Der Auftrag der christlichen Gemeinde ist es, der Welt das „Gleichnis der suchenden Vaterliebe Gottes“ vor Augen zu stellen, schreibt Barth. Sie kann dabei nicht mehr als ein Zeichen geben, einen „innerweltlichen Anstoß“, der Menschen zum Aufbrechen und Aufmerken veranlasst, mehr nicht. Die Mneschen, an dies sie sich wendet, soll sie dabei in dieses Gleichnis einbeziehen. Sie überschreitet oder verwischt damit bestehende Grenzen. Wie diese Art der Mit-Teilung gemeint ist, beschreibt er so:
Evangelische Anrede als Zeugendienst der Gemeinde heißt: alle Menschen, jeden Menschen nah und fern zum vornherein und ohne Federlesens zu machen (als die großen Sünder, die sie, wie übrigens auch die Glieder der Gemeinde selbst, sind), im wörtlichsten Sinn «ins Bild setzen», d. h. einbeziehen in das ihnen vorzuführende Gleichnis des Reiches Gottes, in den Umkreis der Gültigkeit des Inhalts des Evangeliums – der Gnade also, des Bundes, der Versöhnung, der in Jesus Christus der Welt zugute geschehenen Erniedrigung Gottes zur Erhebung des Menschen.
In evangelischer Anrede greift die Gemeinde also im vollen Bewußtsein dessen, was sie damit wagt – sie muß es aber wagen! – über die das nicht-christliche Menschenvolk von ihr selbst als dem erwählten und berufenden Volk Gottes unterscheidende Grenze hinaus, nimmt sie diese Grenze gerade damit ernst, daß sie die da draußen – von Optimismus und Pessimismus in ihrer Beurteilung gleich weit entfernt, aber ihrer Sendung getreu – nicht als Juden oder Heiden dieser oder jener Farbe, nicht als Atheisten, Skeptiker oder Indifferente, nicht in ihrem Irrglauben, Aberglauben und Unglauben, auch nicht als die ganzen oder halben Heuchler, als die sie sich ihr darstellen mögen, sondern als das Volk der christiani designati ernst nimmt und anspricht (KD IV,3 S. 978)