Wie ein Wetterbericht die Weltgeschichte veränderte

Vorletzte Woche standen wir am Blacksod Lighthouse auf der Belmullet Peninsula im irischen County Mayo. Eine Tafel erinnert dort an den 4. Juni 1944. Der Leuchtturm war damals, vor 81 Jahren, auch Wetterstation.

Die 21jährige Maureen Flavin hatte in diesen Tagen Dienst in Blacksod. Sie meldete die Wetterdaten regelmäßig an die vorgesetzte Stelle von Met Éireann. Aber plötzlich kamen mehrere telefonische Nachfragen aus England. Maureen beantwortete alle nach bestem Wissen und Gewissen. Ein Sturmtief war aus Nordwesten gekommen und zog weiter Richtung Kanalküste.

Erst viele Jahre später erfuhr sie: Ihre Auskunft hatte dazu geführt, dass Eisenhower die Operation Overlord (die Landung der Alliierten in der Normandie) um zwei Tage verschob. Im Sturm wäre die Aktion mit großer Sicherheit gescheitert. Aber die deutsche Wehrmacht in Frankreich wusste auch nicht, dass sich gleich nach dem Sturm das Wetter wieder beruhigen würde. Sie war wettertechnisch blind. So ergab sich mit der Landung am 6. Juni ein zusätzlicher Überraschungseffekt für die 150.000 Mann starken Invasionstruppen. Es war einer der drei großen Wendepunkte im Zweiten Weltkrieg.

Die Einheimischen erzählen übrigens auch, dass Maureen Flavin nur deshalb am Telefon war, weil ihr Kollege und späterer Ehemann Ted Sweeney im Pub war.

Sie selbst sagte im Rückblick:

They could arrange everything but they couldn’t pre-arrange the weather!

They had it all worked out to the nearest detail, but our weather report put the first spoke in the wheel.

They would have gone ahead and the invasion would have been a complete disaster. There they were with thousands of aircraft and they couldn’t tolerate low cloud. We’re delighted we put them on the right road. We eventually had the final say!

Zitat via Irish Central

Als Blacksod allmählich im Rückspiegel verschwand, dachte ich mir: Wenn die Entscheidungsträger doch heute noch die Größe hätten, sich von den Meteorolog:innen und Klimawissenschafter:innen etwas sagen zu lassen. Stattdessen hat die Trump-Administration die Mittel für die Klimaforschung drastisch zusammengestrichen. Das bedeutet, dass die Welt zunehmend blind wird für das, was sich in den Ozeanen und der Atmosphäre zusammenbraut.

David Lauer hat das im DLF kürzlich als „Hypernormalisierung“ beschrieben und die letzten Jahre des Sowjetimperiums als Vergleich herangezogen.

Obwohl sie wussten, dass das System bereits gekippt war und nicht mehr funktionierte, und obwohl sie voneinander wussten, dass sie das wussten, agierten sie, als glaubten sie weiterhin an die Zukunft des Gewohnten.

Zu Millionen führten sie täglich die Scharade der Normalität auf – unter anderem deswegen, weil sie sich keine Vorstellung von einer Alternative machen konnten und deshalb vor dem Gedanken an radikale Veränderung zurückscheuten.

Heute ist das wieder so. Es ist offensichtlich, dass es nicht so weitergehen kann. Dass ein radikales Umsteuern erforderlich ist. Aber die Radikalität, in der unser Lebensstil durch die Krise in Frage gestellt wird, macht Angst. Also flüchten unsere Gesellschaften in die Verdrängung, statt sich ihrer Möglichkeiten bewusst zu werden, rechtzeitig noch etwas zu ändern.

Es wäre mal interessant, Maureen Sweeney oder Dwight D. Eisenhower dazu zu hören.

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