„Wenn nur was käme und mich mitnähme…“

In manchen Kreisen, so mein Eindruck, gibt es zwar eifrige Lippenbekenntnisse zur Demokratie, aber insgeheim träumen nicht wenige immer noch von einer Monarchie; freilich mit einem idealen Regenten. Manche finden, auch die Kirche sollte besser möglichst undemokratisch funktionieren. Autoritäre Weltbilder stehen erstaunlich hoch im Kurs – ein schmaler Grat.

Natürlich wäre das Leben einfacher, wenn wir uns um den Staat und die Ordnung keine Gedanken machen müssten, sondern das in kompetente Hände legen könnten und dabei wüssten, dass dieser Monarch alles richtig macht, wenn er „durchregiert“. Flüchtlinge, Terror, Klimawandel, TTIP, Jugendarbeitslosigkeit und Ebola würden uns keine schlaflosen Nächte mehr bereiten. Das ist im Grunde ein romantischer und nostalgischer, vor allem aber ein verzweifelter und letztlich verantwortungsloser Traum. Und die neuen Feudalherren sind nur zu gern bereit, diesen Wunsch zu erfüllen.

Neulich habe ich (wieder einmal, nach längerer Pause) ein eng verwandtes Statement gehört. Unter Bezug auf ein paar Bibelstellen ging es dort um das Verhältnis der Geschlechter und jemand machte sich stark für eine Rückorientierung am Patriarchat. Freilich wurde er nicht müde, die Last der Verantwortung und den Ernst der Aufgabe des Patriarchen herauszustellen, er schien aber durchaus der Überzeugung zu sein, dass die meisten Frauen sich nichts sehnlicher wünschen als einen solchen Gentleman als Retter, Vormund oder Schirmherr.

Wie schon Friedrich Rückert dichtete: „Wenn nur was käme und mich mitnähme!“

Mag sein, dass es solche Träume gibt. Die Motive dürften in diesen Fällen ähnlich gemischt sein wie bei den Royalisten. Vielleicht liegt die Sache aber in Wahrheit ganz anders, als es dem freundlichen Patriarchen schien. Das Zeitmagazin interviewte vor einer Weile den Paartherapeuten Ulrich Clement. Der vermutet, dass weibliche Unterwerfungsphantasien, die vor allem der feministischen Forschung Rätsel aufgaben, in Wirklichkeit verkappte Allmachtsphantasien sind. Kaum eine Frau will also wirklich zurück ins 19. Jahrhundert.

(Frage: Was passiert mit uns Männern, und was mit geistlichen Leiter_innen, wenn wir uns diesen Schuh anziehen und diesen Messiaskomplex aufhalsen?)

Aber Beziehungen auf Augenhöhe sind schwieriger als solche mit Gefälle, und Demokratien sind anspruchsvoller als autoritäre Formen von Regierung. Zum Glück haben Christen ja schon immer den schmalen, herausfordernden und risikoreichen Weg gewählt, nicht den breiten, anspruchslosen…

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8 Antworten auf „„Wenn nur was käme und mich mitnähme…““

  1. Das Reich Gottes ist kein demokratischer Organismus, auch wenn Du das in Deinem Text so ableiten willst. Christus ist der HERR und Bräutigam der Gemeinde. Er wurde nicht gewählt, sondern hat sich die Gemeinde durch Sein Blut erworben. Er ist der HERR und Erhalter des Kosmos, egal, ob es den Menschen passt oder nicht. Gleichzeitig ist Gott Vater und die echten Christen sind seine Kinder. Also ein Patriarchat. Eine Familie. Die ursprüngliche Gemeindeleitung bestand aus angesehenen Ältesten, die die Hirtenfunktion innehatten. Demokratie – auch hier – Fehlanzeige. Das Volk Israel war eine Monarchie mit einem herrschenden König, Priestern und Propheten, die direkt Gott unterstellt waren. Keine Demokratie. Im Tausendjährigen Reich werden manche Menschen mehr Verantwortung als andere bekommen. Christus wird als König von Jerusalem aus herrschen. Ebenso auf der neuen Erde. Die Weichen dafür werden in diesem Leben gestellt, wie treu man mit seinen Fähigkeiten und Begabungen umgegangen ist.

    1. Major Tom (der militärische Titel passt ja wie die Faust aufs Auge): Puh, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll, diese Apotheose autoritärer Strukturen zu zerlegen. In der Bibel ist es gerade das Königtum und die Vaterschaft Gottes, die menschliche Machtansprüche (des Mannes über Frau und Kinder, des Königs über seine Untertanen) massiv relativiert. Die prophetischen Schichten des Ersten Testaments sehen das Königtum in Israel als Anfang vom Ende (vgl. Samuels Gleichnis vom Dornbusch), Jesus wendet sich in Mt 23 ganz ausdrücklich gegen solche patriarchalen Autoritätskonstrukte, sogar Paulus bezeichnet sich lieber als „Mutter“ seiner Gemeinden, um sich nicht missverständlich als Vater ins Spiel zu bringen.
      Aber wenn man die Bibel so liest wie es der Kommentar oben anzeigt, dann wird man in einer Demokratie nicht glücklich. Vermutlich auch nicht in einer Gemeinde, die ohne autoritäres Brimborium auskommt.

  2. Hervorragend! Aber: Hallo erstmal 🙂 Daniel Renz hat mich vor ner Woche hierher geschickt und ich habe seitdem immer wieder reingelesen. Sehr guter Gedankenanstoß! Danke dafür. Liebe Grüße! Mathilda

  3. „Aber wenn man die Bibel so liest wie es der Kommentar oben anzeigt, dann wird man in einer Demokratie nicht glücklich. Vermutlich auch nicht in einer Gemeinde, die ohne autoritäres Brimborium auskommt.“

    Lieber Peter, falls Du es noch nicht gemerkt hast: Auch wir leben nicht in einer Demokratie, so wie sie ursprünglich gedacht war. Wir werden von einer Elite beherrscht, die den Schein einer Demokratie aufrecht erhält. In Wirklichkeit haben wir überhaupt kein Mitbestimmungsrecht, wie man z. B. an folgendem Beispiel sieht:

    http://www.endzeit-forum.com/skandal-192-000-unterschriften-gegen-bildungsplan-und-zwangssexualisierung-unserer-kinder-werden-von-gruen-rot-einfach-ignoriert/

    Denn hätten wir das, dann würde Deutschland anders aussehen. Es wird immer Autoritäten geben. Eine reine Demokratie ist aufgrund der Unfähigkeit des Menschen zum Guten einfach nicht möglich. „Alle Tiere sind gleich. Nur manche sind gleicher.“ Darum hat weder der Kommunismus noch die Demokratie jemals richtig funktioniert. Nicht weil die Idee an sich schlecht gewesen wäre, sondern weil sündige Menschen immer ungerecht sind. Es wird immer Autoritäten geben, die Macht konzentrieren. Jesus Christus ist zudem der Einzige, der mit Macht richtig umgehen kann. Und dann noch, wenn die Sünde weggetan wurde, sein Anhänger.

    1. Das meine ich, Major Tom: diese deprimierende Unfähigkeit, sich in einer pluralen Gesellschaft ohne abtruse Verschwörungstheorien zurecht zu finden. Schönere Beispiele für meine These oben konnte ich mir gar nicht ausdenken.

      1. Um sich in einer pluralistischen Gesellschaft zurecht zu finden, braucht man zuerst einmal offene Augen. Das hat nichts mit Verschwörungstheorien zu tun (mit diesem beliebten Argument wird jede sinnvolle Diskussion gleich im Keim erstickt), sondern mit dem Erkennen der Realität und der Wahrheit. Es gibt auch in der pluralistischen Welt nur eine objektive Wahrheit. Einem Schizophrenen wird von den Ärzten empfohlen, einen Realitätsabgleich zu machen. Warum sollen es die Übrigen nicht auch tun?

        Die Apostel hatten mehr Autorität als die übrigen Gläubigen. Die Ältesten hatten auch mehr Autorität als die Jungbekehrten. Der Mann hat als Familienvater eine von Gott übertragene Autorität über Frau und Kinder. Die Justiz hat laut Noah-Bund Autorität über die Völker. Auch eine gottlose Regierung ist laut Römerbrief von Gott als Autorität eingesetzt. Die Eltern sollen von den Kinder geehrt werden. Das sind die Strukturen, die Gott vorgegeben hat. Doch das passt dem postmodernen Menschen (damit nehme ich mich nicht aus) nicht. Er will über sich selbst bestimmen und keine Autorität über sich akzeptieren.

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