Barth missional (3): Konfuse Welt

Barth betrachtet nach der Geschichte Israels nun die Weltgeschichte unter der Dialektik von menschlicher Verwirrung und göttlicher Vorsehung – hominum confusio et dei providentia. In dieser Perspektive lassen sich Realismus und Hoffnung zusammenhalten und ein Rückzug der Christen aus der feindliche Welt in eine fromme Nische vermeiden:

Der Teufel in Ehren: aber der Teufel kann im Großen wie im Kleinen nur da los sein, wo der Mensch los, nämlich gottlos und bruderlos existiert. Die gottlosen und bruderlosen Menschen machen die Verwirrung und damit eine nun allerdings weithin verteufelt aussehende Weltgeschichte. Der Ausdruck hominum confusione ist endlich auch darin gerade theologisch zutreffend, daß er nicht zu wenig, aber auch nicht zuviel sagt. Confusio bezeichnet zweifellos eine tief bedenkliche, eine ganze üble Sache. Confusio eröffnet den Ausblick auf ein Meer von Torheit und Bosheit, von Betrug und Unrecht, von Blut und Tränen. Confusio spricht aber doch kein schlechthiniges Verwerfungsurteil aus, bezeichnet die Weltgeschichte nicht als eine Nacht, in der alle Katzen grau sind, nicht als ein Irrenhaus, nicht als eine Verbrecherhöhle, nicht als ein Leichenfeld, geschweige denn als ein Inferno, sondern sagt von ihr nur – und das ist ernst und hart genug – daß die Menschen da Verwirrung machen, veranstalten, vollziehen. Und «Verwirrung» impliziert doch auch ein positives Moment. Daß sie unter Gottes Vorsehung geschieht, kann ja auch da drunten nicht bloß theoretische Bedeutung haben. Wo Verwirrung stattfindet, da ist nicht nur ein Element, da müssen mindestens zwei verschiedene im Spiel sein […]:
Auf der einen Seite die gute und ihrer Güte keineswegs beraubte oder sonst verlustig gegangene, auch keineswegs «zerbrochene», sondern herrlich wie am ersten Tag existierende Schöpfung Gottes: der Mensch, der hinsichtlich alles dessen, was ihn zur menschlichen Kreatur macht und als solche auszeichnet – was auch von seinem Tun zu melden sei – nicht schlecht, sondern gut ist […]
Auf der anderen Seite aber (und hier könnte nun ernstlich des Teufels zu gedenken sein): die auf keine ihr von Gott gegebene Möglichkeit begründete, von ihm, dem Schöpfer, nicht gewählte und gewollte, sondern nur eben per nefas existierende Wirklichkeit und Wirksamkeit des Absurden, des Nichtigen. Was ist das? Nichts Anderes als die Verneinung der guten Schöpfung Gottes, die als solche auch von ihm nur eben verneint, ausgeschlossen, verworfen sein kann, die darum auch von seinem Geschöpf, vom Menschen im Mittelpunkt, in der Schlüsselstellung seiner Geschöpfwelt, lebte er mit Gott, seinem Bruder und sich selbst im Frieden, nur eben verneint, ausgeschlossen, verworfen werden könnte und dürfte!

(KD IV,3 S. 796f.).

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