Die Grenzen der Gewaltfreiheit und der Fluch der Gewalt

In den letzten Wochen, seit dem Angriff auf die Ukraine, haben wir viel und auch kontrovers über Gewaltlosigkeit diskutiert. Was hätte Walter Wink wohl zu dem allen gesagt? Hier ein Zitat aus „Engaging the Powers“, das ich kürzlich beim Blättern wieder entdeckt habe. Das Buch erschien nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und atmet erkennbar den Optimismus der frühen 90er im Blick auf eine immer demokratischer werdende Welt. Aber es gibt dort auch Sätze wie diese:

»The truth is, nonviolence generally works where violence would work, and where it fails, violence too would fail. Neither might have been effective in Stalin's Russia (!), and neither has succeeded so far in Burma. 
… There may be situations so extreme that one cannot conceive of any alternative to violence. Even where no nonviolent alternative seems feasible, however, most aggressive, violent options will be worse. But time may come when an oppressive power has squandered every opportunity to do justice, and the capacity of the people to continue suffering snaps. Then the violence visited on a nation is a kind of apocalyptic judgement that leaves no one unscathed.
… Christians have no business judging those who take up violence out of desperation. The guilt lies with those who turned justice aside and did not know the hour of their visitation.«

Hätte Wink andere Töne angeschlagen als Harald Welzer (den ich normalerweise sehr schätze), wenn er am Wochenende mit dem Ukrainischen Botschafter diskutiert hätte? Die Zeilen oben legen es nahe.

Wink konnte damals den Kampf der Sandinistas in Nicaragua auch verständnisvoll kommentieren. Er hoffte freilich auch, dass Daniel Ortega und seine Mitstreiter die Waffen bald niederlegen und ausmustern würden. Der Fortgang der Geschichte gibt ihm in seiner Skepsis Recht: Ortega mutierte (wie etliche vor ihm) vom linken Rebellen zum Despoten und Begründer einer Familiendiktatur. Wer also einmal mit Gewalt zum Ziel gekommen ist, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit immer wieder versuchen.

Wink schrieb von einem apokalyptischen Gericht. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges schrieb – passend dazu – William Butler Yeats in „The Second Coming“:

Things fall apart; the centre cannot hold;
Mere anarchy is loosed upon the world,
The blood-dimmed tide is loosed, and everywhere
The ceremony of innocence is drowned;
The best lack all conviction, while the worst
Are full of passionate intensity.

Alles fällt, entgleitet, keine Mitte hält.
Anarchie stürzt auf die Erde los.
Flut dunklen Blutes stürzt und schwemmt
der Unschuld Feier überall hinweg.
Die Edlen lähmt erloschner Glaubenssinn,
Glut der Inbrunst macht die Wilden heiß.
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