Bei der Northumbria Community (1): Einfach Leben

Ein Klopfen unterbricht das gesammelte Schweigen zwischen den liturgischen Blöcken des Mittagsgebets. Es ist laut und vor allem schnell wie ein Trommelfeuer. Ein Schmunzeln macht sich breit und die geschlossenen Augen der Anwesenden blicken amüsiert auf – aber nicht zur Tür, sondern nach oben zum Dach. Dort hat sich nämlich ganz offenbar der Specht, den wir tags zuvor noch im Garten gehört hatten, unserem Gotteslob angeschlossen und hämmert fröhlich vor sich hin. Die kleine Kapelle aus ein paar Balken und ungehobelten Brettern gibt einen großartigen Resonanzkörper ab.

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Kein ganz untypisches Erlebnis in Nether Springs, dem Zentrum der Northumbria Community, die sich seit gut dreißig Jahren dem Erbe des keltischen Christentums verpflichtet weiß. Also hat man eine ausgesprochen schlichte Kapelle gebaut, die im Winter kalt und zugig ist, aber dafür hört man die Vögel und den Wind beim Beten durch. Im Garten stehen zwei weitere kleine Hütten – eine aus Feldsteinen mit einem Strohdach, eine andere aus Holz. Dorthin kann man sich zurückziehen zu Gebet und Meditation, oder aber sich auf den Weg durch die einsame Weite der Hügel von Northumberland machen, wo man auf der Straße außer Schulbus und Postauto auch meistens die Stille genießt.

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Nether Springs oder Hetton Hall ist ein altes, verschachteltes Landhaus nahe der schottischen Grenze. Es enthält ein Sammelsurium von Möbeln aus zweiter und dritter Hand und hat viele renovierungsbedürftige Ecken. In der großen Essküche heizt ein Ölofen Tag und Nacht vor sich hin, über dem die Wäsche getrocknet wird und auf dem den ganzen Tag über Hausbewohner und Gäste Wasser für Tee oder Instantkaffee heiß machen. Seit die zweite Dusche kaputt gegangen ist, muss man morgens Glück haben oder eben etwas Geduld. Oder ein Bad nehmen, denn eine zweite Wanne gibt es noch. Kein Ahnung, wie viele Sterne der Hotel- und Gaststättenverband dafür her geben würde, aber wer Luxus sucht, ist hier am falschen Ort.

Brenda, die mich durch die Tage begleitet, ist nach eigener Aussage bis auf eine Woche im Jahr in Sandalen unterwegs. Nun bin ich normal kein verfrorener Typ, aber in den kühlen Abend- und Morgenstunden bin ich sehr dankbar für Socken, Schuhe und Winterjacke. Ich hatte Gerüchte gehört, dass Leute hier in Kutten und mit wilden Frisuren umherliefen, aber das stellt sich alles als Humbug heraus. Unterschiedliche Mitglieder des kleinen Teams vor Ort (Ehelosigkeit ist hier, anders als in vielen traditionellen Ordensgemeinschaften, keine Bedingung) kochen abwechselnd und kümmern sich um das Haus. Gäste helfen mit beim Geschirr spülen (es gibt keine Spülmaschine), hier und da im Garten und wir alle beziehen unsere Betten selber neu für die Leute, die nach uns kommen. Das Essen ist einfach, und manches kommt direkt aus dem Garten auf den Tisch. Im März ist es hauptsächlich noch die Marmelade oder der Holundersirup, der Rest ist wohl schon aufgebraucht.

Mit mir sind ein junges Paar aus Wales, ein Baptistenpastor aus Oxford, zwei Pfarrerinnen aus Amerika und eine Frau aus Newcastle den (unterschiedlich) weiten Weg in den Norden Englands gekommen. Die meiste Zeit ist jeder mit sich beschäftigt und den Aufgaben, die er von seinem geistlichen Begleiter gestellt bekommt. Aber es gibt nur ganz wenige Regeln. Wer mag, kann abends zu Entspannung sogar fernsehen. Ab und zu plaudert einer mit dem anderen, aber zurückhaltend und unaufdringlich. Mit der Einsamkeit tut sich ganz offensichtlich nicht jeder leicht. Mir geht es dabei aber viel besser, als ich erwartet hatte. Zum Glück ist es die ganze Zeit über trocken, also bin ich bei Tageslicht viel draußen oder ich lese in dem Buch, das ich von Brenda in die Hand gedrückt bekommen habe. Und weil es so still ist, schlafe ich tiefer und länger als sonst.

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