Bei der Northumbria Community (2): Worte, die mich tragen

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Ein besonderes Erlebnis während der Tage im Norden waren die liturgischen Gebete. Sie geben dem Tag eine Struktur und einen Rhythmus, den ich kurz erklären muss, bevor ich zu dem komme, was es bei mir bewirkt hat: Das Morgengebet um 9:30 Uhr, das kurze Gebet mittags um 12:00 Uhr, das Abendgebet um 19:15 Uhr und die Compline um 21:30 Uhr. Bis auf die Compline (oder deutsch Komplet) haben die Gebete jeden Tag dieselbe Liturgie, und die alten Hasen sprechen sie auswendig. Immer ein anderes Mitglied der Gemeinschaft hat die Leitung, es gibt also keine Hierarchie. Manchmal werden die Texte auch gesungen – und da war für mich die Zeit zu kurz, um die Melodien zu lernen. Morgen- und Abendgebet enthalten mehrere Schriftlesungen und Meditationen. Letztere wiederholen sich monatlich, die Lesungen sind für jeden Tag des Jahres ausgesucht. Die meisten der rund 300 Mitglieder der Gemeinschaft leben verstreut und sind durch diese Form des Gebets verbunden – auch deshalb, weil morgens und abends für jeweils drei “Companions” gebetet wird, deren Namen aus einem kleinen Korb mit Zetteln gezogen werden.


“Celtic Daily Prayer” (Northumbria Community)

Viele Protestanten argwöhnen ja, dass man Liturgien und Riten irgendwann hirn- oder herzlos herunterleiert (was von beiden schlimmer ist, bestimmt dann die jeweilige Tradition, aus der man kommt – außer beim Singen von frommen Liedern, da ist es plötzlich ganz ok) . So, als sei das Leiern und Abschalten erstens unvermeidlich und zweitens eine Katastrophe. Meine Erfahrung war eine andere:

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Ich konnte mich in das gemeinsame Gebet hineinfallen lassen. Bei vielen Formulierungen musste ich erst schlucken und Luft holen, weil ich spürte, die Worte sagten mehr, als ich in diesem Augenblick mit meinem Gefühl und Verstand nachvollziehen konnte. Wenn ich ehrlich bin, dann kann ich das nämlich nie zu hundert Prozent, den Inhalt meines Glaubens emotional wie rational durchdringen und präsent halten.

Aber wenn ich immer nur das gebetet hätte, was bei mir innerlich oben auf lag, hätte ich mich die ganze Zeit im Kreis gedreht und vermutlich auch in den Banalitäten verfangen, die spontanes und “freies” Beten (wieder: nicht zwangsläufig, aber doch immer wieder) produziert. So haben mich die Gebete der Gemeinschaft getragen. Es hat sich ein bisschen so angefühlt, wie der Vater, der in Markus 9,24 zu Jesus sagt: Ich glaube, hilf meinem Unglauben.

Tatsächlich war es im Lauf der Zeit so, dass ich immer mehr in die Gebete hineingewachsen bin und meinen Unglauben ein Stück mehr überwunden habe. Es ist also in einem guten Sinn “katholisch”, wie ich mich hier tatsächlich als Teil der allgemeinen Kirche erlebe, deren Schatz von Gebeten, Erfahrungen und Gedanken ich teile. Ich bin jedes Mal berührt und bewegt aus der kleinen, kalten Kapelle hinausgegangen.

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