Das konnte nicht wahr sein

Otto hat versehentlich Macbooks für knapp 50 Euro angeboten. Rund 2500 Kunden haben 6500 Geräte bestellt und wollen den Versand jetzt verklagen, weil der die Geräte zu diesem Preis nun doch nicht hergibt – dafür aber 100 Euro Entschädigung zahlt.

Selbst wenn diese Käufer formal im Recht sein sollten: Die meisten haben mehrere Geräte bestellt, höchstwahrscheinlich um sie für ein Vielfaches weiter zu verkaufen. Dass 49,95 € kein realistischer Preis sein konnte (wenigstens nicht ohne Mobilfunk- oder DSL-Vertrag), kann – muss! – jeder wissen.

Was mich dabei wütend macht: irgendwer bei Otto ist für die Panne verantwortlich und hat unter Garantie schon längst jede Menge Ärger am Hals. Jede weitere Klage gegen seinen Arbeitgeber macht diesem Menschen das Leben noch ein bisschen schwerer. Hier auf den Buchstaben des Gesetzes zu pochen, ist unanständig.

Und über gierige Banker oder Politiker sollte von diesen Leuten auch keiner mehr herziehen. Nur gute Menschen haben ein Macbook verdient…

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Leitung einer missionalen Gemeinde (7): Eine Frage des Charakters

Die missionale Reise in fremdes Terrain stellt für Roxburgh und Romanuk neue Anforderungen an die verantwortlichen Persönlichkeiten. Die Autoren schildern einige Beispiele, bleiben jedoch in ihrer Ausführung der Begriffe eher allgemein, ich begnüge mich hier mit der Aufzählung und mache es kurz:

  • Persönliche Reife (Präsenz, Authentizität, Selbstwahrnehmung)
  • Konfliktfähigkeit
  • Mut

Alles zusammen konstituiert den Faktor Glaubwürdigkeit. Der ist unerlässlich, will man verunsicherte Menschen mitnehmen auf einen Weg mit einem ungewissen Ziel.

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Eine Frage, viele Meinungen

Am Wochenende hat sich eines unserer Kinder beim Sport verletzt. Mein Frau brachte es zum orthopädischen Notdienst, erhielt dort eine erste Diagnose und wurde zur Erstellung eines CT in die Uniklinik geschickt. Dort sprach sie mit einem Assistenzarzt, der das CT für überflüssig hielt und eine Halskrause verschrieb. Wenn es bis morgen nicht besser wird, müssen wir noch einmal zum Arzt, das wäre dann der dritte, und wenn wir Pech haben, die dritte Meinung.

Ähnlich muss es viele Leuten mit den verschiedenen Religionen und Konfessionen gehen. Wie schön wäre es, wenn sie in den wesentlichen Fragen von Diagnose unserer persönlichen und gesellschaftlichen Situation übereinstimmen und dieselbe Therapie verschreiben würden. Oder wenn die Wirtschaftwissenschaftler in der Bewertung der Konjunktur einig wären und unseren Politikern keine verwirrende Vielfalt von Prognosen und Maßnahmenkatalogen gäben.

Wir müssen aber zum Arzt, wir müssen uns um unsere Wirtschaft kümmern (selbst wenn es immer wieder Situationen gibt, wo Nichtstun auch zu sehr annehmbaren Resultaten führt) – und wir müssen uns selbst (und gelegentlich anderen auch) Rechenschaft darüber geben können, was wir glauben und warum es uns sinnvoll erscheint. Wir müssen – um ein weiteres Beispiel zu bemühen – demnächst auch wieder wählen und dabei aus vielen unterschiedlichen Parteien und Kandidaten auswählen.

Die Vielstimmigkeit in all diesen Bereichen ist kein gutes Argument dafür, sich erst gar nicht richtig mit den Themen auseinanderzusetzen. Daher erstaunt es schon, dass die Ansicht so weit verbreitet ist, dass wir es uns leisten können, Fragen nach Gott oder dem Grund und Ziel unserer Existenz scheinbar offen zu lassen. Sollte das die Kapitulation vor der eigenen Ratlosigkeit angesichts des religiösen Pluralismus sein, dann könnte der Arztbesuch vielleicht ein paar Ideen abwerfen, was man tun könnte. Irgendwie schaffen wir es ja auch, eine Entscheidung zu treffen, und sei es nur im Trial-and-Error-Verfahren:

Natürlich kann ich mich auch als Patient einlesen in die Materie, ich kann mich über den Ruf und die Qualifikation der verschiedenen Ärzte informieren (bei Bekannten, im Internet, ggf. in Zeitschriften, alles natürlich ohne Gewähr…) und den auswählen, der am besten abschneidet, oder ich kann meinem Bauchgefühl oder meiner Intuition vertrauen. Je gravierender das Problem, desto mehr Zeit werde ich mir dafür nehmen. In jedem Fall ist es aber ein Risiko und in jedem Fall geht es darum, wem ich vertraue und auf wen ich mich verlasse. Sicheres „Wissen“ gibt es immer erst hinterher, auch in Politik, Medizin und Wirtschaft.

Steht also bei der Entscheidung für eine Glaubensrichtung, Weltanschauung oder Religion akut etwas auf dem Spiel? Eine ganze Menge, wenn man es ernst nimmt: Wofür werde ich Zeit, Kraft und Mittel einsetzen und wofür nicht? Wie definiere ich Erfolg? Worauf setze ich meine Hoffnung und was bringt mich dazu, an ihr auch unter erschwerten Bedingungen festzuhalten? Mit welchen Menschen lasse ich mich ein und wen nehme ich mir zum Vorbild? Niemand ist gezwungen, sich darüber Gedanken zu machen. Es tut nicht weh, wenn wir es unterlassen. Gut, vielleicht tut es schon weh, nur können wir den Schmerz verpasster Chancen oder falscher Entscheidungen gar nicht richtig zuordnen und halten das für „normal“ – schließlich geht es vielen so. Und schlicht auf die Stimmen zu setzen, die mir sagen, was ich hören will, kann auch ins Auge gehen.

Die Entscheidungen fallen dann eher unbewusst – unsere familiären und sozialen Skripte regeln das Überleben schon irgendwie: eine Art quasireligiöse „Werkseinstellungen“, die dann eben unverändert bleiben. Wenn wir also meinen, dass wir unsere Autonomie bewahren, indem wir uns erst gar nicht mit Religionen befassen, die sie eventuell einschränken könnten, dann ist das ein Irrtum. Irgendwer hat schon längst festgelegt, was für uns selbstverständlich ist. Wir haben uns nur noch nie gefragt, wer es war und mit welcher Absicht das geschah.

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