Sternschnuppen am Himmel sind für viele ein bewegendes Schauspiel, auch wenn wir das nur noch ein kleines bisschen „magisch“ finden. Im Augenblick stehen die Chancen ja wieder bestens, und so war ich am Sonntag Abend noch mal draußen, um den Nachthimmel rund um den Perseus zu betrachten – gar nicht so leicht, bei der Häufigkeit genug Wünsche parat zu haben. Irgendwie fühlt es sich schon so an, als würde Gott uns zuzwinkern.
Source: Hubblesite.org
Man kann an diesem Beispiel aber auch schön sehen, wie die Kunst der Aufmerksamkeit funktioniert. Fotografen zum Beispiel empfahl die Wissenschaftsredaktion des BR, einen Weitwinkel und Langzeitbelichtungen zu nutzen, um Sternschnuppen aufs Bild zu bekommen. Ein Teleobjektiv dagegen hätte wenig Sinn, höchstwahrscheinlich würde ich damit immer gerade auf die falsche Stelle zielen.
Aufmerksamkeit bedeutet, das Gesichtsfeld möglichst weit und offen zu halten. Sie ist etwas anderes als die Konzentration auf einen einzelnen Punkt. Weil sie sich ganz wach auf Sinne und Empfindungen richtet, bedeutet Aufmerksamkeit auch, möglichst nicht in Gedanken abzuschweifen in Zukunft (ob meine Fotos gelingen und was ich damit mache), Vergangenheit (warum es beim letzten Mal nicht geklappt hat und was wohl der Grund gewesen sein könnte) oder an einen anderen Ort (wo ich vielleicht eine viel bessere Sicht hätte), sondern in der Gegenwart zu bleiben.
Gerade der weite Horizont der Aufmerksamkeit hat einen befreienden Aspekt. Am Himmel des Augenblicks entdecke ich viele kleine und große Dinge, und plötzlich ist die störende Wolke, über die ich mich geärgert hatte, oder der dunkle Fleck, der mir Kummer oder Angst macht, nur noch eine Sache unter anderen. Immer noch präsent, aber nicht mehr so erdrückend. Immer noch ein reales Gefühl, aber nicht mehr eines, das mich völlig besetzt. „Ich“ bin mehr als diese eine Empfindung, dieser eine Gedanke, ich kann meine Aufmerksamkeit wandern lassen und wieder zurückkehren – in aller Freiheit.
In Jesaja 40 hat das schwer gebeutelte Israel den Eindruck, Gott habe es vergessen. Der Prophet benutzt die Sterne als ein Beispiel für Gottes liebevolle Aufmerksamkeit: So unwandelbar wie der Fixsternhimmel ist auch Gottes Zuwendung. Sein unermüdliches Interesse ist es, das die Sterne jede Nacht wieder pünktlich ihren Platz einnehmen lässt. Und mit derselben aufmerksamen Verlässlichkeit begleitet und lenkt er den Weg seines Volkes durch unergründliche Tiefen und Finsternis auf ein gutes Ende hin – es lohnt sich also, ihm zu vertrauen und aufmerksam abzuwarten, was gerade Unerwartetes geschieht. Der Blick nach oben bereitet uns darauf vor, auch die Dinge vor unserer Nase neu und anders zu sehen:
Hebt eure Augen in die Höhe und seht: Wer hat die (Sterne) dort oben erschaffen? Er ist es, der ihr Heer täglich zählt und heraufführt, der sie alle beim Namen ruft. Vor dem Allgewaltigen und Mächtigen wagt keiner zu fehlen. Jakob, warum sagst du, Israel, warum sprichst du: Mein Weg ist dem Herrn verborgen, meinem Gott entgeht mein Recht? Weißt du es nicht, hörst du es nicht? Der Herr ist ein ewiger Gott, der die weite Erde erschuf. Er wird nicht müde und matt, unergründlich ist seine Einsicht.