In früheren Zeiten (und an manchen Stellen ist das heute noch so) fanden viele den Gedanken ausgesprochen attraktiv, zum auserwählten Volk zu gehören. Zunächst einmal ganz vordergründig politisch und national, nicht nur religiös. Da war es nicht anstößig, dass Gott die Seinen bevorzugt und die anderen seinen Zorn zu spüren bekommen. In dieser Situation lautete das Evangelium dann: Du darfst auf die Seite des Siegers wechseln und zu den Guten gehören. “Bekehrungen” aus Angst vor der “Hölle” waren keine Seltenheit. Für manche Ideale von Erweckung sind Predigten wie die von Jonathan Edwards daher heute noch konstitutiv. Gott war ein nach innen vielleicht freundlicher-strenger Herrscher, aber hart gegen die Feinde (egal ob das nun die Nachbarvölker, die Barbaren, andere Religionen oder Konfessionen sind). In der Logik der Spiral Dynamics, die Jens so gut dargestellt hat, ist das die blaue (und teilweise auch rote) “Frequenz”.
Heute ist dieses Evangelium schlicht nicht mehr vermittelbar. Was nicht heißt, dass manche es doch noch versuchen. Gerade gebildete Menschen sind sehr sensibel, wenn es um Ausgrenzung und Benachteiligung oder gar und Rache und Willkür geht. Das ist dann die “grüne”, ausgesprochen autoritätskritische Frequenz. Die meisten von uns empfinden intuitiv so: Wie kann man sagen, dass Gott Liebe ist, wenn sein Heil am Ende nur wenigen Auserwählten gilt? Oder muss man nicht Angst und Abscheu vor einem solchen Wesen empfinden – so wie in diesem Cartoon auf ASBO Jesus:
Muss man nicht sogar gegenüber einem solchen Gott (wie ihn das “blaue” Evangelium für “grüne” Ohren beschreibt?) das Angebot zur Kapitulation ausschlagen und im Zweifelsfall die Hölle aus Solidarität mit all jenen wählen, die keine faire Chance hatten? Ich lasse die vielen theologischen Implikationen beiseite – hier geht es nur darum, was unser Adressat tatsächlich hört. Auf dieser Frequenz gibt es keine Verständigung. Es muss also anders gehen.
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Hi Peter,
dein Post hat mir den Workshop in Erlangen in Erinnerung gebracht, der mir noch (positiv) nachgegangen ist.
Tommes
Du greifst eine ganz wichtige Fragestellung auf. Zu anderen Zeiten mag diese Botschaft besser in die allgemeine Landschaft gepasst haben. Neben der Frage: Wie geht es anders? Auf welcher Frequenz gibt es eine Verständigung? stellt sich mir aber auch die Frage: Was ist denn mit dieser unerfreulichen Botschaft von Gottes Zorn? Lassen wir die einfach weg? Kommt sie in ein Sonderprogramm für Schwer Vermittelbare? Ist sie nur Ausdruck einer überkommenen Weltsicht oder doch auch Selbstoffenbarung Gottes?
Wenn ich die Wahl habe dazwischen, Menschen mit der Hölle in den Himmel zu jagen, oder nur das zu predigen, was Menschen nach derzeitiger Zeitgeistanalyse hören können/wollen/dürfen, denke ich: Es muss also anders gehen. Was meinen andere?
Gottes Zorn im blauen Verständnis werden wir nicht mehr aus der Mottenkiste holen. Das ist tatsächlich Ausdruck einer (hier bei uns) überkommenen Weltsicht. Die Frage ist, ob wir den biblischen Begriff auch anders verstehen können (und ob er je ausschließlich „blau“ gemeint war…). Ich denke, das geht.
Es geht sicher nicht darum, dem Zeitgeist nach dem Mund zu reden, sondern um die Frage nach geeigneten Zugängen. Dazu muss ich erst einmal verstehen, wie der andere empfindet, bevor ich es kritisiere. Das fällt aber oft unter den Tisch, und dann ist es kein Wunder, dass Dawkins-Bücher sich so toll verkaufen, wenn so viele Christen die dunkle Hintergrundfolie dafür liefern. Was mich beunruhigt ist, dass viele die Empörung gar nicht nachvollziehen können, die gesund empfindende Menschen bei dieser Art „Evangelium“ spüren. Das muss man erst einmal eine Weile aushalten, bevor man fragt, wie man es überwindet oder transzendiert…
„Die Frage ist, ob wir den biblischen Begriff auch anders verstehen können (und ob er je ausschließlich “blau” gemeint war…). Ich denke, das geht.“
Darf ich um einen konkreten Vorschlag bitten?
„Es geht sicher nicht darum, dem Zeitgeist nach dem Mund zu reden, sondern um die Frage nach geeigneten Zugängen.“
Zuhören ist Trumpf. Menschen, die Antworten geben, während der andere noch an der Frage bastelt, sind immer unerfreulich und besonders im Umfeld allseitig geschlossener Weltbilder anzutreffen – sei es unter Christen, unter Fundi-Atheisten (Dawkins & Co.) oder bei denen, für die „alles ist relativ“ absolute Wahrheit ist. Aber wenn die Zeit für Antworten gekommen ist, bleibt die Frage, was ich antworte. Einen Zugang finden ist eine Sache, etwas mitzuteilen, wenn ich ihn denn dann gefunden habe, eine andere. Wenn ich da von der Botschaft Jesu ausgehe, finde ich eben (neben anderem, das vielleicht mancherorts verschütt geraten ist) auch extrem deutliche Aussagen über Rettung und Verlorensein. Dass ich diese Aussagen nicht mit einer Selbstzufriedenheit à la „Ich bin drin – du bist draußen, ätsch“ vermittle sondern eher wie ein Wanderer, der einen anderen vor einem gefährlichen Wegstück warnt, ist, glaube ich, keine ganz neue Erkenntnis. Nur meine ich, die Warnung dürfen wir nicht unterschlagen.
Übrigens finde ich als Mathe-Analphabet die kleinen Rechenaufgaben unter dem Kommentarformular diskriminierend 🙂
Die sind super gegen Spam.
Verlorenheit ist postmodern keine Frage mehr, sondern die Grundstimmung, habe ich das Gefühl. Das muss man gar nicht mehr erklären. Es weiß eh jeder.
Ich habe gute Erfahrungen mit dem Kurs „Christ werden – Christ bleiben“ gemacht, den wir schon öfters durchgeführt haben.
Sicherlich hat der Kurs einige Schwächen (z.B. der Titel), aber in einem Punkt gefällt mir der Kurs recht gut:
Die Sache mit der Trennung von Gott (=Verdammung/Hölle) wird von der Beziehungsseite aus angegangen. Bilder von einer Mauer oder von einem zerrissenen Kreis helfen, die Kaputtheit unserer Gottesbeziehung zu verstehen.
Ich habe den Eindruck, dass wir solche (abstrakten) Begriffe wie „Sünde“ etc. besser verstehen, wenn wir sie auf die Beziehungsebene ziehen.
So kann man sogar behutsam die Sache mit der Verdammnis erklären (wobei das nicht das Hauptthema ist, aber auch nicht unter den Tisch fallen muss).
Wenn ich Genesis 3 richtig verstehe, ist Sünde ja wesentlich ein Beziehungsbegriff – da muss ich ihn gar nicht rüberziehen. In diesem Rahmen finde ich dann auch die Rede von Sünde als „Zielverfehlung“ sinnvoll. Also nicht: Du bist nicht fromm genug und kommst deshalb in die Hölle – sondern: du bist zur Gemeinschaft mit Gott geschaffen und lebst an dieser Bestimmung vorbei. Die Folge ist dann dauerhafte Trennung von Gott. Was sicher nicht im Zentrum aller Gespräche stehen muss.
danke für den eintrag. mit hilfe der spiral dynamics eine sprachliche problemanzeige darzustellen finde ich sehr erhellend. bin mit dabei in der solidaritätshölle. 🙂
Ach du liebes bisschen – diese pingbacks geraten ja manchmal außer Rand und Band! Lösch’s ruhig raus…
I wo…