In der Grundschule haben wir über das Vaterunser gesprochen. Irgendwann stellt ein Kind die unvermeidliche Frage: „Ist denn Gott nicht nur Vater, sondern auch Mutter?“
Wir diskutieren ein paar Minuten. Die Meinungen gehen auseinander und viele sind sich unsicher. Zwei Jungs, die größten in der Klasse, finden, Gott sei doch ganz eindeutig ein Mann. Und ich spüre in der Art, wie sie es sagen, wie wichtig es für sie ist, dass Gott einer der ihren ist. Klar: das wertet Männer auf, vor allem die kleinen.
Aber ich kann ihnen nicht zustimmen: Männer sind Gott nicht ähnlich, weil sie Männer sind. Geschlechtlichkeit ist eine Kategorie, die sich auf Geschöpfe anwenden lässt, aber eben nicht auf den Schöpfer.
Nachdenklich verlasse ich daraufhin das Schulhaus. Im Grunde wünschen wir uns ja alle, dass Gott uns ähnlich ist: Dass er uns gut findet, dass er auf unserer Seite ist, dass ihm dieselben Sachen wichtig sind wie uns und wir auf ihn zählen können, wenn wir unsere Ziele im Leben verfolgen.
Jesus hat im Vaterunser vorgebaut. „Geheiligt werde dein Name!“, das heißt auch: Niemand darf Gott vor den eigenen Karren spannen oder ihn gegen andere instrumentalisieren. Und „Dein Reich komme!“ schließt aus, dass Menschen über andere herrschen. Egal, welches Geschlecht, welche Hautfarbe, welche Religion oder welchen Pass jemand hat.
Gut, dass das schon Zehnjährige lernen.