Wahr oder erfunden? Was man von Karius und Baktus über die Bibel lernen kann

Meine Kinder haben im Kindergarten die Geschichte von Karius und Baktus gehört. Die Auswirkungen waren sehr positiv, bis heute putzen sie recht gewissenhaft ihre Zähne. Und niemand kommt auf die Idee, die Geschichte als erfunden und daher gar nicht wahr zu bezeichnen oder umgekehrt zu behaupten, man müsse das buchstäblich so glauben, wie es geschrieben steht. Kinder denken nun mal in Geschichten, und Karius und Baktus ist eine Geschichte, die ihnen eine wichtige Wahrheit nahebringt. Mit wissenschaftlichen Studien zur Dentalhygiene hingegen können Vorschulkinder nichts anfangen.

Kürzlich hat mich das Thema Schöpfung und Wissenschaft wieder beschäftigt. Der Streit zwischen fundamentalistischen Atheisten und fundamentalistischen Christen über die biblische Urgeschichte kommt mir vor wie ein Streit über Karius und Baktus. Natürlich ist dieser Text von Menschen und für Menschen in einer vorwissenschaftlichen Zeit geschrieben, in der es überhaupt nur Geschichten – Mythen – gab, mit denen man die Welt erklärte. Vermutlich nicht einmal so sehr die Frage, wie genau alles entstanden ist und was früher war (oder nicht war), sondern eine Beschreibung dessen, wie die Welt hier und jetzt ist und wie man in ihr richtig lebt.

Wenn man diese Geschichte verstehen will, muss man sich erstens auf sie einlassen, man muss in die Welt ihrer Vorstellungen von Urflut und Himmelsgewölbe eintauchen, und man muss zweitens verstehen, wo und wie sie sich von den anderen Geschichten unterscheidet, die zeitgleich im Umlauf waren: all den altorientalischen und antiken Schöpfungs- und Göttermythen. Zum Beispiel präsentiert uns Genesis 1 eine gewaltlose Schöpfung, eine völlig entdämonisierte Welt und depotenzierte Elementarmächte, während im Enuma Elish die Götter sagen „Lasst uns Dämonen machen“.

Im Übrigen hat ja auch Jesus niemand gefragt, ob die Geschichte vom verlorenen Sohn eine „wahre“ Geschichte ist. Natürlich ist sie „erfunden“. Aber sie ist genial erfunden, weil sie besser (und kürzer!!) als jede christliche Dogmatik Gottes Wesen charakterisiert. Und anders als unsere Wissenschaftsprosa kann die Poesie der Genesis etwas über Sinn und Schönheit des Lebens aussagen.

Wir sollten die Aussagen von Genesis 1-11 in unser heutiges, wissenschaftliches Weltbild integrieren und darüber nachdenken, was sie uns im 21. Jahrhundert denn sagen. Der Psychologe James Hillman hat die „modernen Mythen“ (des Materialismus, Positivismus und Szientismus) dafür kritisiert, dass sie Menschen weder Hoffnung noch Halt und Geborgenheit vermitteln können. Hillman möchte deshalb – aus therapeutischen Gründen – wieder zurück zu Göttern, Geistern und Seelenwanderung. Die biblische Schöpfungsgeschichte stützt weder das eine noch das andere Extrem. Und sie ist eingebettet in eine bunte Überlieferung, die von Gottes Handeln in der Geschichte und in konkreter menschlicher Erfahrung spricht.

PS: Chris Ellis hat mich gestern auf das folgende Video hingewiesen, da wird einiges noch einmal gut auf den Punkt gebracht

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20 Antworten auf „Wahr oder erfunden? Was man von Karius und Baktus über die Bibel lernen kann“

  1. Volle Zustimmung! Und: Zugleich ist es richtig schwer, das zu vermitteln mit dem Ballast vieler Jahrhunderte Auslegungsgeschichte. Exemplarisch finde ich die gängige Deutung des Begriffs „Märchen“: Erfunden = unwahr = falsch = Lüge = Blödsinn. Schon meine Viertklässler letztes Schuljahr waren sich da relativ einig.

  2. Jesus hat aber Gleichnisse erzählt. „Das Himmelreicht ist wie…“ Am Anfang der Bibel steht aber nicht: „Die Erschaffung der Welt gleicht einem Schöpfungsakt durch Gott“, sondern da steht: Gott erschuf die Welt.

    Erschuf er sie also Deiner Meinung nach nicht so, wie es am Anfang der Bibel steht? Nicht in sieben Tagen? Nicht, weil er es nicht kann / konnte? Aber vielleicht in einem Jahr? Entspricht das eher Gottes Möglichkeiten? Oder sind zehn Jahre realistischer? Oder 5,2 Milliarden Jahre?

    Hat Gott die Welt denn überhaupt erschaffen? Wenn nein, wofür lobt ihn dann der Psalmist, wofür loben wir ihn überhaupt? Was hat er denn dann überhaupt gemacht? Ist er am Ende selber Teil der Schöpfung / Geschöpf?

    Wenn er aber die Welt erschaffen hat, was sagt uns eigentlich dann, wie er das gemacht haben kann und in welchem Zeitraum und auf welche Art? Woher wissen wir eigentlich, dass er es NICHT so gemacht hat wie in 1. Mose beschrieben? Wer sind wir eigentlich, dass wir das ablehnen können, weil es uns wie ein Kindermärchen vorkommt? Das mal als eine Frage – der Logik.

    Und: Ab wann glaubst Du der Bibel dann wieder in ihrern Berichten? Adam hat dann nicht gelebt? OK, aber Henoch? Nein, aber vielleicht David? Ist der Stammbaum dann auch Karius und Baktus? Ich meine diese Fragen übrigens ernst. Glauben wir, dass Jesus gelebt hat? Aber warum, wenn doch auch das nur ein Gleichnis sein kann, von einem guten Geschichtenerzähler aus dem Jahr 200 n.Chr.

    1. @feaf438d60f593f9502a37cd03cf3134:disqus: Diese binäre Logik greift beim Verständnis von Texten und Literatur (und dazu gehört eben auch die Bibel) einfach viel zu kurz.
      Schon die Textgestalt verrät, dass es sich nicht um einen „Tatsachenbericht“ in dem von Dir vorgeschlagenen Sinn handelt. Wer sollte den auch geschrieben haben, es war ja kein Mensch dabei? Und klar halte ich Henoch auch nicht für eine historische Tatsache, das gilt für Genesis 1-11 insgesamt. Wenn man das so verstehen zu müssen meint, stellen sich ja sofort eine ganze Reihe von anderen kniffligen Fragen.

      Wenn man mit dieser alles-oder-nichts (bzw. friß-oder-stirb) Logik an die Schrift herangeht, statt differenziert zu lesen und den geschichtlichen Kontext im Blick zu behalten, dann wird man ihr meiner Meinung nach nicht gerecht. Du legst ein modernistisches, positivistisches Wirklichkeitsverständnis zugrunde, das eine Erfindung der Aufklärung des 17./18. Jahrhunderts ist.

      Wenn Du deine eigenen Prämissen ernst nehmen würdest, dann müsstest Du nach Genesis 1 u.a. ja auch glauben, dass hinter dem Himmelsgewölbe Wasser ist und kein Weltraum. Oder dass die Sonne wie ein Wagen am Gewölbe entlang fährt.

      1. Ich weiß, dass diese „binäre Logik“ unpopulär ist. Vor allem, wenn es um
        biblische Aussagen geht. Aber ich denke, sie ist das einzig
        Verlässliche. Ich glaube nicht, dass Gott bzw. die Bibel uns Weisheiten
        mit auf den Lebensweg geben will/wollte. Ich glaube auch, dass es wahre
        und unwahre Aussagen gibt. Ja, ich glaube sogar, dass letztendlich jede
        Aussage „wahr“ oder „unwahr“ sein kann. Meinetwegen erinnert Dich das an
        das 17. Jahrhundert. Dadurch wird es aber nicht falscher.

        Außerdem
        stellt gerade die moderne Wissenschaft immer wieder fest, dass die
        Aussagen der Bibel (auch aus 1. Mose) erstaunlich gut übereinstimmen mit
        wissenschaftlichen Erkenntnissen. (Die ja auch immer nur vorläufig
        sind.)

        Wenn Du mit diesem Verständnis (es gibt keine binäre
        Wahrheit) an die Bibel herangehst, frage ich mir halt nur, wann Du etwas
        als glaubwürdig ansiehst, und wann nicht. Wenn Du der Bibel immer nur
        dann glaubst, wenn Du genau nachvollziehen kannst, warum, wann wer da
        was wie aufgeschrieben hat, dann wirst Du wohl bei keinem einzigen Satz
        wirklich Sicherheit finden (denn alles lässt sich textkritisch bis zum
        letzten Buchstaben hinterfragen). Am Ende bleibt dann doch der Glaube.
        Dein Glaube basiert doch (wahrscheinlich) auch nicht auf Wissen, sondern
        auf irgendeinem Punkt, den Du für wahr erachtest, obwohl es keinen
        letztendlich unwiderlegbaren Grund dafür gibt. Wäre doch schön, wenn wir
        Gott glauben und die Bibel als das annehmen, was Christen dafür halten:
        als ein von Gott inspiriertes Wort. (Was ist denn sonst Dein Fundament
        für Deinen Glauben?)

        Was das Himmelsgewölbe angeht: Woher weiß ich denn, wie Gott das damals gemacht hat mit dem Himmel und dem Wasser, und vor allem – woher weiß ich, wie das bei demjenigen ankam, der eine „VIsion“ von Gottes Schöpfungsakt bekam. Wie sowas in Worte fassen? An eine Sonne, die „wie ein Wagen am Gewölbe entlang fährt“ kann ich mich aus 1. Mose nicht erinnern.

        1. @Schnabel: Da gäbe es jetzt wieder viel zu sagen: Binäre Logik hat für mich mit Glauben nichts mehr zu tun, weil es da nur um hundertprozentige Gewissheiten geht. Dann hat man ja alles Schwarz auf Weiß.
          Hab ich das jetzt richtig verstanden, und Du wolltest sagen, es hätte vielleicht früher ein Gewölbe gegeben, wie Gen 1 es beschreibt, das seither gegen den Weltraum ausgetauscht wurde, ohne dass hier auf der Erde jemand die Umbauarbeiten mitbekommen hat? Das wäre so ziemlich das Abstruseste, was ich überhaupt je zu dem Thema gehört habe.
          Binäre Logik setzt das eigene Denken in dem Sinn absolut, dass sie nicht verstehen kann, dass andere Menschen zu anderen Zeiten anders über Wahrheit denken und reden als man selber. Die antiken Menschen haben allesamt das mythische Denken verstanden (vgl. den Post von gestern zu Kindern). Das war mein Punkt. Deswegen gibt es ja etliche Ähnlichkeiten mit den Mythen der Umwelt. Seriöse Theologie kann das nachvollziehen. Damit sage ich nicht, dass die ganze Bibel nur Mythen enthält, das lässt sich relativ klar auf Gen 1-11 begrenzen.
          Zuletzt: Ich glaube zum Beispiel, dass Gott die Welt geschaffen hat. Und zwar so verlässlich, dass Menschen sie erforschen können und diesen Forschungsergebnissen auch trauen, immerhin fliegen unsere Flugzeuge und unsere Computer funktionieren auch. Meistens.

      2. Peter, Was ist dein Wirklichkeitsverständnis das Du zugrunde legst? Welcher Erfindung ist es entsprungen?

        Was mich am meisten hier traurig gemacht hat, ist die elitäre Herangehensweise an die Bibel. Das finde zum Teil schon nicht akzeptabel. Als in Deutschland lebender Dr. Der Theologie ist es schön solche Kriterien aufzustellen. Den Großteil der Weltbevölkerung schließt es überspitzt formuliert aus. Peter, du weißt gut was im Argen liegt hier auf der Welt und deinen Einsatz für viele weiß ich zu schätzen. Aber das ist mir zu exklusiv was die Kriterien angeht. Du kritiertst oft die Herangehensweise vieler Gruppen und Personen an die Bibel. Ich sehe hier ein Beschränken und ein reduzierendes Verständnis von dem wie Gott wirken und durch sein Wort reden kann. Überleg mal, ob das was dran sein könnte.
        Grüße Björn J.

        1. Ach Björn. Der Großteil der Weltbevölkerung hat freilich andere Sorgen. Aber auch andere Sorgen, als jedem auf Teufel komm raus auf die fundamentalistische die-Bibel-hat-doch-Recht-Linie einzuschwören. Da liegt der Reduktionismus, dass man das alles nur als unwiderlegbare „Tatsachen“ zu verstehen hat. Und dass jede kleine Anfrage immer das Ganze in Frage stellt, mithin jeder Zweifel eine Katastrophe ist. Ich sage hier ja, dass Gott sehr wohl durch die Bibel reden kann, auch wenn sie stellenweise Mythen enthält und naturwissenschaftliche nicht up to date ist.
          Schau Dir doch in Ruhe das Video an, das ich verlinkt habe. Das sind seriöse Leute. Ich bin nun wirklich nicht der einzige, der so denkt. Aber wie kann man eigentlich in Deutschland im 21. Jahrhundert leben und die Diskussion der letzten 300 Jahre komplett ignorieren? Wie kann man die Augen davor verschließen, dass 3.000 Jahre alte Texte (oder 2.500 Jahre alte) in einer ganz anderen Vorstellungswelt angesiedelt sind als die, in der wir heute leben – und zwar global, sofern ein gewisses Maß an Bildung vorhanden ist? Das Thema ist seit Kopernikus durch. In der Beschreibung der physikalischen Welt sind die Naturwissenschaften der Theologie und der Bibel nicht untergeordnet, sie haben ihr Recht und ihre Wahrheit.

  3. Grundsätzlich ist die Geschichte von Karius und Baktus ein gutes Gleichnis, das Kindern hilft, ihre Zähne pfleglicher zu behandeln. Insofern ist der Vergleich mit biblischen Gleichnissen durchaus angemessen. Auch wenn die Geschichte von Karius und Baktus nicht „Gottes Wort“ ist, er wird das hier ganz sicher nicht so eng sehen.

    Problematischer wird aber der Vergleich mit der Urgeschichte, die zwar nicht den Anspruch hat, wissenschaftlich detailliert zu sein, aber doch alles andere alls vergleichbar mit einem neutestamentlichen Gleichnis. Lehre wurde hier einem Dogma historisch-kritischer Theologie gehuldigt, die den Offenbarungscharakter der Urgeschichte ablehnt und als Produkt menschlicher Vorstellungen bezeichnet. Wenn Gott nach biblischer Aussage mit Mose persönlich redete kann es gut sein, dass er ihm während der 40 Tage Eisamkeit auf dem Sinai auch grob den Ablauf der Schöpfung skizziert hat. Das ist für mich zumindest nicht schwerer zu glauben wie die historisch-kritischen Theorien fiktiver Quellen, die uns weder im Original noch in Abschrift irgendwie vorliegen.

    Insofern gebe ich „Schnabel“ (die Wiedergabe der restlichen Buchstaben erspare ich mir, das würde nur zu Tippfehlern führen) durchaus Recht. Zudem ist auch zu erwähnen, dass es heutzutage doch gerade die Evolutionisten sind, die ihre Ansichten nach dem Motto „friss oder stirb“ weiterverbreiten und u. a. mit Argusaugen das böse kreationistische Treiben an evangelischen Bekenntnisschulen beobachten.

  4. Eben habe ich wegen anderer Fragen einen Text von James D. Orr († 1913) gelesen, der vor gut 100 Jahren mit Torrey und anderen die „Fundamentals“ schrieb, also sicher nicht im Verdacht steht, einen Schmusekurs dem Modernismus gegenüber zu fahren:

    Here, it is to be feared, mistakes are often made on both sides—on the side of science in affirming contrariety of the Bible with scientific results where none really exists; on the side of believers in demanding that the Bible be taken as a text-book of the newest scientific discoveries, and trying by forced methods to read these into them. The truth on this point lies really on the surface. The Bible clearly does not profess to anticipate the scientific discoveries of the nineteenth and twentieth centuries. Its design is very different; namely, to reveal God and His will and His purposes of grace to men, and, as involved in this, His general relation to the creative world, its dependence in all its parts on Him, and His orderly government of it in Providence for His wise and good ends.

  5. Hallo Peter,

    als ich deinen Artikel gelesen hatte, konnte ich es erstmal nicht ganz fassen. Die ersten elf Kapitel der Bibel als bloße Mythen zu verstehen … Wissentschaftler á la Gitt und etliche mehr sehen in der Schöpfungsgeschichte keinen Widerspruch zur Wissentschaft. Ich übrigens auch nicht. Der Schöpfungsbericht ist klar nachvollziehbar mach Sinn.
    Jesus sagt selbst: Wenn ihr Mose glauben würdet, so würdet ihr auch mir glauben. Und die Bibel selbst macht sehr klar, dass die, die die Bibel und Gott ernst nehmen „keinen Mythen oder Fabeln“ gefolgt sind.
    Die Bibel steht über uns und nur weil manche Dinge uns unlogisch formuliert scheinen (die „Feste“ z.B.) wird sich in Zukunft sicher herausstellen, dass dies tatsächlich wahr ist bzw. wahr war. Vieles hat für manche Kritiker in der Bibel keinen Sinn gemacht und wurde bekämpft – bis eine Ausgrabung das Gegenteil bewies. Mittlerweile wird immer mehr die Unsinnigkeit der Evolutionstheorie klar und doch halten Menschen krampfhaft daran fest, weil sie keinen Gott wollen.
    Wenn man an den ersten 11 Kapiteln mythisch „herumsägt“, der macht gleichzeitig etliche Aussagen des Herrn Jesus und des Apostels Paulus und anderen Schreibern der Bibel ungültig bzw. mythisch und damit das Evangelium. Wenn Adam und Eva nicht gelebt haben, dann ist auch der Sündenfall so nicht gewesen und wir wissen nicht, wie die Sünde in die Welt kam. Noah wird als historische Figur von dem Herrn Jesus selbst bezeugt und nebenbei sind die Maße des Schiffes absolut seetauglich und alles andere als mythisch. Auch der Hebräerbrief macht keinen Unterschied zwischen Noah und Abraham. Die Sprachverwirrung zu Babel als historische Tatsache macht vor allem mit dem ebenfalls historisch stattgefundenen Pfingstereignis und der Sprachenrede Sinn.
    Die Herr will kindlichen (keinen kindischen) Glauben. Das schließt nicht hartes Nachdenken und Nachsinnen aus, aber ein kritisches Anzweifeln an Gottes Wort in der Manier: Sollte Gott gesagt haben?

    1. @Matthias: Was ist so schwer daran zu fassen, dass die Bibel ein Buch ist, das nicht vom Himmel gefallen ist, sondern in einem langen geschichtlichen Prozess entstand und daher in einer Sprache und Gedankenwelt verfasst ist, die uns heute zum Teil fremd ist? Der Anspruch, den Du ihr unterschiebst (1:1 Wort Gottes in dem positivistischen Sinn, dass hier ausschließlich „Fakten“ geschildert werden, weil alles andere ja „Lüge“ wäre…) ist ihr fremd. Man kann die Bibel eigentlich nur so lesen, wie Du es forderst, wenn man jegliches Geschichtsbewusstsein in den Wind schlägt. Damit stelle ich nicht etwa meine Vernunft über Gott, sondern ich versuche, dem nach-zudenken und gerecht zu werden, wie mich dieses Wort erreicht. Ich habe aber keine Lust, immer wenn diese Positivismus sich selbst ad absurdum führt, Leute auf den Himmel zu vertrösten. Das ist einfach billig.
      Ins Schwarze getroffen hast Du allerdings mit der Unterscheidung kindlich/kindisch: Kinder verstehen in der Regel Mythen intuitiv richtig. Ein bisschen mehr Kindlichkeit würde also wirklich nicht schaden, während es m.E. nun wirklich kindisch ist, die Augen bewusst davor zu verschließen, dass wir hier keinen naturwissenschaftlichen Text vor uns haben.

  6. @Peter
    Du hast den anderen im Grunde nicht anders geantwortet. Ich gehöre wahrscheinlich einfach zu denen, die die Bibel allzu wörtlich nehmen, wobei ich auch erkennen kann, wenn etwas in Bildern gesprochen wurde (Offenbarung z.B.).
    Jesus und Paulus räumen der Schrift höchsten Stellenwert ein und lassen darauf schließen, dass selbst einzelne Worte und sogar einzelne Schriftzeichen u.a. heilsnotwendige Bedeutung haben. Ich würde mich hüten, von dieser Praxis zu lassen.
    Als mir als Kind die Schöpfungsgeschichte vorgelesen bzw. vorgetragen wurde, wäre ich nicht darauf gekommen, dass es ein Mythos ist. Wohl aber bin ich darauf gekommen, dass Gott alles in 6 Tagen gemacht hat und dass Eva und dann Adam von der verbotenen Frucht aßen und von Gott getrennt wurden.
    Weder Gitt noch andere gläubige Wissentschaftler behaupten, dass die Bibel explizit in wissentschaftlicher Sprache geschrieben ist. Sie ist in der Alltagssprache des normalen Menschen geschrieben und gebraucht kein wissentschaftliches Vokabular, sondern halt (bildliche) Alltagssprache – aber dennoch macht die Bibel Aussagen, die wissentschaftlich gut zu belegen sind, z.B. Hiob: Er hängt die Erde auf über dem Nichts! Wissentschaftlich ist das nicht, aber jeder würde zustimmen. Damalige Gedankenwelt? Wohl kaum.
    … in den Tagen Pelegs, als die Erde zerriss: nicht gerade wissentschaftlich, aber absolut korrekt. Daher wissen wir (ungefähr), wann die Kontinentalverschiebungen stattfanden.
    Selbst Wissentschaftler reden davon, dass die Sonne aufgegangen ist, wohl wissend, dass die Erde sich dreht usw.
    Das erstaunliche an der Bibel ist, dass sie eben nicht unbedingt in das Denkmuster der damaligen Zeit gepasst hat, wie z.B. die Aussage, dass die Sterne unzählbar sind. Damals dachte man, man kennt alle Sterne …
    Jesus selbst sagt, dass seine Worte Himmel und Erde überstehen werden. Alles vergeht, aber seine Worte bleiben.
    Alle Schrift ist von Gott eingegeben (gottgehaucht). Also werde ich mir wohl auch deswegen über verschiedene Dinge den Kopf weiter zerbrechen und erst in der Ewigkeit Verständnis erlangen.
    Die Aussagen, Leute auf den Himmel zu „vertrösten“ gilt wohl eher für uns, die wir hier der Welt noch viel Nettes abgewinnen können. Aber ein echter Trost ist die Himmel für die, welche auf dieser Welt keine bleibende Statt haben und als Fremdlinge die neue Welt von Ferne begrüßen. Für tausende von leidenen und verfolgten Christen ist der Himmel tatsächlich ein starker Trost. Und wenn wir um Gottes willen leiden, dann sollte uns dieser Trost unabhängig von und für Gott beweglich inmitten dieser Welt machen. „Fürchtet euch nicht vor denen, die euren Leib töten können. Fürchtet vielmehr den, der Leib und Seele zu verderben vermag in der Hölle“.
    »Wer sich in die Geschäfte dieser Welt einlässt ist wie einer, der auf der sinkenden Titanic anfängt, die Stühle zu stellen.«

    1. @Matthias: Ich weiß nicht, wie Gitt auf solche Aussagen kommt, aber er ist Naturwissenschaftler und versteht vielleicht auch nur diesen einen Aussagemodus. Was mich zu Deinem Vorwurf von neulich bringt, ich würde „meinen Verstand über Gottes Wort“ stellen: Ist es vielleicht in Wahrheit genau umgekehrt? Wenn Du und andere schon vorab und pauschal entschieden haben, wie die Bibel zu verstehen ist und wie nicht, dann findest Du beim Lesen eben nur Bestätigungen Deiner Sicht, da alle Inkongruenzen ja bis zur Antwort in der Ewigkeit suspendiert sind. Ich denke, man muss von Fall zu Fall hinsehen und -hören, wie so ein Bibeltext verstanden werden muss, und wenn es (wie hier) symbolisch und metaphorisch ist, dann ist das eben angemessener und „richtiger“ als das wortwörtliche Verständnis. Damit stellt man sich gerade nicht „über“ das Wort. Und man kommt zum Glück auch nicht zu einer so negativen Weltsicht wie sie Dein letzter Satz verrät.

  7. Lieber Peter!

    Über diesen Satz musste ich nachdenken:

    „Der Anspruch, den Du ihr unterschiebst (1:1 Wort Gottes in dem positivistischen Sinn, dass hier ausschließlich “Fakten” geschildert werden, weil alles andere ja “Lüge” wäre…) ist ihr fremd.“

    Besonders „… ist ihr fremd“ verwunderte mich. Mich würde mal interessieren, mit welchem Vers (oder Versen) Du dies belegen kannst? Da müsste die Bibel ja Aussagen zu machen, oder?

    Bleibt also der schlichte aber bohrende Satz: Wo steht das in der BIbel?

  8. @Matthias: Das ist es, was unser Gespräch so schwierig macht, dass Du die Bibel nicht als ein historisches Dokument sehen kannst, das daher auf bestimmte Fragen, die wir heute haben, keine Antwort gibt, und das aus einer Zeit stammt, in der die modern-positivistische Definition von „Fakten“ nicht existierte.

    Mein Argument ist in diesem Fall nicht nur das Schweigen auf Deine „bohrende“ Frage, sondern das relativ lockere Nebeneinander von mythischen und geschichtlichen Elementen in den biblischen Erzählungen.

    Die Bibel müsste nur dann Aussagen dazu machen, wenn
    – sie auf alle Fragen eine Antwort zu geben hätte (das tut sie nicht)
    – sie für moderne Menschen geschrieben wäre (das ist sie nicht)

    Deine Forderung nach Belegstellen führt in die Sackgasse – wie so oft…

  9. @Peter

    Die Bibel gibt auf alle wesentlichen Fragen eine Antwort – aufgeschrieben für alle Menschen der letzten Jahrtausende.

    Tatsächlich ist die Bibel Gottes Wort (Das „meint“ zumindest der Herr Jesus) und damit zeitlos, obgleich die Bibel in einer anderen Zeit verfasst wurde. Aber im Wesentlichen haben sie die Menschen und ihre Fragen nicht geändert.
    Die wesentliche Frage im Leben ist ja nicht, ob ich Coca Cola oder Pepsi trinke. Die wesentlichen Fragen sind: Wie werde ich mit Gott versöhnt? Wie werde ich vor dem Zorn gerettet? Wie komme ich von meinem bösen Ich los? Wie kann meine Schuld loswerden? Wie kann ich gottgefällig leben? Und nicht zuletzt: Wie komme ich in den Himmel?

    Im Lichte der biblischen Antworten kann man die meisten anderen Fragen dann auch recht gut einordnen und beantworten und manche Frage (nach Pepsi oder Coca Cola) löst sich dann von selbst auf.

    Wenn man die Bibel allerdings in diesen wesentlichen, ewigen (und vermeintlich unwesentlichen) Dingen nicht mehr für voll nimmt, dann findet man auch für das hier und jetzt keine rechten Antworten mehr und kommt dann zum Schluss, dass es „nur“ ein historisches Buch für die Menschen von damals ist.

    Aber – Gott sei Dank: Gläubige und ernsthafte Prediger haben mich aber immer wieder vom Gegenteil überzeugt!

    1. Schade, dass ihnen das gelungen ist, Dich in diesen systematischen Selbstbetrug mit folgenschwerem Realitätsverlust zu verwickeln. Ich habe nie gesagt, die Bibel sei „nur“ ein historisches Buch, aber sie ist es unzweifelhaft auch und muss daher als solches gelesen werden. Wer das schon gleich mit Unglauben verwechselt, der liest aus seiner vermeintlich zeitlosen Bibel nur noch das heraus, was er schon kennt – oder eingetrichtert bekommen hat.

  10. Kleines Gedankenspiel, das beim Nachdenken über diesen Post in den Sinn gekommen ist. Ich stelle mir folgende Szene vor:

    Abraham, Mose, Simeon (aus Lukas 2), Paulus, Martin Luther und Billy Graham sprechen auf einem christlichen Kongress darüber, was ihnen im Zusammenhang mit Gott am wichtigsten ist. Das Ganze findet natürlich unter Bedingungen statt, die Referenten wie Zuhörern erlauben, ihre Zeit nicht verlassen zu müssen; wahrscheinlich irgendwo in der Wüste unter extrem reduzierten Bedingungen (keine Technik, Heuschrecken und Honig …).

    Kann ich mir jetzt ernsthaft Folgendes vorstellen?:

    (1) Alle sieben Referenten formulieren im Grunde dasselbe Gottesbild.
    (2) Ihnen allen sind dieselben Fragen wichtig. Würde zum Beispiel heißen: Auch Simeon hat dasselbe Verständnis von „Himmel“ wie Graham.
    (3) Wenn sie ein Stück der Bibel auslegen (so sie die schon kennen), läuft das im Grunde auf dasselbe hinaus.
    (4) Wenn es um die Essentials geht, ist vollkommen auszuschließen, dass das etwas mit den Bedingungen ihrer Zeit zu tun hat.
    Luthers starker Impetus auf die Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben ist also eine zeitlose Aussage, die alle anderen mit gleicher Priorität unterschreiben würden und die nichts mit der kirchlichen Situation zur Zeit Luthers zu tun hat.
    (5) Differenzen in Positionen verstehen die sieben als Abirren von der „reinen Wahrheit“, womit sie a) absolute Lügner und Irrlehrer sind, b) nichts im Sinne des Reiches Gottes bewirken können/konnten in ihrer Zeit und c) es sich wahrscheinlich für ewig mit Gott verscherzen, weil sie gemäß Offenbarung 22,19 etwas hinzugetan oder weggenommen haben.

    Ich für meinen Teil: Ich kann’s mir nicht vorstellen.

  11. Wenn ich es recht sehe, sind Peter und Matthias völlig einer Meinung, dass die Bibel auf die von Matthias genannten wesentlichen Fragen antwortet. Peter würde allerdings sagen, dass sie diese Antworten sowohl in theologischen Abhandlungen wie den Briefen als auch in Erzählungen als auch in poetischen Texten als auch in historischen Berichten gibt, während Matthias davon ausgeht, dass die Bibel es nur in historischen Berichten tut und der erzählerische oder poetische Gehalt mancher Texte zu vernachlässigen ist. Der Vorwurf des „nur historisch“ ließe sich also genauso (schlecht) gegen Matthias wenden.

    Entscheidend scheint mir aber,
    – dass die Bibel antwortet,
    – dass wir diese Antworten verstehen,
    – dass wir unser Verständnis davon, welches die „wesentlichen“ Fragen sind, von der Bibel korrigieren lassen,
    und weniger, wie sie es nun genau tut.

  12. @ Johannes
    Vor allem Abraham, Mose und Simeon konnten kaum das wissen, was Paulus erst offenbart wurde (Selbst wo es in der Bibel steht, ist es längst nicht für jeden verständlich). Die Heilsoffenbarung baut sich auf (ist progressiv) und erst durch Jesus und die neutestamentlichen Prophten verstehen wir das alte Testament (viel besser). Das blieb den Propheten zuvor in Gänze versagt (1 Petrus 1, 10-12)
    „ Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforscht die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, die für euch bestimmt ist, und haben geforscht, auf welche und was für eine Zeit der Geist Christi deutete, der in ihnen war und zuvor bezeugt hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit danach. Ihnen ist offenbart worden, dass sie nicht sich selbst, sondern euch dienen sollten mit dem, was euch nun verkündigt ist durch die, die euch das Evangelium verkündigt haben durch den Heiligen Geist, der vom Himmel gesandt ist, – was auch die Engel begehren zu schauen.“
    Und ab Paulus würde die Sache schon etwas anders aussehen. Paulus und Luther wären wohl eher auf einer Linie. Billy Graham würde da weniger reinpassen, weil er auch Rettung ausserhalb von Jesus für möglich hält, womit er eher mit Luther und Paulus in Konflikt steht.
    Der Vergleich hinkt. Heutzutage driften selbst Zeigenossen einer Sprache offensichtlich stark auseinander.

    @Andreas
    Ich denke nicht das Peter und ich das gleiche meinen. Unsere Ansätze und Prämissen sind offensichtlich grundverschieden. Peter wird das auch so sehen.

    @Peter
    Ausgehend davon, dass mich dein Beitrag ernsthaft betroffen gemacht, waren meine letzten Kommentare gerade zu beschwingt. Ich kann immer noch nicht verstehen, wie man die ersten 11 Kapitel der Bibel für Mythen halten kann und du dich über deutsche Begriffe wie „Feste“ aufregst. Eine genauere Untersuchung der Begriffe und Zusammenhänge könnte anderes zu Tage führen. Die hier wohl eher wenig beliebten »Bibeltreuen« können z.B. dieses Schöpfungsgeschehen im positiven Sinne wirklich entmythologisieren.
    Ich lese gerade den Hebräerbrief und dort ist immer noch nichts zu lesen von „Mythen“ oder so, sondern von echten Personen mit echter Geschichte, die als Vorbilder des Glaubens stehen und noch heute zu uns reden.
    Das beste wird sein, mich einfach zu verabschieden und Dich nicht weiter aufzuhalten mit meinen „grundpositivistischen“ Bibelansätzen und Kommentaren
    Und ich habe verstanden, dass du die Bibel nicht „nur“ als ein historisches Buch siehst. Und vieles andere auch.

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