Schlüsselfragen

Wir hatten es kürzlich schon von den richtigen oder nicht so richtigen Fragen, auf die das Evangelium eine Antwort gibt (oder eben auch nicht). Im Laufe der Geschichte haben sich diese Fragen immer wieder verändert. Luthers Frage nach dem „gnädigen Gott“ ist heute – sagen wir es vorsichtig – nicht mehr ganz so verbreitet wie im Spätmittelalter. Gottes Ferne und Abwesenheit ist vielleicht eher das Thema als sein Zorn.

Auf der anderen Seite ist das Evangelium eben kaum noch als „gute Botschaft“ zu verstehen, wenn es nicht auf die entscheidenden Fragen antwortet. Dabei geht es für die meisten Menschen um mehr als das persönliche Glück, um einen weiteren Horizont der Hoffnung also. Im Zeitalter der globalen Risikogesellschaft würde ich das – stark verkürzt – so zusammenfassen:

Wie kann diese gefährdete und gefährliche Welt heil werden – und wir in ihr?

Ein Evangelium, das nur individuelles Glück für wenige verspricht und dessen Eskapismus das Heil der gesamten Welt ausblendet, ist keine gute Botschaft, sondern nur eine in frommes Vokabular verpackte und leicht vergeistigte Version desselben handfesten Egoismus, der unsere Konsumkultur an den Rand des Abgrunds und gebracht hat und der den Anderen und alles Fremde als Bedrohung empfindet, die ausgelöscht werden muss.

Andererseits: Ein Evangelium der totalen Selbstaufopferung und des Verlusts jeglicher Individualität im Überlebenskampf der Menschheit oder Natur mit ungewissem Ausgang ist auch noch keine gute Botschaft. Und der falsche Trost von einer ohne Gott immer schon heilen Welt klingt auch schal.

Das biblische Evangelium spricht von Gott, der sich einmischt und selbst zum Verlierer wird, um alle zu gewinnen. Das ist die gute Botschaft – die alte Ordnung von Siegern und Verlieren, das System des gnadenlosen Wettlaufs und Konkurrenzkampfs wird auf den Kopf gestellt. Und wer gewonnen wurde, kann im Chaos der Geschichte alles riskieren, um andere zu gewinnen und – egal wie vorläufig und unvollkommen – Heilung weiterzutragen. Heilung für die Kranken und Leidenden. Heilung für die Wunden der ausgebeuteten Schöpfung. Heilung für die Systeme und Ordnungen unseres Zusammenlebens.

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3 Antworten auf „Schlüsselfragen“

  1. Lukas 21.20-24 und Lukas 21.25-28
    +
    Johannes 14.15-17 und Johannes 14.27

    „… Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.
    Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. …“
    –> Diese Bibelstelle hat mich viel beschäftigt und war mir ein erster Schlüssel gewesen.

    Dann hab ich mal eine Predigt von „Schäfer“ gehört. Leider weiss ich den Vornamen nicht mehr – ist schon Jahre her. Er hat seine Frau gepflegt und er hat in dieser Predigt zu den Ratschlägen von Geschwistern seine Frau doch in die Pflege (fremde Dritte) zu geben gesagt: „In der (dieser) Begrenztheit (des Eingebundenseins in die 24h-Pflege) bin ich FREI.“
    Er erläuterte, dass er eine durch Pflegepersonal/oder auswärtige Pflege gewonnene Freizeit hätte nicht (IN FRIEDEN) genießen können, dass Gott ihm die Kraft für diesen Dienst schenkte.

    Das (und sogar der Klang seiner Stimme) ist mir immer im Gedächtnis geblieben und hat mich geprägt und es stimmt und er hat für einen Augenblick die sterbende Welt für einen begrenzten Personenkreis etwas heiler gemacht – (später auch für seine Zuhörer – oder vielleicht für einen Teil davon).

  2. @Peter

    Kennst Du jemanden, der schon einmal versucht hat, die biblische Heilsgeschichte unter diesen Vorzeichen etwas detaillierter aufzurollen?

    Persönlich finde ich diesen Ansatz sehr sympathisch und irgendwie auch logisch. Was ich mir aber noch nicht so recht vorstellen kann, wie und ob man z. B. den Römerbrief konsequent unter diesem Vorzeichen lesen kann.

    Wie ordnen sich da dann Begriffe wie „Erbsünde“ oder „Zorn Gottes“ ein, die ja eine so wichtige Rolle spielen bei den eher heilspessimistischen Ansätzen? Oder ist es plausibel, dass Paulus an das „Heilwerden“ in dieser Weite denkt, wenn er in Römer 1,16 den berühmten Satz über das Evangelium schreibt?

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