Akkusativ- oder Dativpredigten?

Ich denke gerade – dienstlich bedingt – über Versuchungen nach und übers Predigen. Die Schnittmenge beider Wortfelder liegt in der Versuchung zur Akkusativpredigt: Ich predige mich selbst. Meine Vorlieben und Vorurteile, meine Eitelkeiten und meinen Eigensinn. Ein Freund kommentierte neulich eine Predigt so ähnlich. Zwischen den Zeilen des gewollt lockeren Predigers kam für ihn nur heraus „schaut mal, wie toll ich bin – nicht so wie die anderen“. Ich als Prediger lerne, wenn ich dieser Versuchung erliege, bei der Arbeit an meiner Predigt nichts dazu (außer wie man sein Image geschickt poliert). Meine Zuhörer leider noch viel weniger.

Nützlicher sind Dativpredigten, und das bedeutet: Ich predige mir selber (und zugleich natürlich der Gemeinde). Da bin ich dann, wenn es richtig läuft, weder der tolle Hecht noch der arme Wurm, sondern einer, der ringt wie alle anderen. Ich muss das nicht einmal ausdrücklich dazu sagen jedes Mal, sondern ich kann mich einfach zurücknehmen. Ich werde automatisch anders reden, wenn sich das Zentrum von mir zu dem hin verschiebt, um den es tatsächlich geht. Klar kann ich nicht jede persönliche Färbung oder perspektivische Verzerrung vermeiden. Aber das Bewusstsein, dass es zwischen Gottes Wort und meinem immer eine Differenz geben wird, nötigt mir hoffentlich genug Bescheidenheit ab, und öffnet für andere eine Tür, durch die sie selbst gehen und Gott begegnen können.

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9 Antworten auf „Akkusativ- oder Dativpredigten?“

  1. Diese Grammatik bekommt nicht nur Pastoren und Predigten gut.
    Passt zur heutigen Tagesslosung.

  2. Man verpasst eh das beste, wenn man ein Thema oder eine Bibelstelle nicht erst „durch sich hindurch“ bearbeitet^^. Ich predige gleich beim CVJM Bindlach über das Thema „Dankbarkeit“ und es hat mich selbst wieder dankbar werden lassen für so vieles und meine Laune ist dadurch ziemlich gestiegen 🙂

  3. Wenn unter Quakern gesagt wird „…er hat heute wieder sehr pastoral gesprochen.“ ist das meist negativ gemeint, und will sagen, das die Rede sehr vorbereitet und nicht aus dem Geist klang.

    Wie sieht es dann bei dir aus Peter? Was ist wenn du am Tag X fest stellst, deine tagelang vorher vorbereitete Rede will nicht über deine Lippen und stehst vor der Gemeinde und dein Herz will zu etwas Anderem, zu etwas völlig Andrem sprechen, was vielleicht auch noch überhaupt zum Rest des Gottesdienstprogramm passt. Wirft du dann trotzdem Alles um?

    Gruß

    Olaf

  4. @Peter (20. Jun 2010 um 13:20):
    Für mich lasen sich einige Blogbeiträge so, das da darin von einen Predigvorbeitungen schreibst. Also ging ich davon aus, das es bei euch auch so läuft wie bei vielen anderen Gemeinden auch. Das dass Thema der Predigt dem vorbereitenden Gotti-Team bekannt ist und die Worship-Songs z.B. darauf abgestimmt werden und auch z.T. das „Kinderprogramm“.

    Olaf

  5. @Olaf: Das Thema schon, aber nicht die ganze Predigt. Obwohl ich denke, die Alternative spontan/vorbereitet hat nichts mit Geist oder nicht Geist zu tun. Es gibt gute spontane Sachen und schreckliche. Umgekehrt natürlich auch bei vorbereiteten.

  6. Versteh ich das hier gerade richtig? Geht es um die Frage, ob man eine Predigt vorbereiten soll oder nicht? Oder hab ich das falsch verstanden?
    Wie soll der Geist denn wirken, wenn er auf ein thematisch völlig unvorbereitetes Hirn und Herz trifft? Ich bin es meinen Zuhörern einfach schuldig, mich so gut wie irgend möglich auf eine Predigt vorzubereiten, das ist zumindest meine Meinung. Wenn ich dann (was öfters vorkommt) währenddessen merke, dass es das Thema in eine etwas andere Richtung „treibt“, dann bin ich nochmal umso froher, je besser ich mich auf das Thema vorbereitet habe, weil man durch gute Vorbereitung eben spontan wird. Ich halte absolut nichts von sog. „Geistpredigten“ die im Prinzip doch nur das wiederspiegeln, was die unterm Strich (unvorbereitete) Meinung des Predigers ist. Es dauert auch nicht lange, bis sich derartige Predigen in der Wiederholungsschleife der frommen Floskeln totgelaufen haben. Das ist meine (ausschließliche!) Erfahrung mit spontanen Geistpredigten. Ich habe gelernt, gerade durch die akribische und (siehe Thema) intensive Vorbereitung den Geist Gottes „mitarbeiten“ zu lassen. Alles andere halte ich für nicht verantwortbar.
    Aber vielleicht hab ich mich etz ja auch umsonst aufgeregt und doch das Statement falsch verstanden.

  7. @Stephan (21. Jun 2010 um 06:18):

    Ein Stück weit teile ich deine Beobachtung. Die Frage ist nur wie man Gottesdienst versteht und welche Rolle man Gott dabei gibt. Auf meinem Weblog habe ich von einem unserer Gottesdienste berichtet. Natürlich ist nicht jeder Wortbeitrag toll. In der Regel sind die Rede sehr kurz. Deutlich unter 10 Min. Wenn eine Rede tatsächlich mal völlig entgleist (auch schon vor gekommen) wird interveniert. Bei non pastorale Quakerversammlungen wir (in unserem Verständnis) die Gemeinde, der Gottesdienst und jeder Einzelne von Gott direkt geleitet ohne Mittler – wenn man es denn zulässt. Pastorale oder theologische Ausbildungen sind zweitrangig. Bei uns können auch geistig behinderte Menschen oder Kinder predigen. In und ohne sakraler Sprache. Da ja Gott in jedem inne wohnt, ist es jedem Menschen möglich selber zu erkennen, ob eine Predigt pure Selbstdarstellung ist oder unbeholfene Offenbarung.

    Zurück zum Eingangsgedanken von Peter:

    Sprache ist natürlich immer auch was suggestives und auch auto-suggestives. Gerade in meiner 10 jährigen Tätigkeit in der Assistenz (behinderter Menschen), habe ich erlebt wie immer wieder um neue Begrifflichkeiten gerungen werden, um Stigmatisierung entgegen zu treten. Herausgekommen ist aber immer nur „laufen auf rohen Eiern.“ und „reden um den heißen Brei.“. Wenn man nicht innerlich wahrhaftig ist, kann man das auch nicht kompensieren mit Sprache. Ach diese Geschichte mit den „Ich-Botschaften“, die gerne bei Supervision gemacht wird, rettet ein Team nicht, wenn die Kollegen unaufrichtig sind, und Weltmeister in Mobben.

    Gruß

    Olaf

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