Auf meinen Wegen kreuz und quer durch München kam ich an vielen Kirchen vorbei – barocke, neoklassizistische, ein paar moderne und etliche undefinierbare. Nicht wenige Kirchenbauten in dieser Stadt kommen etwas monströs daher, als orientierten sie sich am monumentalen Stil ihrer Umgebung, etwa das markante Templer-Kloster in Giesing mit seinem 87 m hohen Zwiebelturm.
Vor allem aber wirken sie heute oft wie Kleider, die nicht mehr passen. Die Gemeinden sind geschrumpft, sie frösteln zwischen den kalten Wänden und füllen den üppigen Raum, der so viel von ihren Energien schluckt, nur noch selten. Diese musealen „Liegenschaften“ stehen herum wie die abgestreifte Haut eines Lebewesens, das nach der Häutung aber nicht größer, sondern kleiner wurde. Wie ein Abdruck des Gewichts, das die Kirche einmal besaß – oder vielleicht auch bloß anstrebte.
Ich fragte mich, ob auch solche Kirch-Türme aus der Angst heraus gebaut wurden, die Gemeinden könnten sich verlaufen und zerstreuen (wie beim Turmbau zu Babel in Genesis 11, nur dass in diesem Fall nicht der Bau scheitert, sondern der Versuch, ihn weiterhin zu bewohnen). Ist am Ende so manche Theologie des sakralen Raumes eher der Ausdruck einer gewissen Unfähigkeit, Gott in dieser chaotischen, unruhigen, widersprüchlichen, oft problematischen, aber auch so lebendigen, vielstimmigen und ständig Neues hervorbringenden Welt anzutreffen?
Fungiert die Art, wie Gemeinden (klar: nicht alle, aber doch so manche) die Geschichte ihrer Bauten gern erzählen, nicht hin und wieder als Versuch eines Gottesbeweises, der doch ebenso unbefriedigend bleiben muss wie seine metaphysischen und formallogischen Vorläufer?
Ich saß, während ich über diese Dinge nachdachte, auf einer Bank, die zwischen zwei Reihen alter Buchen stand. Es nieselte, aber die Bäume hielten mich trocken und der Himmel über mir war etwas grau, aber offen und voller Leben.
Ich kenne auch schöne und zweckmäßige Kirchenräume. Aber ich fürchte, wir halten sie auch dann noch gern für schön und zweckmäßig, wenn sie es schon längst nicht mehr sind. Ich plädiere auch nicht für die Abschaffung von Kirchengebäuden. Wohl aber dafür, den Blick für Gottes verborgene Anwesenheit an all den gewöhnlichen Orten zu schärfen, und Gott vor allem nicht anhand von Immobilien, sondern unter den Menschen nachzuspüren, nicht im Damals, sondern im Heute.