Gestern fragte eine Teilnehmerin an einem Gespräch über Jugendevangelisation, ob das Ende der „Veranstaltungsevangelisation“ gekommen sei. Die Frage wird hin und wieder gestellt, und ich kann das Unbehagen hinsichtlich vieler Formen von Veranstaltungsevangelisation gut verstehen.
Auf der anderen Seite ist das Evangelium seinem Selbstverständnis nach öffentliche Wahrheit. Wenn man die Unterscheidung sozialer Räume in intim, persönlich, sozial und öffentlich zugrunde legt, dann lässt sich das christliche Zeugnis nicht auf die ersten drei reduzieren. Oft steckt hinter der Frage nach dem Sinn von „Veranstaltungsevangelisation“ auch die Frage nach dem Rückzug aus dem öffentlichen Raum.
Denn der öffentliche Raum hat seine Tücken. Man kann die Wirkung einer Botschaft viel weniger abschätzen und noch schlechter kontrollieren. Die Frage nach dem „wie“ bleibt also die entscheidende Frage: Wie melden sich Christen öffentlich zu Wort? Was sind passende Gelegenheiten, Anlässe, Themen und Aussagen, wie stimmig ist das Ganze im Blick auf das Bild, das Christen und Kirchen abgeben, welche Absichten und Haltungen stecken dahinter, wie offen oder wie monologisch ist das angelegt – da gibt es viel zu klären. Um dieser Klärung willen kann man auch auf zeitweise (oder auch endgültig) auf bestimmte Formen verzichten.
Beim „wie“ kann man also vieles richtig machen und vermutlich noch mehr falsch. Nicht verzichten kann man jedoch darauf, am öffentlichen Diskurs der pluralistischen Gesellschaft engagiert und bescheiden teilzunehmen. Leslie Newbigin hat es treffend ausgedrückt:
Der Test für die Ernsthaftigkeit meiner Überzeugung wird sein, dass ich bereit bin, sie zu veröffentlichen, sie anderen mitzuteilen, ihr Urteil und wenn nötig ihre Korrektur anzunehmen. Wenn ich mir diese Übung erspare, wenn ich meinen Glauben als Privatangelegenheit behandle, ist es kein Glaube an die Wahrheit.
Ich denke auch, dass das „Wie“ entscheidend ist. Das kognitive Vermitteln einer „absoluten Wahrheit“ die im „unfehlbaren Wort Gottes“ kundgetan ist, wird heute, so nehme ich an, nicht sehr viel [positives] Feedback erzeugen. Gemäß dem Motto „wahr ist, was sich als wahr erweist“, wäre mein Vorschlag, Überlegungen anzustellen wie das Evangelium im öffentlichen Raum erlebbar gemacht werden kann. Ich fahre fast jeden morgen an einer großen Werbetafel mit einer Aufschrift in der Art „Jesus ist Dein Retter, bekehre Dich noch heute“ vorbei. Ich glaube die Menschen, die das lesen, würden es auch glauben, wenn er sich in ihrem Leben wirklich als Retter erweisen würde. Genau hier ist die Gemeinde gefragt. Wie sorgt sie dafür, dass sich das Evangelium im Alltag der Menschen erleben lässt, ohne dass dabei große (!) Worte verloren werden? Das ist eine Frage die mich persönlich umtreibt.