Echt bayerisch…

Es war vor der Wahl, als noch an jeder Straßenecke das Konterfei des Ministerpräsidenten prangte. Ich ging kurz hinter der Grenze zu Oberbayern einen Kaffee trinken. Auf der Serviette der Bäckereifiliale las ich: „Echt bayerisch – echt gut“.

Mag sein, dass ich noch den Wahlkampf in den Ohren hatte, der von Regierungsseite praktisch ohne Sachthemen auskam und sich strikt an das Motto „Bayern ist schön und die Grünen sind böse“ hielt. Was außer den Grünen auch niemand im Freistaat störte.

Jedenfalls stieß mir diese nicht so ganz stillschweigende Gleichsetzung von Bayern und gut sauer auf. Dieses andauernde Sich-Selbst-auf-die-Schulter-Klopfen. Diese bornierte Selbstzufriedenheit und die latente Fremdenfeindlichkeit, die aus dieser Verknüpfung spricht. Nein, nicht immer und in jedem Fall, aber eben viel zu oft.

Eine Woche nach der Wahl sitze ich im Zug nach Erlangen, um einen Krankenbesuch zu machen. Ein paar Plätze weiter sitzen ein paar junge Männer um die 20, die in einer fremden Sprache Handyvideos anschauen. Weil die Lautstärke unnötig hoch ist, drehe ich mich zu ihnen um und frage vorsichtig, ob sie das auch mit Kopfhörer tun könnten. Die zwei entschuldigen sich und hören leise weiter.

Wenn das einmal geklappt hat, klappt es bestimmt nochmal, denke ich im Regionalexpress auf der Rückfahrt. Da sitzen wieder junge Männer, diesmal etwa zehn von ihnen. Ihr Dialekt weist sie unverkennbar als Bewohner eines östlich angrenzenden Regierungsbezirks aus. Sie reden, nein rufen, wild durcheinander, und weil niemand den anderen richtig ausreden lässt, steigt der Geräuschpegel ins Unerträgliche. Ich gehe hin und bitte den ersten aus der Runde, zu dem ich Blickkontakt bekomme, freundlich und behutsam darum, die Konversation etwas leiser fortzusetzen.

Das hätte ich mal lieber bleiben lassen. Ungläubiges Staunen schlägt mir entgegen. Die Gruppe verstummt kurzzeitig, um dann in um so lautstarkere Empörung auszubrechen, was mir denn einfiele, welche Unverschämtheit und so weiter. Die nächsten zehn Minuten haben sie kein anderes Gesprächsthema als diesen Affront. Ich sitze längst wieder an meinem Platz, aber natürlich höre ich (und alle anderen Mitreisenden), wie sie sich über den Idioten ereifern, der ihnen Vorschriften machen will. Sie erklären einander, dass sie ja eigentlich friedliche Menschen sind, . Und wenn sie in meine Richtung reden, tun sie es extra laut.

Die Knaben sind (wenigstens äußerlich betrachtet) längst keine Halbstarken mehr, und ganz offensichtlich der Überzeugung, dass sie die Guten sind. Sie sind halt auch Bayern. Das kann jetzt natürlich ein Zufall gewesen sein. Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass dieses Geklopfe auf die eigene Schulter uns gerade gar nicht gut tut.

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