„Zum Materazzi werden“

Heute morgen habe ich eine Predigt über Feindesliebe gehört. Zwei Szenen standen mir dabei sofort vor Augen: Erstens die Lage im Libanon, wo die Hisbollah es mit asymmetrischer Kriegsführung geschafft hat, Israel dazu zu bringen, sich durch seine überharte Gegenwehr selbst ins Unrecht zu setzen. Das ist dann wieder Wasser auf die Mühlen des Iran und der von dort unterstützten Terroristen.

Das andere Bild: Zidane und Materazzi – letzterer ist inzwischen in der Öffentlichkeit zum archetypischen Fiesling geworden (vielleicht ist er privat ja doch ein netter Typ?). Hätte Zidane mit Kuß statt Kopfstoß geantwortet (man hätte auf dem Video später auch noch Materazzis Lippen lesen und disziplinarisch ahnden können), wäre er als ganz großer Held gegangen. So wurde er selbst ein Stück weit zum „Materazzi“.

Wenn mich also jemand dumm anmacht, habe ich die Wahl, mich von ihm in meiner Reaktion bestimmen zu lassen (indem ich hinterher sage, ich hätte im Grunde keine Wahl gehabt, wie die Israelis, wie Zidane…). Oder ich sehe, wie ich die Spirale anhalte, indem ich mir meine Antwort nicht diktieren lasse. Natürlich darf ich dabei Unrecht beim Namen nennen, das mir angetan wird. Nur eben Hass und Gewalt und unfaire Mittel sind tabu. Verachtung übrigens auch (etwa das naserümpfende “nicht mein Niveau…”). Den Feind lieben bedeutet trotzdem nicht, alle Selbstachtung in den Wind zu schlagen und ihm alles durchgehen zu lassen.

Im Gegenteil. Und nun, wo ich das schreibe, fällt mir gerade eine Situation ein von letzter Woche. Also, mal überlegen…

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