Wann muss man streiten?

In the ooze wirft Christian Beyer Jim Wallis und Brian McLaren vor, die evangelikale Bewegung über der Klimafrage zu spalten, weil sie James Dobsons Forderung nach dem Rücktritt von Richard Cizik von der National Association of Evangelicals kritisiert haben. Cizik hatte sich mit konsequenten Forderungen zum Kampf gegen den Klimawandel bei den “Rechten” unbeliebt gemacht, wurde ziemlich übel beschossen. Der Kernpunkt von Beyers Argumentation ist nun:

But as of this time there is not enough good, sound, scientific evidence to support the idea that the activities of the human race are raising the temperature of the Earth. In fact, the more we observe over time, the more the evidence shows that mankind is having very little, if any, impact on the Earth’s temperature swings. This does not mean that we should abandon our efforts to improve our stewardship of the planet, but it does mean that we should hesitate jumping into socialistic programs that may very well spell disaster for much of the world’s economy.

Die Wahrnehmung, dass die wissenschaftliche Diskussion noch völlig offen sei, verwundert etwas. Sicher gibt es (wie immer) abweichende Einzelmeinungen. Aber Brian McLaren Arroganz vorzuwerfen, bloß weil er ohne jegliche Ironie darauf hinweist, dass die wissenschaftliche Diskussion global gesehen praktisch gelaufen ist und man nun zum Handeln kommen muss, ist wohl nur mit der provinziellen US-Binnenperspektive zu erklären. Schließlich schwingt er auch noch die gute Sozialismuskeule, die kennen wir ja noch vom Thema Gebärmaschinen. Staatliche Intervention zum Klimaschutz ist, so Beyer, schlimm, weil sie der Wirtschaft schadet. Der heimischen, wohlgemerkt, und auch das ist mittelfristig gedacht vermutlich eine Milchmädchenrechnung.

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Dass die Erderwärmung sehr wahrscheinlich weltweit vor allem in den jetzt schon armen Regionen zu millionenfacher Armut, Flüchtlingsströmen und Kriegen führt, sollte uns genug umtreiben, um sie sofort zu bekämpfen (und natürlich ist das auch eine staatliche Aufgabe!). Wenn nämlich alles bewiesen ist, ist es eben auch zu spät, noch etwas dagegen zu tun (wie wär’s mit etwas Glauben?). Und wer jetzt noch zaudert, wird damit zum Teil des Problems und muss als solches benannt werden dürfen.

Schade vor allem, dass Beyer vor lauter Klage über den (wie ich finde: missverstandenen) Ton auf Wallis‘ Frage in Richtung Dobson & Co gar nicht eingeht. Die lautete nämlich, ob globale Armut, AIDS, Völkermord, Kriege und das drohende Elend durch die (im übrigen als Faktum, abgesehen von den Ursachen, völlig unbestrittene!) Erderwärmung ein moralisches Problem für Christen darstellen, oder ob man sich als Evangelikaler weiter auf Abtreibung und individuelle Sexualmoral beschränken sollte.

Toleranz (wie immer man die bestimmt) wäre dann völlig unangebracht, wo es um soziale Gerechtigkeit geht. Wer sie dennoch bei einem solchen Thema einfordert, hat im Prinzip doch schon denen Recht gegeben, die es zu den “Adiaphora” rechnen – Dinge, die man nach Gusto sehen kann. Ich glaube, das war es schon bei Jesus nicht. Hier kann man nicht nur, hier muss man die Auseinandersetzung suchen und hier dürfen auch einmal harte Worte fallen – die im Übrigen bei Wallis & Co wesentlich weniger polemisch ausfallen als bei ihren Antipoden.

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