Kürzlich habe ich hier etwas geschrieben über die Notwendigkeit, Kirche nicht primär von den „Vätern“ her zu denken und zu entwickeln, sondern eher als „Haus von morgen“ zu begreifen.
Wenn wir das tun, sind wir in guter Gesellschaft. Zwei aktuelle Beispiele möchte ich hier kurz nennen:
Arnd Bünker hat auf feinschwarz.net über die Bedeutung des Verlernens in kirchlichen Bildungsprozessen geschrieben. Er diagnostiziert eine „Gefangenschaft in alten Kirchenbildern“, die in ihrer unhinterfragten Selbstverständlichkeit der gegenwärtigen Situation nicht mehr entsprechen: Im Personalwesen, in der Orientierung an den Sakramenten, in der Pfarrei als dominierender Sozialform. Um wieder handlungsfähig zu werden, müssen wir manches erst verlernen. Das erfordert Zeit, gezielte Übung, neue Lernformen, Vertrauen in die Prozesse und Hoffnung auf Verbesserung – und eine Spiritualität, die das alles trägt und belebt. „Sonst fliesst immer mehr Energie in das Bemühen um den Erhalt letzter Biotope kirchlicher Vergangenheit“, warnt Bünker. „Dies mag hier und da gelingen, aber es verhindert die Fähigkeit der Kirche zur zeitgenössischen Solidarität mit den Menschen, deren Alltag ja auch in ständigen Veränderungen besteht – mit allen Chancen und Risiken.“
Das ist ja nicht nur in Deutschland so. So stellt Alan Roxburgh aus Vancouver in einem Blogpost fest: Kirchenleitungen und Kirchenreformen der „Euro-Tribal Churches“ (treffende Formulierung…) setzen weithin auf technische Rationalität, Management und Kontrolle, sie neigen zum Ekklesiozentrismus und zur einseitigen Fokussierung auf Hauptamtliche. In dieser Hinsicht sind sie typisch modern. Gott wird dabei unter der Hand zum nützlichen Symbol für die Säulen des modernen Westens – den Nationalstaat, den Konsum-Kapitalismus und das (therapeutische) Selbst. Erneuerung, Reform und Innovation scheitern, weil sie an diesen Selbstverständlichkeiten nicht rütteln.
Entsprechend redet Roxburgh nicht mehr von „Reforming“, sondern „Refounding“ – einer Neubegründung von Kirche im säkularen Westen. Die seßhafte Kirche, die sich in ihren alten und modernen Immobilien eingerichtet hat, wird wieder zur Pilgerkirche. Er zitiert den spanischen Dichter Antonio Machado (1875-1939), der schrieb: „Wanderer, es gibt keinen Weg. Der Weg entsteht beim Gehen.“
Die spirituelle Dimension dieses Kulturwandels liegt darin, beim Gehen gemeinsam auf Gott zu hören und so neue Pfade zu bahnen. Roxburgh schreibt in seinem Post an dieser Stelle von „Trail and Error“ – das könnte ein Tippfehler sein, aber dann wäre es eher ein sinnerhellender statt ein sinnentstellender „Fehler“. Einer jener Fehler, für die im Verlernen des vormals Selbstverständlichen Platz sein muss. Um Bünker noch einmal zu zitieren: „Niemand kann sich auf Neues einlassen, wenn es dazu im Umfeld keine Kultur des Vertrauens gibt. Diese signalisiert den Willen zur Veränderung ebenso wie Offenheit für Experimente und deren mögliches Scheitern.“
Die Chance läge darin, nicht nur Kirche, sondern auch Gott neu zu entdecken.