Die Wanderexerzitien liegen hinter mir und ich bin dabei, meine Eindrücke zu sortieren. Die knapp fünf Tage des Betens, Schweigens und Wanderns haben mir sehr gut getan. Zu Beginn lief das innere Schwungrad meiner Gedanken und Gefühle auf Hochtouren, was mir im normalen Rhythmus von Arbeit und Leben nicht so richtig bewusst war, nach einer Weile aber stellte sich auch innen nicht nur Ruhe, sondern allmählich auch ein Frieden ein.
Das „Wandern“ in der Gruppe (aber eben still) war ein sportlich wenig anspruchsvoller, ausgedehnter Spaziergang. Dass ich dennoch Muskelkater in den Waden bekam, lag daran, dass ich das Tempo bergab mächtig drosseln musste. Das Wetter war ideal: die 34 Grad Hitze im Tal konnte man 1.000 m höher ganz gut ertragen. Aus der Distanz konnten wir Unwetter über der Steiermark als phänomenales Wetterleuchten sehen, im Lavanttal dagegen blieb es trocken, bis zur Abreise am Samstag früh.
Als einziger Evangelischer (knapp die Hälfte der TeilnehmerInnen waren Priester und Ordensleute) durfte ich jeden Abend die Messe mitfeiern und habe mich wieder an die katholische Liturgie gewöhnt – auch wenn ich gelegentlich ganz froh war, ein paar Passagen nicht auswendig mitsprechen zu können. Aber ich hatte noch die Woche zuvor von George Lindbeck gelernt, dass man Unterschiede in Lehre und Bekenntnis nicht zwingend als Widersprüche verstehen muss, sondern dass hier eine andere „Grammatik des Glaubens“ gilt und ich auch deswegen nicht immer ganz mitkomme.
Zudem sprach Pater Josef Kazda, der Exerzitienleiter, in seinen abendlichen, stets völlig frei gehaltenen Predigten und den Anleitungen zur Meditation am Morgen und Nachmittag durchaus „meine“ Sprache. Und ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand die Aufforderung, seine eigenen inneren Monologe und Zustände gütig zu betrachten und dann auch gleich wieder loszulassen, besser verkörpern könnte als dieser freundliche, weise und sanfte Jesuit. Es durfte wirklich jeder sein, wie er eben war.
Hätte kein Schweigegebot gegolten, wären in der 16-köpfigen Gruppe sicher auch viele spannende Gespräche entstanden. Beim ersten Teil der Rückfahrt habe ich mich wenigstens zum Teil noch mit zwei anderen sehr angeregt unterhalten können. Aber man lernt Leute auch kennen, wenn sie still sind: wie sie sich bewegen, wie (und ob) sie einander ansehen und andere Signale der Körpersprache. Und es gibt eine andere, interessante Dynamik in der Gruppe, denn im Schweigen bilden sich keine Untergrüppchen, aus denen sich einzelne womöglich ausgeschlossen fühlen.
Die Übungen selbst empfand ich zu Beginn fast wie eine Art spirituelles Stretching lange vernachlässigter Partien der Seele und Erproben ungewohnter Bewegungsabläufe, aber mit der Zeit wurde der Kraftaufwand geringer und die positiven Wirkungen spürbarer. Ich habe mir fest vorgenommen, diese Schätze in der Form zu hüten, dass ich sie fest in meinen geistlichen Tages- und Wochenrhythmus integriere. Dass man das Jesusgebet auch in Bewegung beten kann, hilft mir dabei ungemein.
Hallo Peter, ich komme gerade aus St. Andrä zurück und freue mich über deinen schönen Bericht „unserer“ Wanderexerzitien. Wenn du noch Bilder hast, würde ich mich über einen Kontakt freuen – ansonsten grüße ich dich in ökumenischer Verbundenheit herzlich – Georg