Meine Moltmann-Lektüre hat mich wieder dran erinnert: Vor ein paar Jahren schrieb ich für eine christliche Zeitschrift einen Bericht, wie Alpha Kurse die verschiedenen Konfessionen verbinden und Gräben überwinden helfen. Mein Titelvorschlag “Alpha-Söhnung” wurde allerdings abgelehnt und fiel der freiwilligen Selbstzensur zum Opfer. Bis heute weiß ich nicht, ob die Redakteure nur Angsthasen waren oder die Leserschaft tatsächlich so intolerant, dass man bei einem harmlosen Wortspiel mit Kündigungen der Abonnenten rechnen musste.
Egal. Jedenfalls ist in manchen Kreisen die Vorstellung, dass Gott am Ende ein paar mehr Leute in den Himmel lassen könnte, als die eigene Dogmatik das vorsieht, ein rotes Tuch. Warum eigentlich? Sollte der Gedanke – ob wir ihn nun für plausibel und begründbar halten oder nicht – wenigstens enorm sympathisch und wünschenswert sein? Sollten wir nicht lieber unsere unvermeidlichen Irrtümer auf der großzügigen statt der kleinkarierten Seite begehen wollen?
In der Verbissenheit, wie gelegentlich gegen alles, was auch nur ganz nur entfernt nach “Allversöhnung” riecht, argumentiert wird, habe ich das Gefühl, dass nicht nur seriöse Bibelauslegung, sondern erhebliche Ängste mitschwingen:
• Angst als Motivation zum Gehorsam: Wozu strengen wir uns eigentlich an, üben Verzicht und bringen so viele Opfer, wenn das nicht belohnt wird?
• Hölle und Mission: Geht der Ernst des Glaubens nicht verloren, wenn wir auf die transzendente Drohkulisse verzichten?
• Das “Jenseits” ist wichtiger als das “Diesseits”: Übersehen wird dabei, dass wir nur allzu oft eine ganz bestimmte Dogmatik und Praxis absolut setzen. Man muss an die jenseitige Hölle glauben, dann reicht diesseitig die richtige “Theorie”, um “gerettet” zu sein, aber die konkrete Hölle hier und jetzt lassen wir gleichgültig weiter bestehen, wie Rob Bell schon so gut beobachtet hat.
Wenn Gott aber erklärter Gegner aller “Höllen” ist, müssen wir selbst dann, wenn wir ein Verpassen des Heils als Möglichkeit nicht kategorisch bestreiten können, dies nicht deutlich niedriger gewichten als das Finden oder gefunden Werden? Und das Hier und Jetzt mit seinen Herausforderungen wie seinen Segnungen und seinem “Lohn”, nämlich erfülltem Leben, nicht viel mehr betonen als das Jenseits? Schon allein deshalb, damit wir keinen angstinduzierten Minimal- oder Formalgehorsam züchten, der den Preis der Nachfolge zu drücken versucht?
Mich erinnert das immer an die Streiterei der Arbeiter im Weinberg. Die Helfer der ersten Stunde fühlen sich ausgenutzt, wenn die Nachzügler denselben Lohn einstreichen für so viel weniger Leistung. Ich erinnere mich an eine Religionsstunde in der Schule, wo die Schüler das Gleichnis nachspielen sollten, dann vom Ende überrascht wurden und heftig protestierten. Einer vermutete bei der Besprechung schließlich ganz clever, der Weinbergbesitzer sei der Teufel, weil er nämlich Streit verursache.
Die Logik kam mir irgendwie bekannt vor…
Mir geht es so, dass ich meistens ganz zufrieden bin mit dem was ich habe oder leistete. Aber wenn ich anfange mich mit Anderen zu vergleichen, dann kommt ganz automatisch ein Konkurrenzdenken hoch. Und dann verhalte ich mich nicht mehr rational. Wenn ich Glück habe, bemerke ich es noch rechtzeitig und kann es dann niederkämpfen…
Ist es mit dem „Jenseits“ vielleicht auch so, dass wir anfangen zu vergleichen, anstelle uns zu freuen? An unserem Gerechtigkeitssinn kann es doch eigentlich nicht liegen, denn wenn ich das bekäme, was ich verdient habe, dann „Gnade mir Gott“… 😉
Hallo Peter:
Ein zwei Gedanken hierzu:
Zu denken, man selber hätte den Himmel mehr ‚verdient‘, weil man das richtige ‚glaubt‘, zeigt ja schon, dass man wahrscheinlich vergessen hat, was das eigentlich ‚Gute‘ an der guten Nachricht Jesu war: Die Gnade als (unverdiente) Geschenk der Barmherzigkeit Gottes.
Solange ich selber (noch) weiß, dass gerade ich es eben nicht ‚verdient‘ habe, in der Gegenwart Gottes leben zu dürfen (ob jetzt oder im Jenseits) und mir dessen bewußt bleibe, kann ich mich auch mitfreuen, wenn jemand anderes auch ergriffen wird von dieser guten Botschaft.
Sobald ich aber denke, ich wäre ja schon ‚drin‘ und hätte mir aufgrund meiner religiösen Leistung meinen Platz gesichtert, ist es auch logisch, dass ich diesen zu verteidigen suche.
Gott sei es gedankt, dass er eben nicht nach Leistung beurteilt 🙂
Ich frage mich, ob man Dies- und Jenseits so trennen kann, jener „erklärte Gegner aller Höllen“ hat zumindest eine selber geschaffen, die aber erklärtermaßen nie für Menschen gedacht war, vielleicht sind manche dieseitige Höllen deswegen auch nur Revanchefouls der Gegenseite am schwächsten Glied.
Betrachten wir die Sache doch mal von Gott her, er sehnt sich nach dem Menschen, den er liebt, und er gab seinen Sohn Jesus, damit wir durch dessen geschenkte Gerechtigkeit in seine Gemeinschaft eintreten können, also wer das nicht den Hammer findet hat noch nie wirklich drüber nachgedacht. Welche eigensüchtige Motivation kann da noch bestehen, wenn wir daran teilnehmen sollen, auch anderen das mitzuteilen?
Interessant wäre es, mal zu untersuchen, ob nicht alle anderen Motivationen außer Liebe zu Gott und den Menschen sich nicht letztlich auf Spielarten von Selbstgerechtigkeit zurückführen lassen.
Ich mag Karl Barths Antwort auf die ängstliche Frage, ob er etwa die Allversöhnung lehre: „Ich lehre sie nicht, aber ich lehre sie auch nicht nicht.“
Ich bin selbst unsicher in manchen dieser Fragen, wünsche mir aber, ein weites Herz zu bewaren und nicht selbst-ängstlich unsicher zu werden.
Mir hat bei dem ganzen CS Lewis Sicht der Dinge geholfen, die den Grund für ewige Verlorenheit vor allem in der gewordenen Persönlichkeit der Menschen sieht und weniger in einer willkürlichen Strafinstitution für wertloses Leben. Es sind ganz alleine unsere Entscheidungen, die uns im Laufe unseres Lebens zu der Art von Menschen machen, die die Nähe Gottes für unerträglich und seine Liebe für ein falsches Machtspiel halten und ihn von tiefstem Herzen ablehnen:
“Am Ende wird es nur zwei Arten von Menschen geben: Diejenigen, die zu Gott sagen: Dein Wille geschehe, und die, zu denen Gott sagt: Dein Wille geschehe!” .
Dass Gott die Hölle geschaffen haben soll, ist eine Aussage mit ganz gravierenden Implikationen für unser Bild von Gott und für die Frage, was wir unter der Aussage “Gott liebt die Menschen” verstehen können. Und ganz ehrlich, davon ist mir beim Lesen der Bibel in all den Jahren nie etwas begegnet, daber das ist wohl eher etwas für ein Bierchen zu zweit, Jürgen, als für den Blog 😉