Scham – gestern und heute

Ich arbeite heute unter anderem an einer Kreuzwegstation, wo Jesus die Kleider genommen werden. Die Soldaten würfeln um das Obergewand. Der Delinquent ist völlig nackt bei der Hinrichtung (kaum ein Kruzifix bildet das ab…). Zum Schmerz kommt die Demütigung.

Vorgestern schrieb Tanja Stelzet in der Zeit über die neuen Nackten – warum selbst bekannte und erfolgreiche Frauen sich für ein Playboy-Shooting ausziehen, und was das mit Emanzipation und Selbstbewusstsein zu tun haben könnte. Dabei stellt sie sehr treffend fest, was sich in den letzten Jahren geändert hat:

Man muss ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl haben, um gegenüber einer solchen Schmeichelei [des Playboy-Chefredakteurs] immun zu sein. Sehr viel im Kopf. Oder ein verdammt antiquiertes Schamgefühl. Denn heute schämt man sich nicht mehr dafür, nackt zu sein. Man schämt sich dafür, kein Geld zu haben. Oder nackt mies auszusehen.

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Eine Antwort auf „Scham – gestern und heute“

  1. Guten Abend,

    der Artikel ging mir nach. Ich schreibe einmal meine Sicht.
    Vielleicht ist ja etwas Richtiges dabei.

    Die Scham gesellte sich nach der Sünde zur Nacktheit hinzu, denke ich.
    Das heisst, dass vor Scham Sünde steht?
    Nacktheit ohne Sünde wäre demzufolge frei von Scham?
    Gedanken dazu:
    Wenn man den Körper eines Verstorbenen sehen würde, würde man da Scham empfinden, würde man an Sünde denken? Kann ein toter Körper durch bloses Vorhandensein Sünde sein und Scham erzeugen oder kann man in diesem Körper auch etwas Schönes und Friedliches sehen bzw. Spuren gelebten Lebens ablesen. Sündigen kann ein toter Körper nicht. Das steht fest und damit gäb es theoretisch auch keine Scham. Am Ende ist es das Auge des Betrachters das entscheidet, ob Nacktheit an Sünde erinnert und Scham gebiert, denke ich. Man kann ein Kind voller Liebe anschauen. Es gibt aber auch andere, sündige Blicke auf Kinder. Das Kind selbst hat darauf wie es betrachtet wird keinen Einfluss.
    Es ist also so, dass das Abbilden nackter Körper im Hochglanzmagazin nicht zwangsläufig an Scham erinnern muss, es aber wahrscheinlich doch tut. Wo entsteht hier Sünde fragt man sich.
    Schlussfolgerung: Die Sünde entsteht in den Gedanken der Betrachter dieser Bilder. Die Sünde entsteht in der Angst vor Armut und das Kokettieren der Abgebildeten (und Abbilder) mit eben diesen Gedanken der Foto-Konsumenten um Armut durch Verdienst mit fragwürdigen Gedanken um die Nacktheit herum zu vermeiden . Die Sünde entsteht letztendlich auch (manchmal) durch Lüge (Retusche).

    Ein einfaches Mittel des Vermeidens von SCHAM wäre also solche (unretuschierten) Foto’s von Abgebildeten (die an der Abbildung ihres Körpers nicht verdienen) ohne sündhafte Gedanken zu betrachten, wenn so etwas möglich ist.

    Ansonsten könnte man alternativ einfach wegsehen und sich nicht gedanklich damit beschäftigen. Oder?

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