Der Advent ist eine merkwürdige Einrichtung im Kirchenjahr. Einerseits bezeichnet der Begriff die Vorweihnachtszeit und man bereitet sich auf das Christfest vor, die „erste Ankunft“ vor. Beziehungsweise darauf, sich an Weihnachten daran zu erinnern, denn dieses Kommen liegt ja zurück. Man kann – Lesslie Newbigin hat darüber gespottet – das nun pietistisch so aktualisieren, dass man sagt, der Heiland müsse eben in den Herzen immer neu geboren werden. Aber so spricht das Neue Testament nicht, aus guten Grund.
Früher lief am Heiligabend die Sendung „Wir warten auf das Christkind“. Vermutlich wurden die Kleinen damit kaltgestellt, bis die Eltern den Baum geschmückt und die Geschenke drunter abgelegt hatten. Ich finde diesen Advent als Warten auf Weihnachten ziemlich langweilig. Es ist so schrecklich vorhersagbar. Man weiß genau, was kommt, und wann es geschieht.
Klar, man kann sich einstimmen (nein, nicht -kaufen…) und vorbereiten, im frühen Mittelalter jedoch war der Advent eine Zeit des Fastens und der Buße, also ganz ohne Lebkuchen und Schokolade.
Es gibt aber auch den anderen Advent. Der besteht darin, über die Hoffnung auf das zweite Kommen Christi nachzudenken, zu sprechen und zu meditieren. Auf die Hoffnung also, dass alle Tränen abgewischt werden, alle Wunden geheilt, alle schmerzlichen Konflikte in fruchtbare Spannung verwandelt, alle zerbrochenen Beziehungen wieder hergestellt, alles Unrecht überwunden
Diesen Advent zu feiern, bedeutet nicht nach Glühwein und Früchtebrot, sondern nach Gerechtigkeit zu hungern und zu dürsten. Und das Seufzen der Kreatur zu teilen, des fiebrigen Planten mit steigender Temperatur. Oder (um ein abgelutschtes Wort doch noch einmal zu verwenden) Solidarität zu üben mit all den Menschen, die unter sehr viel mieseren Bedingungen leben als wir selbst, und sich jeden Tag fragen, wie lange das noch so weitergehen soll. Kerzen und Lichterketten haben dann nicht die Funktion, die jahreszeitliche Dunkelheit behaglicher zu machen, sondern ein Zeichen gegen die düsteren Ausblicke vieler und die finsteren Machenschaften einiger weniger Mächtiger zu setzen.
Es ist aber auch eine Zeit, wo nicht nur passives (Mit-)Leiden, sondern praktisches Handeln eingeübt werden kann. Das wäre das „Fasten, das Gott gefällt“ (vgl. Jes. 58). Es unterbleibt aber oft auch deshalb, weil wir unseren naturgemäß begrenzten Einsatz für unerheblich halten, nur einen Tropfen auf den heißen Stein darin sehen. Ein „Warten in Gerechtigkeit“ tut das Gute unabhängig von Kosten-Nutzen-Erwägungen. Die haben sicher auch ihr Recht, man muss die Folgen seines Tuns wohl bedenken. Aber manchmal irren wir auch nach der Seite, dass wir sie zu gering veranschlagen und apathisch werden.
Man feiert dann Weihnachten auch ganz anders: Jesus erscheint nach diesem Vorlauf als einer der Ausgeschlossenen, Ungewollten, Herumgeschobenen und Vertriebenen, das Magnificat als das „we shall overcome“ des ersten Jahrhunderts. Und das Weihnachtsessen als eine Vorwegnahme des großen Festmahls aus Jesaja 25,6-9.
PS: Wann bringt die Micha-Initiative eigentlich ihren Adventskalender heraus?