwähnung des Begriffs „Lust“ ein Panoptikum religiöser Neurosen in dieser Kommentarspalte erzeugt hat. Dawkins (und nicht nur er) wird sich freuen und Christen weiterhin als lustfeindlich hinstellen. Zum Glück gibt es Leute wie Jalizcs. Gute Nacht, Jungs.
Ein Christ ist nicht Lustfeindlich, aber gegen falsch Lust die Sünde ist – aber bin dagegen das man sich von ihr Leiten lassen will…. 😀 habe ich aber schon geschrieben. 😉
Und nun gute Nach;)
@ Peter: Nicht die Erwähnung des Begriffs „Lust“ führt dazu, sondern die undifferenzierte Gleichsetzung menschlicher Lust mit dem Willen Gottes. Inwieweit bei wem eine nervliche Erkrankung vorliegt, bleibt dann auch mal ganz schlicht dahingestellt. Ich denke mal, Du hast Deinen Doktortitel dann auch eher in der Theologie…
Ach, und was der militante Bright Dawkins denkt oder auch nicht… Du richtest Dich also in den Fragen Deiner Überzeugung nach der Denke anderer respektive solcher fragwürdiger Zeitgenossen. Das sagt zumindest einiges aus. Gute Nacht!
Ich hatte gestern ein extrem lustvolles Erlebnis. Und ich bin überrascht wie „geil“ sich die Aktion anfühlt. Ich sammle seit gestern Geld für Freunde, die sich noch nie einen „richtigen“ Urlaub leisten konnten. Dieses Projekt macht mir wahnsinnig viel Spaß und ich fühle mich lebendig und angeregt wie lange nicht mehr.
Nach mehr Lust? Ach ja, mit diebischer Freude habe ich in den letzen Monaten versucht, zwei zerstrittene Kollegen wieder anzunähern, die total zerstritten waren. Die beiden sind zwar noch nicht völlig versöhnt, aber haben erkannt, dass sie einander brauchen. Ich stehe daneben und feix mir eins – auch das: extrem LUSTVOLL!
Ich habe außerdem totale Lust auf Versöhnung, Gerechtigkeit, eine „lustbetonte“ Partnerschaft, lustige Kinder, leckeres Essen und Respekt, Wertschätzung und Ermutigung für meine Schüler und Kollegen.
Wenn ich darüber nachdenke, was mir daran eigentlich soviel Genuss bereitet, dann ist das neben der „sensorischen“ Stimulation auch die innere Überzeugung, dass ich in solchen Augenblicken an einer Welt teilhabe und ein Leben lebe, wie Gott es sich vorgestellt hat.
Sehr lustvoll… 😉
Beim Lesen einiger Posts erleide ich einen mehrfachen Schock.
1. Warum lesen so wenige das Zitat ganz, und so viele nur das Wort Lust? Z.B. das hier: „falls sie auch die erhabeneren Wünsche einschließt“ und „Ausdruck aller unserer Neigungen und Überlegungen. Ihr gehört das letzte Wort vor einem verantwortlichen Entschluss“.
2. Die heftigen Reaktionen verraten ziehmlich viel über die Kommentarschreiber. Wie geht ihr mit eurer Lust um?
3. Der „Ausdruck ALLER unserer Neigungen und Überlegungen“ schließt auch die Lust an Gottes Willen ein.
4. Schon mal drüber nachgedacht, wie das bei der Hochzeit zu Kana mit 600 Litern Wein war?
5. Kleiner Tip aus Prediger 9: 7 So geh hin und iß dein Brot mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Mut; denn dies dein Tun hat Gott schon längst gefallen. 8 Laß deine Kleider immer weiß sein und laß deinem Haupte Salbe nicht mangeln. 9 Genieße das Leben mit deinem Weibe, das du liebhast, solange du das eitle Leben hast, das dir Gott unter der Sonne gegeben hat; denn das ist dein Teil am Leben und bei deiner Mühe, mit der du dich mühst unter der Sonne. 10 Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu; denn bei den Toten, zu denen du fährst, gibt es weder Tun noch Denken, weder Erkenntnis noch Weisheit.
6 Würde mich interessieren, wie die Debatte ausgefallen wäre, wenn das Wort Lust, durch „freudiger, innerer Antrieb“ ersetzt wäre.
Wünsche allen einen lustvollen Tag!
Danke, Andi. Jaliczs sagt ja am Anfang „Lust oder Freude“ und die Verbissenheit, mit der einzelne da nur Gefahren sehen können, ist bezeichnend. Wenn man schon solch plumpe Konkordanztechniken in Anschlag bringt (die je nach Übersetzung anders ausfallen und den Kontext gar nicht in die Interpretation einbeziehen), dann hätte „Freude“ als Suchwort auch dazu gehört.
@ Apologet: Ich richte mich nicht nach Dawkins, aber nach der Lektüre Deiner Kommentare wundert mich das, was er polemisch schreibt, gar nicht mehr so sehr. Wenn das biblische Evangelium tatsächlich so negativ wäre wie Deines, dass man nämlich reflexartig auf alles ballert, was schön ist oder Spaß macht, würde ich vielleicht auch lieber Atheist werden und es (wie der umstrittene Bus sagt) für eine gute Nachricht halten, dass es keinen Gott gibt.
Bibelstellen und Lutherzitate zum Thema Freude spare ich mir hier jetzt.
@ Olli: Jaaa – es gibt so etwas wie erlöste Lust. Ich glaube dass Paulus sogar in Römer 7 (uups, doch eine Bibelstelle) davon spricht, dass der Jude unter dem Gesetz (also noch ohne den Geist und ohne die befreiende Botschaft des Evangeliums) schon das Gute will, auch wenn er scheitert. es ist nicht so, dass gar kein Antrieb zum Guten vorhanden wäre – und ich finde es skandalös, das Menschen pauschal und kategorisch abzusprechen. Insofern ist es eine eminent geistliche Angelegenheit, jemanden darin zu bestärken, solchen positiven Neigungen und Intuitionen zu folgen.
„Es ist sehr vorteilhaft, nach ihr [der Lust] zu fragen und ihr Bedeutsamkeit beizumessen, damit sie offenbar wird.“ schreibt Franz Jaliczs. Dem kann ich nur zustimmen. Wer sich ein wenig mit den Grundlagen menschlicher Entscheidungen und Handlungen beschäftigt hat, der wird dabei sicher auch auf die „Libet-Experimente“ gestoßen sein. Dabei hat sich ja herausgestellt, dass bereits ca. 500 Millisekunden bevor wir eine „bewußte“ Entscheidung treffen, in unserem Gehirn ein Handlungspotenzial aufgebaut wurde. Daraus haben viele Verfechter der Ansicht, dass der Mensch keine Willensfreiheit besitzt, einen Beweis ihrer Theorie abgeleitet. Allerdings haben Libet und andere auch nachgewiesen, dass wir bis 100 Millisekunden vor einer Handlung eine Vetomöglichkeit haben. Das nur zum Hintergrund.
Wenn Jaliczs also schreibt:“Diese innere Neigung, die wir Lust oder Freude nennen, fasst die lebenswichtigen Faktoren zusammen und zeigt die Summe der inneren Bestrebungen;“ dann definiert er m.E. damit „das“, was in uns unbewußt schon eine Entscheidung trifft und eine Handlung vorbereitet, bevor uns diese Entscheidung bewußt wird, bzw., wir diese Entscheidung, vermeintlich bewußt, treffen. Die Verkaufspsychologie und die Werbung machen sich diese Erkenntnis ja schon seit langem zu Nutze, in dem sie zunächst in uns die „Kauflust“ wecken, um uns dann, im Idealfall, auch noch die rationale Begründung (Produktnutzen, etc.) für unsere – längst getroffene – Kaufentscheidung, nachzuliefern.
Was mich nun etwas verwundert ist, dass hier, in Kommentaren zu diesem kurzen Blogpost, die Frage nach der Lust zu einer theologisch extrem bedeutsamen Sache hochstilisiert wird, mit Bibeltexten nur so um sich geworfen wird und allerlei berühmte Kirchenväter, Theologen und historische Texte bemüht werden.
Der Mensch „funktioniert“ nun einmal so wie er „funktioniert“, und das ist genau so, wie Gott ihn geschaffen hat. Das ändert sich nicht allein deshalb, weil es im Einzelfall nicht um den Kauf eines Autos, sondern z.B., um etwas „Frommes“ geht! Die Lust bestimmt, bewußt und noch stärker unbewußt, unsere Entscheidungen und Handlungen, und deshalb ist es wichtig, ihr Aufmerksamkeit zu widmen. Ich bin sicher, dass der, der diese „Funktion“ in uns angelegt hat, sie auch dazu nutzt, uns seinen Willen durch Entscheidungsanreize kundzutun. Da diese „Lust“, wie Jaliczs formuliert, die Summe unserer inneren Bestrebungen anzeigt und alle lebenswichtigen Faktoren zusammenfasst, unterliegt sie auch der Veränderung, die uns Gott durch unser geistliches Wachstum zuteil werden lässt. Sie wird also durchaus auch zum Gradmesser göttlichen Willens und Wirkens in uns.
Wer Lust ganz allgemein mit „niederen, bösen Gelüsten“ des „natürlichen Menschen“ gleichsetzt, der verachtet damit einen wichtigen Motivator und Indikator, den Gott kreatürlich in uns angelegt hat.
Das Statement von Olli zeigt übrigens ganz humorvoll, wie positiv man Lust auch sehen kann 😉
Grüßle, Sec
Also ich finde die ganze Sache gar nicht kompliziert, wenn man einfach die Kirche im Dorf lässt und wirklich das Sünde nennt, was auch die Bibel Sünde nennt. Mir scheint es herrscht oft Verwirrung darüber, was das alles beinhaltet. Manche Leute scheinen irgendwie zu denken, so ziemlich alles sei Sünde, aber das ist ja ein begrenzter Rahmen, den Gott zu unserem eigenen Schutz eingesetzt hat.
Es geht doch eigentlich darum, Gott mit meinem Leben zu ehren und da er mein Schöpfer ist, sollte das dazu führen dass mir das auch Freude macht. Ich denken hier ist ein Knackpunkt, dass wir denken dieses Dienen muss zwangsläufig etwas sein, was mir keinen Spass macht. Es kann allerdings schon sein, dass es Überwindung kostet und es gibt sicherlich ein Spass-Verständnis in unserer Gesellschaft, das komplett oberflächlich bleibt und nur mir selbst dient. Ich denke das ist nicht in Gottes Willen.
Ihr lieben Theologen, was bleibt unterm Strich von euerm Disput für den Hausgebrauch, für das „ungebildete Volk“? Wenn schon Schriftworte, dann noch dies: „Freue dich über den Herrn (habe deine Lust am Herrn), der wird dir alles geben, was du dir von Herzen wünschst!“ Ich habe von ihm nur dies eine Leben bekommen, und nach seinem Willen darf ich es genießen bis ans Ende.
Und noch dies: Wenn ich die Geschichte mit der Hochzeit zu Kana wörtlich verstehe, dann hat Jesus unter anderem dem jungvermählten Paar ein tolles Hochzeitsgeschenk gemacht, nämlich eine Existenzgrundlage in Form eines ungewöhnlichen Weinhandels.
Hmm, ich denke hier wurde echt viel aneinander vorbei geschrieben ;).
Die einen (ich auch ´;)) haben den Sinn vom Beitrag so verstanden: „Mach nur das auf das du Bock hast, egal was es ist, es ist immer Gottes Willen.“
Die andern denken, dass diejenigen der Meinung wären, alles Lustvolle wäre falsch -> was aber nicht Stimmt.
Na, kann es sein das ich recht hab 😀
@ Johannes, es gilt wie immer der Literalsinn.
@Apologet: es gibt gar keinen Literalsinn, sondern nur Deine und meine Interpretation des Geschriebenen. Sonst hätten wir gar keine Missverständnisse…
@ Peter: Habe einen Zweifel daran das dies Deine theologische Position ist.
@ Apologet: Eher meine philosophische. Aber im Ernst: Der Sinn ist ja nicht in den Buchstaben, sondern er entsteht in deinem Kopf. Aus dem, was die Buchstaben möglicherweise enthalten und aus allem anderen an Gedanken und Regungen, was schon drin war – de servo arbitrio zum Beispiel. Daher die reflexartige Reaktion auf das Stichwort „Lust“ und die Schwierigkeit, ein anderes Verständnis dieses Begriffs zur Kenntnis zu nehmen und sich darauf einzulassen.
Literalsinn ist streng genommen also Unsinn, weil er den Kontext ausblendet, in dem eine Aussage gemacht und verstanden wird.
Ich muss mich Sempervivum anschliessen und fragen: Was helfen soche theologischen Winkelzüge weiter?
Die Frage die wirklich interessiert ist doch, wie sich das jeweilige Menschenbild im täglichen Glaubensvollzug auswirkt, welchen Unterschied es dort tatsächlich macht.
@ Christoph: Ganz klar, darum ging es ja ursprünglich. Nur wenn „theologische Winkelzüge“ zu einer problematischen Praxis führen, muss man deren Fehler suchen und abstellen. Kommt eben leider auch vor…
Bei dieser Thematik schwingt bei vielen wohl die Angst mit (Wer hat diesen Satz noch nicht gehört^^): „Dann kann ja jeder machen, wozu er Lust hat!?“ Meine Antwort darauf ist meistens: „Ja – und was genau soll daran falsch sein?“. Ich finde, Olli hat es wunderbar humorvoll auf den Punkt gebracht. Warum kann oder darf es mir keine Lust (und somit auch Erfüllung) bereiten, Dinge zu tun, die dem Willen Gottes entsprechen? Ist es nicht sogar so, dass ich – gerade wenn ich die Nachfolge ernst nehme – viel Lust dabei empfinde? Mir geht es jedenfalls ähnlich wie Olli. Und eine Frage möchte ich noch in den Raum werfen. Woher kommt diese Angst, dass alles furchtbar wird, wenn jeder macht, wozu er „Lust“ hat? Vielleicht daher, dass man seine eigenen, dunklen Gelüste (aber die hat Peter eben nicht gemeint glaub ich) nur zu gut kennt und Angst davor hat, sie selbst auszuleben, weil sie Schaden anrichten würden. Dann wäre diese Angst auch verständlich. Aber ich glaube nicht, dass der Mensch grundsätzlich nur Lust am Bösen hat. Ganz im Gegenteil.
@ Peter: stimmt schon, ich habe aber oft den Eindruck, dass die meisten theologischen Probleme, eher einen persönlichen oder zwischenmenschlichen Ursprung haben. So wie Stephan das erklärt, dass so eine radikale Ablehnung von allem was Spass macht eigentlich aus der Angst geboren wird. Das finde ich einen interessanten Ansatz. Dann wären wir von der Angst motiviert und nicht vom Glauben!
@ Christof: Sehe ich genauso. Nur wenn man die theologischen Rationalisierungsversuche nicht mit anpackt und ihre Problematik darstellt, stellt sich der Betreffende (weil er meint, er hat „Recht“), seinen Ängsten eben erst gar nicht. Denn die wären dann ja objektiv begründet…
Ich hoffe, mein Kommentar wird nicht gleich in die Kategorie „lustloser Fundi mit Neurose“ gesteckt. Ich würde „Apologet“ dahingehend Recht geben, als dass das Zitat für sich genommen in der Tat theologisch problematisch ist (wenngleich ich Jalics nichts unterstellen möchte).
Ich bin auch kein Lustfeind, befinde mich selbst gerade in der Entdeckungsphase, was es heißt, seine Freude und Lust am Herrn zu haben. Ein lustloser Christ ist eigentlich ein Widerspruch in sich. Selbst wenn diese Lust noch so positiv geprägt sein mag, noch so „edel“ ist, kann ich jedoch nicht mitgehen, wenn es über die Lust heißt:
„Ihr gehört das letzte Wort vor einem verantwortlichen Entschluss“
Der Lust gebührt m.E. auf keinen Fall der Entscheidungsprimat, sie mag nur soweit bestimmend sein, wie sie sich Gottes Willen fügt! Ich bin fest davon überzeugt, dass Gott uns Freude und Lust am Dienst für Ihn schenken will und es auch tut, Der Primat gehört der Offenbarung Gottes in seinem Wort, in dessen Rahmen wir Entscheidungen fällen können. Mir bleibt unklar, ob Jalics eine von Gottes Wort erneuerte Lust im Blick hat oder eine schlichtweg von der revelatio naturalis als einem „guten Kern“ geprägten Lust zugrundelegt.
@ Peter: vielleicht wäre es in Anbetracht der Diskussion hilfreich, den Kontext der Aussage bei Jalics kurz vorzustellen.
Ich hoffe, dass der Beitrag ein bisschen zwischen den Fronten vermitteln kann und hilft, beiderseitige Missverständnisse aus dem Weg zu räumen!
@theologiaetmusica: Bei dem Nickname kann man gar nicht lustfeindlich sein 🙂
Zum Kontext: Es geht um Entscheidungen im Leben. Also etwa die Wahl des Berufs, Lebensmittelpunktes, Lebenspartners. Oder vielleicht auch nur die Frage, wo ich meinen Urlaub verbringen soll. Da gibt es – wie so oft im Leben – keine Bibelstellen, die das regeln. Es gibt auch kein plattes richtig und falsch, sondern eher ein besser und schlechter.
In dieser Situation empfiehlt Jalicz, doch mal ernsthaft auf die eigenen Gefühle zu hören und den positiven Empfindungen zu vertrauen.
Um es nun nochmal theologisch zu kommentieren: Der protestantische Reflex, hier immer wieder in spätmittelalterliche Frontstellungen („Semipelagianismus“) zurückzufallen, die heute irrelevant sind, hilft nicht weiter. Der erlöste wie der unerlöste Mensch (wobei noch zu klären wäre, ab wann jemand als erlöst einzustufen ist!!!) haben keineswegs nur böse Antriebe – auf Römer 7 habe ich ja schon hingewiesen und Jesus erkennt diese durchaus an bei „Heiden“ und „Sündern“.
Nichts anderes tut Jaliczs und er vertraut dabei natürlich auf Gottes Geist – und ich frage mich verwundert und GENERVT, warum man das immer so nachdrücklich beteuern muss, um nicht angeschossen zu werden, statt dass man im Zweifelsfall mal davon ausgeht, ein verantwortlicher Christ meint das so, auch wenn er keinen dreiseitigen theologischen Disclaimer an alle seine Aussagen dranhängt…????
@ Peter: Danke für die hilfreichen Anmerkungen. Ich denke, du stimmst mir dennoch darin zu, dass Jaliczs These natürlich provokant formuliert ist. Die Diskussion zeugt davon, wie unterschiedlich eine Aussage je nach theologischem Background aufgefasst und (miss)verstanden werden kann. Ich persönlich würde der Lust auch einen Platz einräumen, da ich darauf vertraue, dass Gott durch seinen Geist das Streben nach seinem Willen in mir weckt, wobei natürlich trotzdem auch innerer Widerstand gegen Gott auftauchen kann und meine Lust nicht umbedingt Gottes Lust ist. Hilfreich ist hier der biblische Ansatz, der immer vom normativen Gebot und der situativen Weisheit ausgeht (sehr gut dargelegt in der Ethik von Schirrmacher), sodass ich eben nicht in jeder Situation auf ein besonderes Gotteszeichen warten muss, die Entscheidung aber in Verantwortung vor dem Gebot situativ weise treffen kann.
Ich glaube, Jaliczs provoziert nicht. Er steht vielleicht auch der ostkirchlichen Tradition nahe, die ja ein wesentlich positiveres Bild vom Menschen hat als der Westen seit Augustinus und insbesondere die konservativen Protestanten. Der pelagianische Streit hat dort nie stattgefunden.
Daher kann er unbefangen positiv von den tieferen, guten Sehnsüchten reden, ohne zu unterschlagen, dass diese oft von den oberflächlichen, selbstsüchtigen oder destruktiven Regungen unterdrückt werden.
Ich kann nur sagen, dass ich mich auf weitere erhellende Posts zu Jaliczs positiver Sicht des Menschen freue und frage mich ob ich Vorfahren aus ostkirchlichen Gegenden habe.
Wie kommt es sonst, dass ich mit dem komplett negativen Menschenbild des Westens immer weniger anfangen kann?