Zeit und Unzeit

Mitten im Herbst 2023 blühte eine Erdbeere bei uns im Garten. Allmählich wundern mich diese Dinge, die zur Unzeit geschehen, schon gar nicht mehr.

Trotzdem war ich mächtig erstaunt, als ich an einem lauen Oktoberabend an einem Nadelbaum vorbeikam, der über und über mit kleinen Würstchen übersät war, aus denen dicker Blütenstaub quoll. Ich sah genauer hin: Das müsste eine Zeder sein. Kommen jetzt schon ausgewachsene Bäume völlig aus dem Rhythmus?

Weil es mir keine Ruhe ließ, las ich nach: Zedern blühen tatsächlich im Oktober. Es war mir nur noch nie aufgefallen. Die Zeder kannte also noch ihre Zeit. Auch wenn dieser Herbst fast drei Grad wärmer war als normal.

Wie schön, dass es noch Abläufe gibt, die stimmen! Im Buch Hiob in der Bibel ist an einer Stelle von den Lebensrhythmen der Tiere die Rede, wie sie Junge bekommen und großziehen und gehen lassen. 

Die Beständigkeit der wilden Geschöpfe, die ihrer inneren Uhr folgen, ist für den trauernden, mit seinem Schicksal hadernden Hiob ein göttlicher Trost. Und eine Herausforderung, sich dem Leben mit all der Energie, die darin steckt, wieder zu öffnen. 

Für mich war die blühende Zeder von da an etwas Ähnliches: Ein Augenzwinkern des Schöpfers, das meinen Blick für das Gute in der Welt öffnet.

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Gestandene Paare

Auf einer sandigen Wiese stehen vereinzelt Bäume. Manchmal bilden sie kleine Gruppen – fünf, sechs Birken in einem engen Kreis etwa – und es gibt auch einige Paare. Eiche und Kiefer zum Beispiel, fast zusammengewachsen am Stamm. Den Platz für die Krone teilen sie sich. Es fällt erst auf, dass es ein Baumpaar ist, wenn die eine Hälfte das Laub abwirft. Als würden sie einander umarmen oder miteinander tanzen.

In den letzten Jahren gab es in meinem persönlichen Umfeld etliche Trennungen und Abschiede. Vielleicht berührt mich der Anblick dieser gestandenen Paare auch deswegen. 

Ich gehe weiter in den Wald und sehe eine solitäre Kiefer auf einer Lichtung, die Unwetter in den Wald gerissen haben. Sie stand zwischen vielen Nachbarbäumen. Man sieht ihr den Verlust noch an: Die Äste und Zweige entlang der unteren drei Viertel des Stammes hatte sie abgeworfen, wie Kiefern das so tun, wenn sie zu mehreren sind. Nur die Krone trägt noch die buschigen Nadeln. 

Ich bin dankbar für alle Menschen, die mir nahestehen. Und dafür, dass Gott mich in den Stürmen meines Lebens hält und trägt wie der Mutterboden diese Bäume. 

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