Vor ein paar Wochen habe ich mich hier schon einmal mit dem Thema Autoritarismus beschäftigt. Nun hat mich Björn Wagner auf einen Artikel aufmerksam gemacht, der das Thema im Zusammenhang mit Donald Trump und dem US-Wahlkampf beleuchtet. Autoritäre Denkmuster sind der Hintergrund für den Überraschungserfolg von Donald Trump und den Aufstieg des Rechtspopulismus.
Wenn Menschen mit autoritären Denk- und Reaktionsmustern verunsichert werden, schreibt Jonathan Haidt, reagieren sie folgendermaßen: „In case of moral threat, lock down the borders, kick out those who are different, and punish those who are morally deviant.“
Nachdem es schwierig ist, von Menschen ehrliche Antworten über ihre politischen Ansichten zu bekommen, Autoritarismus aber eher ein stabiler Charakterzug zu sein scheint als eine flüchtige und nur aus Politische bezogene Präferenz, befragte Stanley Feldman seine Probanden einfach zu ihren Vorstellungen von Erziehung und Elternschaft – und erhielt aussagekräftige Ergebnisse. Die Fragen lauteten:
- Was ist wichtiger für ein Kind: Unabhängigkeit oder Respekt gegenüber Älteren?
- Was ist wichtiger für ein Kind: Gehorsam oder Selbstvertrauen?
- Was ist wichtiger für ein Kind: Rücksichtsvoll zu sein oder folgsam?
- Was ist wichtiger für ein Kind: Neugier oder gute Manieren?
Bisher, sagen die Autoren, spielte der Autoritarismus nur eine Nebenrolle in der Politik, doch der gesellschaftliche Wandel wirkt sich auch hier aus. Waren autoritär denkende Wähler zuvor unter den Sympathisanten allen Parteien zu finden, sammeln sie sich nun bei den Rechtspopulisten. Eine eher apolitische Mentalität wird zu einer aktiven politischen Kraft. Aktiviert wird diese Bewegung durch Verunsicherung und die Furcht vor Bedrohungen von außen. Und furchterregender als die Kandidaten ist dabei der Fanatismus ihrer empörten Unterstützer.
Wenn man die vier Fragen oben betrachtet, dann bekommt man eine Ahnung, wie groß das rechte Wählerpotenzial auf allen Seiten des großen Teichs sein könnte. Noch nicht so ganz klar ist mir indes, ob der Autoritarismus in der Bevölkerung durch diese Aktivierung gerade zunimmt, wie er abgebaut werden kann oder ob man erst einmal damit leben muss und hoffen, dass nur mittelmäßige Demagogen davon profitieren.
Der Zulauf der Autoritären kommt aus allen politischen Lagern, die Zerreißprobe spielt sich im konservativen Spektrum ab. Der Artikel rechnet damit, dass sich die republikanische Partei in einen autoritären und einen moderaten Flügel spalten könnte, bei uns etabliert sich die AfD rechts der Unionsparteien und im kirchlichen Spektrum stehen moderat Konservative vor der Frage, wie sie sich zwischen eher liberalen Christen zur Linken und den zunehmend kompromisslosen Fundamentalisten zur Rechten positionieren sollen. Auf welcher Seite wer am Ende steht, das könnte an der Antwort auf die vier Fragen oben ablesbar sein.
Das ist erhellend und besorgniserregend. Vielen Dank für die Zusammenfassung.
Um es noch komplizierter zu machen: Mir scheint, dass in der letzten Zeit die Pädagogik sich sehr eindeutig positioniert hat. Zumindest in den Schulen, von denen ich weiß, werden sehr stark Unabhängigkeit, Selbstvertrauen, Rücksicht und Neugier gefördert – und gefordert! Mir scheint auch, dass das keine völlig neue Sache ist, sondern schon 10-15 Jahre so läuft.
Und nun haben wir eine Entwicklung in der Politik, wo Menschen, die genau diese Pädagogik genossen haben (es sind ja nicht nur die Alten), in die andere Richtung schwenken.
Besteht da ein Zusammenhang, und wenn ja, wie sollen wir da rauskommen?
Ist Unabhängigkeit vielleicht eine Überforderung? Oder wird sie systembedingt als Anordnung empfunden, gegen die gerade der Wunsch nach einer Autorität eine Rebellion ist?
Oder ist meine Wahrnehmung der Pädagogik vielleicht gar nicht so realistisch?