Achtung, bitte!

Vor einiger Zeit unterhielt ich mich mit einer Bekannten und das Gespräch kam – ich weiß gar nicht mehr wie – auf eine andere Person. Ich hatte die beiden ein paar Monate zuvor scheinbar einträchtig ins Gespräch vertieft lange zusammen sitzen sehen. Um so überraschter war ich über die Verachtung, die da in ein, zwei kurzen Sätzen rüberkam. Es war gar nicht das, was sie sagte, sondern viel mehr wie sie redete und vor allem die Tonart, in der sie den Namen aussprach.

Die gefühlte Gesprächstemperatur sank sofort ein paar Grad ab. Ich fragte mich reflexartig, ob sie sich über mich ähnlich äußert, wenn ich nicht dabei bin. Eigentlich will ich es lieber gar nicht wissen. Ich bin kein Sensibelchen – meistens jedenfalls – aber das Gespräch hat mich verstört: Man muss nicht alle Menschen mögen. Man darf auch ein kritischer Zeitgenosse sein und muss nicht jeden Mist schönreden. Aber irgendwie denke ich trotzdem, dass jeder ein gewisses Maß an Achtung verdient hat. Und die beginnt mit der Art, wie wir über jemanden reden.

Stößt mir das deswegen so auf, weil die meisten Leute um mich herum zu gute Manieren haben oder nicht aggressiv genug sind? Mag sein, dass ich in einer heilen Welt lebe. Aber ist das an diesem Punkt ein Nachteil? Man muss sich ja vielleicht nicht an alles gewöhnen.

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9 Antworten auf „Achtung, bitte!“

  1. Ich bemühe mich auch innerlich zu Sach-Kritik und Kritik an der Person selbst auseinander zu halten. Wo ich aber regelmäßig scheitere ist bei Leuten, die mir permanent ins Gesicht lügen. Da steigt bei mir der blanke Ekel auf. Ein grobes Wort kann ich ab (ich bin ja selber nicht immer der Sampfteste.) aber bei dumm dreister Lügerei kann ich meine Verachtung kaum verhehlen. Ich wäre ja gerne großzügiger, aber in dem Punkt komme ich ums verrecken nicht drüber.

    Schade das im NT von Jesus keine Tipps in die Richtung überliefert sind…

  2. Wer einen anderen nicht achtet, hat möglicherweise ein Problem mit der Selbstachtung. Ob der Betreffende möglicherweise auch verächtlich über mich spricht, ist nicht das Ding, sondern dass er einen großen Liebesmangel hat. Diesem Menschen muss geholfen werden.

    1. @Sempervivum: Ich bin nicht sicher, ob der Rückschluss auf fehlende Selbstachtung stimmig ist. Vielleicht ist es ja auch eine vorschnelle Entschuldigung, wenn man meint, der andere könne gar nicht anders und sei im Grunde das Opfer der Umstände?

  3. Lästern gehört oft zum „guten Ton“ und erzeugt auf irgendeine dubios-verschwörerische Art „Gemeinsamkeit“ – man ist sich zumindest einig, dass der oder die nicht tragbar oder schlimmeres ist. Ein gemeinsamer Feind stärkt die Gruppe oder so ähnlich heißt es ja in der Gruppenedynamik. Sich konsequent aus dem Lästern raushalten ist übrigens gar nicht so schwer und erzeugt auch etwas – eine vertrauensbildende Atmosphäre, in der man sich sicher fühlt, weil man weiß, dass man kritisiert wird, wenn es sein muss, und ansonsten nicht schlecht über einen geredet wird. Mir geht es ähnlich wie Peter – ich verhalte mich auch in absoluter „Hab-Acht!“ – Stellung bei Menschen, die sich so respektlos und abschätzig über andere auslassen – wer weiß schon, wann ich dran bin?
    @sempervivum: Ich denke, es hat eher mit Selbstüberschätzung zu tun, denn ich läster ja nur über jemand, den ich für minderwertiger halte als mich selbst. Das ist der Trugschluss zu meinen, man kann sich größer machen, indem man andere „unterdrückt“.
    @Olaf: Mein Umgang damit: Sag – wenn überhaupt – nur Kritik über einen Dritten, wenn du es ihm gegenüber bereits unter vier Augen geäußert hast. Denn hat man was geklärt, nimmt der Drang, abzulästern extrem ab 🙂

  4. Uff, ertappt…so kann ich mein schwaches Selbstwertgefühlt einfach auf den anderen projizieren und fühl mich unheimlich stark und überlegen.

  5. @Stephan (17. Jun 2010 um 11:22):

    Der Ansatz ist nicht schlecht. Funktioniert aber leider nur bedingt, wenn der Lügner in einer Machtposition sitzt. Dann kann man sich überlegen ob man es Demjenigen trotzdem in Gesicht sagt was man von ihm hält und den (beruflichen) /Märtyrer-Tod/ stirbt oder sich doch lieber auf die Lippe beißt….

  6. @Olaf: Hab ich mehrfach praktiziert und eigentlich sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Es muss einem eben gelingen, es auch dem (vielleicht verhassten) Chef so rüber zu bringen, dass er sein Gesicht wahren kann. Das ist ja der Schlüssel dazu. Ich will ihn ja nicht vernichten, sondern wenn, dann berechtigte Kritik üben oder zumindest mal ne Rückmeldung geben. Klar sind nicht alle Chefs besonders kritikfähig, aber wie sollen sie es auch lernen, wenn es keiner macht^^? Bisher haben mich meine Chefs nach einem solchen Gespräch mehr geachtet und geschätzt als vorher, v.a. WEIL ich eben nicht auf Vernichtung, sondern auf wertschätzende Klärung aus war.

  7. Dazu kann ich aus Bonhoeffers Buch „Gemeinsames Leben“ sehr das Kapitel „Der Dienst“ und die Regel, nicht über jemanden in dessen Abwesenheit schlecht zu reden empfehlen. Dort wird auch gut erklärt, weshalb wir dazu neigen dies zu tun.

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