Barth missional (6): Weltlich von Gott reden

Barth kommt auf das Thema Kontextualisierung zu sprechen. Die Kirche hat für das Evangelium keine eigene, religiöse Sprache, sie muss sich aber auch nicht krampfhaft um eine „nichtreligiöse“ Sprache bemühen und dabei den Bezug zum Wort der Schrift oder der christlichen Tradition aufs Spiel setzen. Auch die sind ja ursprünglich in „profaner“ Sprache formuliert worden. Auch deswegen, weil alle Sprache stets und unweigerlich verständlich und missverständlich zugleich ist:

Die christliche Gemeinde hat etwas ihr Eigenes zu sagen, sie hat aber – und das bedeutet zunächst ihre Abhängigkeit von ihrer Umgebung – keine eigene Sprache. Sie kann sich in ihren Äußerungen, auch im strengsten Dienst der ihr aufgetragenen Bezeugung des Wortes Gottes, auch in der notwendigen Arbeit des immer neuen prüfenden Reflektierens ihres Zeugnisses – auch in ihrer Theologie also – nur an die Denk- und Redeweise ihrer jeweiligen zeitlich und räumlich näheren oder ferneren, früheren oder gegenwärtigen Umwelt anschließen, sich deren Bedingungen und Grenzen unterwerfen. Sie kann also die menschliche Sprache, auch wenn sie in Zungen redete, nicht wirklich transzendieren.

[…] Was immer die christliche Gemeinde zu sagen hat, sie kann es auf alle Fälle nur weltlich sagen: in jedem Wort weltlich bis auf dessen Wurzel, in jeder Wendung weltlich bis auf deren ursprünglichsten Sinn.

[…] Aber in welcher Sprache sie auch rede, sie lebt dabei gänzlich von fremdem, vielmehr von allgemeinem Gut: sie ist dabei notorisch und ohne alle Ausweichmöglichkeiten nach rechts oder links begrenzt und bedingt durch die menschlichen Ausdrucksformen, die sie mit ihrer näheren und ferneren, mit ihrer einstigen und heutigen Umwelt gemein hat. Sie kann nur weltlich reden. (KD IV,3 / S. 842)

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2 Antworten auf „Barth missional (6): Weltlich von Gott reden“

  1. Hallo, Peter,
    schön, dass ich nicht der einzige bin, der auf seinem Blog „125 Jahre Karl Barth“ würdigt! (Bei mir auf Kraftwort.wordpress.com gibt es in diesem jahr immer ein „Zitat des Monats“ von ihm)
    Zu Deinem heutigen Zitat zwei Anmerkungen:
    1. Wo steht es?
    2. Zum Zusammenhang von Theologie und Sprache könnte auch umgekehrt ein Schuh daraus werden: Sprache ist ja der Ort der Erfahrung, und wenn Glaube eine eigene Erfahrung bedeutet, dann hat er auch eigene Sprache, wirkt er soprachbildend – und das tut er ja auch. Die Literaturgattung „Evangelium“ gibt es nur für den Inhalt „Evangelium“ und die Worte „Gott“ und „Gebet“ gibt es nur, weil es etwas gibt, das sie bezeichnen – und es ist vielleihct doch eher so, dass Worte ursprünglich religiös oder theologisch sind und dann ins „Weltliche“ auswandern und nicht umgekehrt. Immerhin: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort“. Und ist es nicht so, dass letztlich nur der Mensch, das Geschöpf, dem eine besondere Gottebenbildlichkeit zu eigen ist, wirklich sprechen kann? (Selbt wenn Affen angeblich bis zu 200 Wörter lernen können: Sie werden die Sprache nie „kreativ“ gebrauchen wie der Mensch und Tagebuch schreiben oder Liebesgedichte verfassen, die sich reimen …)

  2. @Barnabas: Die fehlende Seitenangabe habe ich ergänzt – danke für den Hinweis. Zur Sprache und Freiheit kommt noch ein Post nach, morgen dann. Das ist ein sehr spannendes Thema.

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