Anarchische Zweiradgesellschaft

Hinter mir liegen ein paar Tage in Amsterdam bei strahlendem Wetter. Es ist ewig her, dass ich das letzte Mal dort war, und so war es eine Mischung aus Neuem und Vertrautem. Manche Fahrräder, die überall (aber wirklich überall – die Erlanger Stadtverwaltung würde sich die Haare ausraufen!) an Brückengeländern, Laternen und Zäunen angekettet sind, waren ganz offenbar damals schon in Gebrauch. Die meisten sind angerostet, ramponiert und fast platt. Sie sind schwer, und die zwei bis drei Schlösser mit massiver Stahlkette, die sie vor Dieben schützen sollen, verdoppeln das Gewicht noch einmal locker. Es scheint in Amsterdam dreimal so viel Räder wie Menschen zu geben. Da fühle ich mich sofort wie zuhause.

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Der Straßenverkehr hat überhaupt etwas Anarchisches: Mit dem Auto kommt man schlecht voran, und die Zweiradgesellschaft wirkt enorm egalitär – alle fahren Cabrio. Klassenunterschiede (die es natürlich gibt) sind nicht mehr erkennbar. Kinder werden nicht in Anhängern transportiert wie bei uns, sondern in großen Kisten und Körben, die vorne am Rad montiert sind. Bis zu drei Kids habe ich samt Elternteil auf einem Rad gesehen, keineswegs immer sicher angeschnallt. Hunde fahren auch viele mit. Niemand trägt einen Helm. Und Autofahrer, die in Erlangen verzweifeln, sollten mal eine Woche in Amsterdam üben.

Es gibt entlang der Grachten und in den kleinen Gassen unendlich viele kleine und originelle Läden und Restaurants. Die Amsterdamer, wenn man unter den vielen Touristen welche trifft, sind ungefähr so nett wie die Berliner – ethnisch eine extrem bunte Mischung, selbst schrille Typen fallen kaum auf. Das muss mit der Geschichte zu tun haben: Im Van Gogh Museum kann man verfolgen, wie der geniale Maler und gescheiterte Evangelist sich vom Graubraun der Anfangszeit zu einem immer leuchtenderen Bunt hin entwickelt hat. So bunt und unorthodox wie sein Malstil damals, so ist diese Stadt heute. Man bekommt wirklich Lust, auch zu den Undutchables zu gehören!

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