Taktische Entschuldigungen

Vor ein paar Monaten hatte ich eine etwas heftigere Auseinandersetzung mit jemandem. Am Ende des Gesprächs, in dem mir einige Drohungen um die Ohren geflogen waren, entschuldigte sich mein Gegenüber: „Es tut mir leid, wenn ich dich verletzt habe“. Hatte er, und ich hatte das auch gesagt, nur die drohenden Worte wurden in dem Zusammenhang weder erwähnt noch zurückgenommen. Ich hatte das Gefühl, die unbestimmte Entschuldigung war eher als ein Anreiz an mich gedacht, mich meinerseits zu entschuldigen und dabei hoffentlich auch von meiner Position (von der ich nach dem Gespräch überzeugter denn je war) abzurücken.

Es gibt solche Entschuldigungen, die nur allzu deutlich verraten, dass der, der sie äußert, noch gar nicht verstanden hat, womit er andere verletzt oder ungerecht behandelt hat. Etwa die von Günter Oettinger, der sich nicht für seine missglückte Grabrede für Hans Filbinger, sondern lediglich deren Wirkung entschuldigt hat. Wenn ich dem anderen zu verstehen gebe, dass das eigentliche Problem aus meiner Sicht nicht mein Handeln, sondern seine Reaktion war (und das kann, wenngleich sicher nicht bei Oettinger, ja auch in dem einen oder anderen Fall zutreffen), dann sollte ich mich dafür nicht entschuldigen. Ein „tut mir leid, dass du dich so aufregst“ ist dann nur eine weitere Beleidigung.

Wirklich entschuldigen und um Vergebung bitten kann ich erst dann, wenn ich verstanden habe, was den anderen verletzt hat und meinen Fehler in der Angelegenheit sehen kann – selbst wenn es nur eine Teilschuld ist. Dass jemand etwas an mir auszusetzen hat und sich über eine Entschuldigung freuen würde, ist allein noch kein Grund. So verständlich das Bemühen im einen oder anderen Fall sein mag, Spannungen, deren Ursache man noch nicht durchschaut, durch eine „Entschuldigung“ zu vermindern: Wirklich auf dem Weg der Besserung ist eine Beziehung erst dann, wenn zu dem Bedauern über den Konflikt die Einsicht und der Wille zur Veränderung dazu kommt. Geduldiges Nachfragen hilft da im Zweifelsfall mehr.

Ich habe mir beim Nachdenken darüber vorgenommen, mich vielleicht in Zukunft seltener zu entschuldigen, aber dann richtig.

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13 Antworten auf „Taktische Entschuldigungen“

  1. Eine Entschuldigung könnte ein Einlenken erkennen lassen, derjenige denkt darüber nach, dass er was falsch gemacht hat. So könnte es zu einer Veränderung kommen.
    Manchmal hilft auch wiederholtes, geduldiges Nachfragen nichts, dann muss man annehmen was ist.
    Ich denke an die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi in Burma. Es wird nie zu einer Übereinstimmung zwischen ihr und dem Regime kommen. Da ist es einfach notwendig sich gegenseitig im Anderssein zu akzeptieren.
    Recht und Unrecht klammere ich hier jetzt aus, es ist zweifellos Unrecht geschehn.

  2. Kleiner aber feiner Unterschied, den du da beschreibst. Eine andere Frage ist natürlich, ob man in einem emotional aufgeheizten Gespräch den klaren Kopf und die schnellen Gedanken hat, solche Mechanismen zu durchschauen…

  3. @ Pixelpastor: Wenn ich den Unterschied im Kopf einmal richtig klar habe, dann fällt mir das in der akuten Situation hoffentlich auch schneller auf, was da läuft. Ob schnell genug, das ist eine gute Frage…

    @ Martharia: Klar, wenn sich die Dinge nicht lösen lassen, muss man das annehmen (und sogar manchmal einseitig vergeben). Nur ist dann illusionslos klar, dass das eben keine versöhnte Beziehung ist.

  4. Schön ist in diesem Zusammenhang auch die beliebte Taktik im Umgang mit religiösen Gruppen, in letzter Zeit vor allem Muslimen:

    Diese wüten über Gotteslästerung, der Beschuldigte bittet um Entschuldigung, ihre religiösen Gefühle verletzt zu haben. Als ob das dasselbe wäre. Geht stark in die Richtung „Entschuldige, dass du dich aufregst“.
    Hier bittet einer um Entschuldigung, der entweder seinen Fehler nicht einsieht oder sich nicht traut, zu seiner Äußerung zu stehen. Vielleicht beides ein bisschen.
    Ich würde das aber wahrscheinlich genauso machen. … Tschuldigung! 😉

  5. @peter: ACK (=stimme dir zu)
    @andreas: gesellschaftlich gerne, um political correctness zu wahren

    Kommunikation ist aber auch ein echtes Wunder,
    wenn sie zwischen grundverschiedenen funktioniert. IMHO

    lgc

  6. …ich seh das etwas anders…
    Es gibt natürlich diese Art von „Entschuldigung“, wo man richtig merkt, der andere hats gar nicht kapiert, was er eigentlich getan hat, oder es ist nicht ernst gemeint. Ist mir letztens auch genau so passiert, und ich hatte lange dran zu knabbern, weil ich dachte, jetzt muss ich das Thema dann aber auch gut sein lassen – mir wäre lieber gewesen, der andere hätte sich nicht so schnell „entschuldigt“. (Wobei ich vorher schon bei mir entschieden hatte, zu vergeben – komplizierte Geschichte)

    …aber es kann doch trotzdem auch Situationen geben, wo es einfach so ist, dass man nur für die ausgelöste Reaktion um Entschuldigung bitten kann. Zwei Beispiele: Eben die oben angesprochene Gotteslästerung. Es wird nun mal immer so sein, dass ich mit meinem Absolutheitsanspruch, den ich Jesus einräume, deren Gottesbild verletze. Und das tut mir leid. Denn das ist nicht mein Ziel, dass sie so wütend sind. Aber trotzdem stehe ich weiterhin dazu! Was ist daran falsch?
    Und, ganz anderes Beispiel: Mein Sohn hat sich draussen beim Spielen verzettelt, und kriegt die Hausis nicht rechtzeitig vor dem Fussballtraining fertig. Nachher ist aber keine Zeit mehr. Dann sage ich ihm auch: Es tut mir leid, dass ich dich nicht gehen lassen kann, ich will dich nicht damit ärgern… Aber zum Fussball geht er trotzdem erst, wenn er fertig ist. Wo ist der Widerspruch?

    Liegt es an der Art, WIE man es sagt? Mir ist gerade aufgefallen, dass ich beide Male geschrieben habe „es tut mir leid“. Und nicht „bitte entschuldige“. Ist das einfach nur ein anderer Ausdruck, oder etwas Unterschiedliches? Ich denke, dass in ersterem auch die Bitte nach Vergebung drinsteckt.

    Just my fifty Pence

  7. @Brigitte
    guter aspekt.

    in der erziehung ist es bei uns auch immer wieder mal so,
    obwohl ich ja der kleinen gerne ein angenehmes leben gönne,
    aber wenn ich sie richtig lieb habe muss ich ihr ja auch
    die natürlichen und sozialen grenzen beibringen.

    und wenn die resistenz maximal, empathie dagegen minimal
    ist wenn sie einem anderen kind weh tut, dann trägt sie einfach
    die folgen meiner verantwortlichen reaktion.

    das tut mir ehrlich leid, aber ich würde es jederzeit wieder so
    machen, weil ich völlig überzeugt bin, dass mein verhalten
    „richtig“ ist

    bei gleichberechtigten konfliktpartnern ist das schon etwas anders.
    ich finde es auch schwierig diese gratwanderung zwischen
    respekt vor der anderen einsicht, treue der eigenen ggü. und
    einer angemessenen kommunikation.

    bei persönlichen konflikten zwischen 2 personen kann man aber
    durchaus die motivation des anderen für die „ent-schuld-igung“
    spüren/erahnen. und wenn es dann nur darum geht, die sache
    sauber abzuschliessen um keinen aufwand oder ärger mehr
    damit zu haben finde ich es auch einfach nur „billig“ und unecht.
    das kann dann sogar eine platte lüge sein.

    ist mir mit christen glaub ich auch schonmal passiert.
    die haben ja den anspruch „mit jedem gut zu können“.
    so einfach ist das aber nicht. da ist es manchmal besser,
    den konflikt offen zuzugeben und erstmal reifen zu lassen.
    ist einfach ehrlicher.

    christen habens auch nicht leicht… 😉

    lg conny

  8. oh, und ja, wenn ich merke, dass ich der kleinen ggü. was
    ungerechtes/falsches getan habe, sage ich ihr auch, dass
    es mir „leid tut“, dass es keine absicht war (z.b. angerempelt)

    um verzeihung habe ich sie noch nie gebeten,
    das wäre mit 2J vielleicht auch noch schwierig…

    lgc

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