“Gott ist ein Künstler”

Während bei uns der päpstlich oder vielleicht auch anderweitig induzierte Trend zur Religion noch die Schlagzeilen beherrscht, hat in England der Atheist vom Dienst Richard Dawkins sein Buch “The God Delusion” veröffentlicht und für viel Aufsehen in der Blogosphäre gesorgt. Wenn wir “Wessis” uns bewusst machen, dass der Anteil von Atheisten in Deutschland höher ist als in den meisten anderen Ländern der Erde, dann wird klar, diese Diskussion ist auch für uns interessant. Vor allem könnte sie schneller die Schlagzeilen beherrschen, als manch einer zurzeit vielleicht denkt.

Eine geistreiche Rezension von Dawkins‘ Opus hat nun der Literaturprofessor Terry Eagleton aus Manchester veröffentlicht. Und ganz nebenbei rückt er nicht nur Dawkins mannigfache Verzerrungen zurecht, sondern schreibt (wie Ben Myers feststellt) auch noch so schön über Theologie, dass das Lesen der Rezension auch dann noch Spaß macht, wenn man Dawkins nicht kennt und auch gar nicht zu lesen im Sinn hat. Wenigstens ein paar Kostproben, etwa zum Thema Schöpfung:

Zu sagen, dass er (Gott) sie (die Welt) ex nihilo geschaffen hat ist kein Maßstab dafür, wie schrecklich schlau er ist, sondern es soll sagen, dass er dies aus Liebe und getan hat, nicht weil er es nötig hatte. Die Welt war nicht die Folge einer unerschöpflichen Kette von Ursache und Wirkung. Wie ein modernistisches Kunstwerk gibt es in all dem gar keine Notwendigkeit und Gott hätte sein Werkstück sehr wohl auch vor ein paar Äonen schon bedauern können. Die Schöpfung ist der ursprüngliche acte gratuit. Gott ist ein Künstler, der es um der bloßen Liebe oder Hölle willen tat, kein Wissenschaftler, der an einem glänzend rationalen Entwurf arbeitet, der die Geldgeber seines Forschungsprojektes unendlich beeindruckt.

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Dawkins, sagt Eagleton, kann sich nicht vorstellen, dass Gott Menschen einfach nur lieben möchte:

Im Unterschied dazu ist Dawkins‘ Gott satanisch. Satan (hebräisch “Ankläger”) ist die Verwechslung Gottes als Übervater und strafender Richter, und Dawkins‘ Gott ist genau so ein abstoßendes Superego. Dieses falsche Bewusstsein wird in der Person Jesu über den Haufen geworfen, der den Vater als Freund und Liebhaber offenbart statt als Richter. Dawkins‘ höchstes Wesen ist der Gott derer, die göttlichen Zorn dadurch abwenden wollen, dass sie Tiere opfern, beim Essen wählerisch sind und sich tadellos gut benehmen. Sie können den Skandal nicht akzeptieren, dass Gott sie so liebt, wie sie sind, in all ihrer moralischen Schäbigkeit. Das ist ein Grund, warum Paulus anmerkt, das Gesetz sei verflucht. Dawkins sieht das Christentum in Begriffen einer engen, gesetzlichen Vorstellung von Sühne – eines brutal rachsüchtigen Gottes der sein Kind als Ausgleich dafür opfert, dass er beleidigt wurde (…). Es war das römische Reich, nicht Gott, das Jesus ermordete.

Dawkins denkt, es ist seltsam dass Christen sich nicht auf den Tod freuen, wo sie damit doch Einlass finden ins Paradies. Er sieht nicht, dass das Christentum, wie die meisten Religionen, das menschliche Leben zutiefst wertschätzt, und darin liegt auch der Unterschied zwischen dem Märtyrer und dem Selbstmörder. Der Selbstmörder wendet sich vom Leben ab weil es wertlos geworden ist; der Märtyrer legt seinen wertvollsten Besitz nieder für das äußerste Wohl anderer.

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