Als Dallas Willard letzte Woche starb, habe ich mich erinnert an das Gespräch mit einigen Freunden während der Wochen über Tod und ewiges Leben. Unter anderem kamen wir auf den traditionellen Leib-Seele-Dualismus, nach dem die Seele das ist, was von einem Menschen übrig bleibt, wenn der Körper stirbt und verwest. Die immaterielle „Seele“ ist zugleich das Ewige, der Leib das offenkundig Vergängliche.
Platon, von dem dieses Modell stammt, hatte sich die Seele feinstofflich vorgestellt, für ihn handelte es sich um eine Substanz. Heute wissen wir, dass es so nicht funktioniert. Es wird überhaupt zunehmend schwerer, diese dualistische Sicht des Menschen aufrecht zu erhalten. Unsere ganze Person ist leiblich. Alle unsere Empfindungen, Wahrnehmungen, Erinnerungen, Gedanken, Bewusstsein und unbewusstes, unser Selbst oder wie man das auch nennen mag, existiert in einer verleiblichten Form und kann davon höchstens gedanklich abstrahiert werden, aber nicht gelöst. Dallas Willard hingegen hatte „Seele“ als die Gesamtheit der geistleiblichen Existenz des Menschen samt aller Beziehungen bestimmt – das Lebewesen samt Bewusstsein und aller Verhältnisse in die Welt hinein. So ganzheitlich verstanden ist „die Seele“ – der Mensch – also keineswegs ewig, sondern eminent sterblich. Ohne Leib gibt es kein Weltverhältnis mehr.
Eine verbreitete Gegenposition zu Platon wäre nun, mit vielen anderen zu sagen, das Ganze ließe sich auf rein materielle neurobiologische Prozesse reduzieren und wäre dann mit dem Abbruch der Körperfunktionen auch erledigt. Dann wäre der Tod das unwiderrufliche Ende der Person, alle Nahtoderfahrungen Illusion und der Horizont aller Hoffnung radikal begrenzt.
Der Glaube an die Auferstehung von den Toten liegt zwischen diesen Extremen und mutet uns einiges an Denkarbeit zu: Wenn nämlich die Seele keine Substanz ist, die ihre Hülle verlustfrei abstreift und in den Äther verschwindet, wie muss lässt sich dann das Weiterleben eines Menschen nach dem physischen Tod denken? Der Auferstandene wird in den Evangelien ja nicht als immaterieller „Geist“ geschildert. Zugleich sah er offenbar anders aus als vorher – erst das, was er sagte, machte ihn identifizierbar.
Dallas Willard hat sinngemäß gesagt, der Mensch sei eine Abfolge bewusster Erfahrungen. Ich würde das ganz ähnlich sagen – das Wesentliche an mir ist meine Geschichte: meine Erinnerungen, was mich durch die die Beziehungen zu anderen erreicht hat und was umgekehrt bei anderen angekommen ist (also die geteilte Erinnerung). Ich könnte mir vorstellen, dass bis zur Auferstehung der Toten, die ja noch aussteht, diese Erinnerungen bei Gott (dem einzigen anderen Wesen, das sie lückenlos kennt) aufgehoben sind, bis sie in einer anderen Dimension, aber keineswegs außerhalb dieser (dann geheilten und vollendeten) Welt, leiblich auf den Plan treten. Auch wenn ein technischer Vergleich zwangsläufig hinkt: Gott hätte so gesehen ein „Backup“ meines Lebens und Bewusstseins in seiner Erinnerung, das irgendwann auf neuer, kompatibler „Hardware“ wieder „lauffähig“ ist. Freilich haben wir (zumindest wenn wir vergessen, dass es nur eine Metapher ist) statt eines Leib-Seele-Dualismus den von Soft- und Hardware.
Eine offene Frage ist dabei noch, wie es sich mit der Zeit verhält. Vielleicht gibt es auch gar kein subjektiv erlebbares Intervall zwischen „jetzt“ und „dann“ – so wie man ja auch nicht weiß, wie lange man geschlafen hat, bevor man wachgeküsst wurde; oder weil die Lücke nur aus unserer Perspektive linear ablaufender Zeit im dreidimensionalen Raum entsteht und unter den Bedingungen der neuen Welt (oder wie Tom Wright gern sagt: im „Leben nach dem Leben nach dem Tod“) andere Gesetze gelten. Vielleicht besteht also zwischen dem „entkleidet werden“ und dem „überkleidet werden“, von dem Paulus in 2.Kor 5 schreibt, gar kein so großer Unterschied?
Ich habe das Gefühl der Bezug auf unser „Weltverhältnis“ passt auch zu unserem heutigen Paradigma des „Relationalen“. Wir sind durch unsere Beziehungen, unsere Netzwerke, unsere geteilten Erfahrungen das was wir sind. Was zählt ist nicht Status oder Besitz sondern Erlebnisse. Das passt zum Lebensgefühl.
Außerdem fand ich es schon lange bedenkenswert, wie die Idee einer Auferstehung zusammenpasst mit einer Unsterblichkeit der Seele. Wozu bräuchte es eine Auferstehung, wenn es darum geht in der unsichtbaren Welt mit Gott zu sein, wenn das eh bevorsteht? Natürlich ist die Vorstellung, dass mit uns wirklich Schluss ist nach dem Tod krasser im Vergleich zu einer Wanderung des eigentlichen Menschen (der Seele) in andere Sphären. Aber damit ist die lebensschaffende Wirkung als Gnade und Geschenk Gottes in der Auferstehung stärker hervorgehoben.
Durch das Backup in „der Cloud“ eröffnest du natürlich, wie du auch schon andeutest, neue Fragen. Eine Frage wäre verbunden damit wie wir Gottes Schöpfungshandeln bisher verstehen.
Etwa ob es ein Ton machen und formen (machtvoll, ex nihilo) ist. Das würde es einfacher machen das Backup in eine neue Realität einzufügen
Oder ob es eine fortlaufende, evolutionäre Transformation (anziehend, von nix kommt nix) ist. Dann wäre die Frage aber eh wie das völlig neue (Jesus, Neue Zeit) anbricht, aber eben auch wie der Weg vom Tod über das Backup zum Leben führt.
Oder – Ich merke, dass ich auch mal wieder einen Dualismus aufgemacht habe 🙂 – vielleicht nochmal ander….
Ja ich finde das tatsächlich eine Frage über die man weiter nachdenken muss, weil das die Art Fragen sind, die einen auch gerne in der Schule etc. gestellt würden.
Ich finde es zunehmend schwerer eine nicht-leibliche Existenz anzunehmen und auch gerade der Erfahrungbegriff wäre hier doch noch einseitig kognitiv – sind nicht unsere Erfahrungen leiblich kodiert, sind sie uns nicht „auf den Leib geschrieben“. Die Falten im Gesicht, die Gesten und die Mimik, die wir uns angewöhnt haben. Es ist ja doch etwas anderes zu sagen wir existieren weiter oder zu sagen, in Gott sind unsere Erfahrungen aufgehoben. Weil letzteres kann ich mir nur entweder als eine Art himmlisches Archiv oder als ein „Aufgehen im Absoluten“ verstehen, was beides eine Ent-Individualisierung impliziert.
Vielleicht spricht doch einiges für die Ganztod-Theorie, wobei immer noch Jesu Worte bleiben: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“.
Ich finde auch, dass recht viel für die Ganztod-Theorie spricht. Meine Frage war ja eher die nach dem „Zwischenzustand“ gewesen, oder eben die nach der Kontinuität. Dass unser derzeitiger Körper nach dem Tod verwest, ist ja unbestritten. Dass unser Bewusstsein an den Körper gebunden ist, aber nicht mit ihm identisch, ist die andere Seite.
Wenn etwas vorübergehend (!) aufgehoben ist irgendwo, dann kommen freilich keine neuen Erfahrungen hinzu in dieser Zeit, sondern erst wieder, wenn die leiblichen Voraussetzungen dafür wieder gegeben sind. Insofern passt die Metapher vom Schlaf ganz gut, aber es wäre ein tiefer und traumloser Schlaf. Oder eben „Archiv“, „Cloud“ etc.
Aber das Thema Falten im Paradies wäre noch eine lange Meditation wert! 🙂 Oder analog die Wundmale beim johanneischen Jesus: Behält er die auf ewig, oder heilen sie, und wenn ja, wann? Warum fielen sie den Emmausjüngern nicht auf – oder weiß Lukas nichts davon?
Oh die Wundmale Jesu nimmt ja Moltmann als Grundlage für seine Theorie der Passion Gottes: Gott lässt sich von seiner Welt verwunden und diese Wunden reichen eben bis in Ewigkeit (IX als das ewige Lamm Gottes, das geschlachtet wurde). So wird der UNterschied zwischen immanenter und ökonomischer Trinität auch relativiert, weil das Kreuzgeschehen bis in die ewigen tiefen der Trinität reicht.
Sympathische Spekulation. Hat Moltmann eine Theorie, warum die nur bei Johannes erscheinen? Ich musste an Volf denken und die Frage nach dem Vergessen, die er so ausführlich behandelt. Wenn alle anderen Wunden geheilt sind, behält der Sohn die seinen?
Bibeltexte meditierend würde ich zunächst poetisch sagen:
Weil wir durch seine Wunden geheilt sind.
Das ist natürlich keine logische Antwort, aber ist die Metapher von Wunden, die andere heilen, logisch?
Bei Volf hat das Vergessen ja die Funktion, dass der Schmerz, den Menschen einander zugefügt haben, keine Bedeutung mehr für ihre Beziehung haben soll, nicht einmal als vergebener (und als vergeber immer wieder vorgehaltener) Schmerz. Der Schmerz, den Christus auf sich genommen hat, hat dagegen sowohl bei Volf als auch in der Bibel eine andere Bedeutung.
In Volfschen Kategorien, wenn ich ihn recht verstanden habe, sind unsere Wunden es, die uns in der Spirale der Gewalt (und sei es unterdrückter Gewalt) und Gegengewalt festhalten, während Jesu Wunden zeigen, dass er diese Spirale durchbrochen hat.
So kann wohl auch er etwas mit dem „durch seine Wunden sind wir geheilt“ anfangen – ohne, liebe prä-emergente Leser, dass sich die Bedeutung darin erschöpfen würde.
Hab ihn jetzt fast durch. Spannendes Buch! Und der zweite Teil liest sich flüssiger.
Vielen Dank für die Gedanken! Die Metapher von Software und Hardware benutze ich auch gern, um das ewige Leben zu erklären. Es ist eine andere Form von Dualismus, weniger die voneinander trennbarer Substanzen (wie bei Platon), sondern von Materie und Information, die jede für sich unbrauchbar sind. Das scheint mir eine angemessenere Metapher zu sein. Und ganz ohne einen „Dualismus“ kommt ja auch die Bibel nicht aus. Auch wenn sie mir meistens eher verschiedene Aspekte des einen Menschen zu meinen scheint als verschiedene Teile.
Mir scheint aber, dass diese Art von „Software“, die bei Gott „zwischengespeichert“ ist, in der Bibel eher in dem Wort „Geist“ zu finden ist als in „Seele“ bzw. eher in „ruach“ als in „nefesch“ (Ps. 31,6; 146,4). Das „nefesch“-Konzept entzieht sich wohl wieder dem Hardware-Software-Dualismus, aber das würde evtl. diesen Rahmen sprengen.
Stimmt, Andreas. Ich habe „Seele“ nur genommen, weil der gängige Dualismus das Stichwort öfter benutzt als „Geist“. Den „befiehlt“ Jesus in Gottes Hände, das passt sehr schön. Und es läge näher an hetigen Vorstellungen von „Bewusstsein“ und „Lebensenergie“.
Wie gesagt, die Computeranalogien darf man nicht überstrapazieren.
Ähm, ich komm grad durcheinander. Wieso Software? So wie ich das verstanden hab, wären das doch nur Daten (Konfigurationsdaten und Erinnerungsspeicher meinetwegen), die der Seele entsprächen. Die Software würde dann auf zwar auf der Hardwäre (Körper) laufen, aber eben mit den Seelendaten. Die Software entspräche dann wohl dem Leben, das wie der Körper enden kann.
Allerdings komm ich da mit den Begriffen ruach, näfäsch, psyche und pneuma durcheinander. Wennich es recht im Kopf habe, wäre ruach=pneuma und näfäsch=psyche. Näfäsch bedeutet auch Leben, wird aber auch mit Seele übersetzt. Die Daten wären dann der Geist, aber ist der wirklich ohne Leben vorstellbar?
Jedenfalls sollte man eins nicht tun: die platonischen Begriffe und die biblischen verwechseln, denn selbst wenn es die gleichen Wörter sind bedeuten sie wohl ganz andere Dinge.
Sehr hilfreich fand ich Jüngels relationale Erklärung, die lautete grob: Der Mensch ist Geist, insofern er ein Gottesverhältnis hat, er ist Seele, insofern er ein Selbstverhältnis hat, und er ist Leib, insofern er ein Weltverhältnis hat. Jeder dieser Begriffe beschreibt die ganze Person unter einem bestimmten Gesichtspunkt. Der Tod ist das Ende aller Beziehung, die absolute Verhältnislosigkeit. Und damit ist die Auferstehung nicht die Belebung eines Restfünkchens, sondern eine komplette Neuschöpfung. Aber eben eine, in der das, was war, wieder zu leben beginnt. Und das wären tatsächlich die „Daten“, weil es zwischen dem sterblichen Leib und dem neuen offenbar keine materielle Kontinuität gibt.
Wenn man den Leib hingegen nicht als Ansammlung von Masse und Molekülen versteht, sondern ebenfalls relational als eine bestimmte Konfiguration oder ein komplexes Muster (die Bausteine werden ja jetzt schon permanent ausgetauscht), dann kann auch das irgendwie rekonstruiert werden.
Da kommt jetzt zweimal „Geist“. Ich glaube „Leib“ war Weltverhältnis, oder?
So ist es – ich hab’s ausgebessert, danke!
Ich finde, das ist ein sehr spannendes Thema, mit dem ich mich auch immer mal wieder spielerisch auseinandersetze, wohl wissend, dass dies letztlich nur Spekulation ist.
Ich glaube, dass wir mit dieser „Daten“-Theorie ein wenig auf dem Holzweg sind. Meiner Meinung nach reichen Daten nicht aus, um ein Individuum zu definieren.
Ich glaube, das entscheidende Element ist das Selbstbewusstsein, dass ich weiß, dass ich „ich“ bin. Kann man Seele oder Geist oder was auch immer nennen. Der Körper, wie Peter schon sehr richtig gesagt hat, erneuert sich ständig, die Moleküle und Zellen werden permanent erneuert, da bleibt nicht mehr viel nach einigen Jahren von dem übrig, was einmal war. Das Gedächtnis, also die „Daten“, sind das, was ich im Laufe der Zeit erfahren, erlebt habe. Auch das kann mehr oder weniger werden, dennoch bleibe ich „ich“. Und ich bin schon am Anfang des Lebens, frisch geboren, ein eigenständiges Lebewesen, das noch nicht weiß, was es ist und den ganzen Rest erst kennenlernen, erfahren muss. Aber: Wenn ich nur diese „Daten“ nehmen würde, dann hätte ich vielleicht die Fakten, aber nicht mein Selbstbewusstsein, mein „ich“.
Ich fand den Film „the 6th sense“ ganz interessant. Es geht darum, dass „der Böse“ wichtige Persönlichkeiten tötet und klont (dabei auch den Inhalt des Gehirns komplett kopiert), um sie für sich arbeiten zu lassen und damit mal wieder die Weltherrschaft zu erlangen. Dabei klont er auch immer wieder seine Killergehilfen, damit sie weitermachen können, wenn sie tot sind. Nette Idee, mit einem großen Fehler: Es ist nicht die selbe Person, nur eine täuschend echte identische Kopie – sie hat zumindest nicht das gleiche „Selbstbewusstsein“ wie die gestorbene Person. Vollends klar wird das, wenn die gleiche Person zweimal da ist, der Klon und das Original. Die beiden können nicht das identische Selbstbewusstsein haben.
Ich bin überzeugt, dass man noch so intelligente Computer mit perfekt logischer menschliche nachgebauter Intelligenz bauen kann – sie werden kein Selbstbewusstsein empfinden, höchsten vortäuschen.
Genauso bin ich bin davon überzeugt, dass da bei uns noch mehr ist als bloße „Daten“ – etwas einmaliges, welches mich zum „ich“ macht, und damit zu mehr als eine bloße biologische Masse, die, zwar hochkomplex, aber doch nur nach bestimmten undeterministischen Regeln „funktioniert“.
War 6th sense nicht der Fim mit Bruce Willis, wo der erst mit der Zeit erfahren hat, daß er tot ist…?
Was die „Daten“ angeht. Ich hab die nie bloß als Summe der Erinnerungen angesehen, sondern auch alles, was uns sonst noch ausmacht. Unsere Beziehungen und all das. Nicht nur das bloße Wissen. Das bedeutet dann auch: Relationen zu anderen Menschen, also quasi Links (um die Computermetapher noch ein wenig weiter zu strapazieren). Dazu gehört dann auch der Selbstbezug (Stichwort Selbstbewußtsein) und natürlich der Gottesbezug.
Upps, mein Fehler – ich meinte „The 6th Day“ -> http://de.wikipedia.org/wiki/The_6th_Day
Mein Selbstbewusstsein ist aber mehr als nur ein „Link“ zu mir selber. Das reicht nicht. Auf jeden Fall ist es mehr als das, was man irgendwie „kopieren“ kann.
Blöde Frage: Wieso? Ich mein das geht ja täglich im Schlaf weg und kommt dann wieder, es dürfte also doch aus irgendwas in uns ableitbar sein. Und wieso sollte man das nicht „kopieren“ können? Irgendwie muß es ja kopiert werden, wenn Gott ne Neuschöpfung macht und wir vom Fleischleib in den Geistleib kommen…? Ich kann mir jedenfalls kaum etwas vorstellen, das man nicht kopieren könnte.
Und ja, das würde Klonen implizieren. Nur wenn man den Klon laufen läßt, dann verändert sich dessen Person ab dem Moment, wo er als anderer herumhüpft, gegenüber dem Original. Er ist also nicht mehr identisch. Die Identität beschränkt sich darauf, wie wir alle zum Zeitpunkt unserer Zeugung identisch sind. Der Anfang ist irgendwie bei allen gleich, aber dann ist bei jedem individuell alles anders, wir entwickeln uns anders und sind verchieden…
„Blöde Frage: Wieso? Ich mein das geht ja täglich im Schlaf weg und kommt dann wieder, es dürfte also doch aus irgendwas in uns ableitbar sein. Und wieso sollte man das nicht “kopieren” können?“
Gott kann alles „kopieren“, das ist klar. Mein Selbstbewusstsein geht nicht täglich im Schlaf weg, oder wie schläfst du? Ich kann mich ja sogar meist noch an die Träume erinnern.
„Und ja, das würde Klonen implizieren. Nur wenn man den Klon laufen läßt, dann verändert sich dessen Person ab dem Moment, wo er als anderer herumhüpft, gegenüber dem Original. Er ist also nicht mehr identisch.“
Und ab dem Zeitpunkt hätte der Klon ein anderes Selbstbewusstsein, dass er also eine andere Person ist? Hmm, merkwürdig…
„Die Identität beschränkt sich darauf, wie wir alle zum Zeitpunkt unserer Zeugung identisch sind. Der Anfang ist irgendwie bei allen gleich, aber dann ist bei jedem individuell alles anders, wir entwickeln uns anders und sind verchieden…“
Nee nee, so ist das nicht. Wir sind schon von Anfang an völlig unterschiedlich. Das konnte und kann ich bei meinen eigenen Kindern gut beobachten.
Ich gehe von dem aus, was die Naturwissenschaften beisteuern können. Man stirbt, die Überreste vergehen und werden auf die eine oder andere Art wieder in den großen Kreislauf der Natur einbezogen. Dazu passt für mich praktisch nur ein Monismus.
Was ich noch logisch vertretbar finde, ist, dass nach dem Tod nicht die gewohnte Zeitvorstellung weiter läuft und man nach einer Zahl von Jahren dann wieder auferweckt wird, sondern dass man mit dem Tod die Dimension Zeit verlässt. Dazu passen die immer wieder berichtete Erfahrung des kurz vor dem Tod innerhalb kürzester Zeit als Film ablaufenden Lebens und verschiedene andere Nahtoderfahrungen.
Interessant finde ich aus dem wissenschaftlichen Bereich in diesem Zusammenhang noch die Vorstellung eines kollektiven Unbewussten aus der Psychologie (C.G.Jung), die Quantenverschränkung mit ihrer von Einstein so genannten ’spukhaften Fernwirkung‘ und sowie die Ergebnisse der Epigenetik. Diese lassen in einem eng begrenzten Rahmen Spekulationen zu, die über das platte ‚Wenn ich tot bin, bin ich tot‘ hinausgehen.
Mein christliches Verständnis drückt sich darin aus, dass ich auf das Versprechen einer Gemeinschaft mit Gott vertraue, die auch im Sterben, im Tod und danach Bestand hat. Was konkret passieren wird, male ich mir nicht aus und habe auch keine Neigungen, hierüber dogmatische Diskussionen zu führen oder zu verfolgen.
„Dazu passen die immer wieder berichtete Erfahrung des kurz vor dem Tod innerhalb kürzester Zeit als Film ablaufenden Lebens und verschiedene andere Nahtoderfahrungen.“
Ich glaube, dass diese Nahtoderfahrungen wenig mit dem eigentlichen „Tod“ zu tun haben. Solange man diese erlebt, ist man noch nicht tot, das Gehirn funktioniert noch. Erst wenn die Gehirnfunktionen zu Ende sind, ist man wirklich tot, und davon gibt es auch kein zurück mehr. Alle Nahtoderfahrungen sind meiner Meinung nach biochemische Prozesse, die ablaufen. Der „Film“ ist wieder etwas anderes, vielleicht, weil man, den Tod vor Augen (kurz vor FLugzeugabsturz z.B.) sein Leben nochmals Revue passieren lässt… Keine Ahnung, ich war zum Glück noch nie in der Situation.
Sicher, Nahtoderfahrungen sind nicht der Tod. Vielleicht sind Nahtoderfahrungen aber wirklich das Letzte, was wir haben. Über das Danach weiß niemand etwas, auch Gläubige sind da nicht privilegiert.
Wichtig finde ich auch Deinen Satz „davon gibt es auch kein zurück mehr“. Meiner Meinung nach gibt es in der Natur sowieso kein Zurück, nie und nirgends, es geht immer nur in neue, andere Zustände.
Ich finde, wenn man Erinnerungen nicht reduktionistisch als „Daten“ beschreibt (das klingt so „digitalisiert“), dann passt das mit dem „Leben als Film“ gar nicht schlecht.
Ich bin bei Nahtodstories ja auch eher der Skeptiker, aber es sagt vielleicht doch etwas aus über unser „Selbst“, dass diese Erinnerungen angesichts des Todes plötzlich an die Oberfläches des Bewusstseins kommen.
@Peter: Nachtrag zu den Wunden des Sohnes:
Nachdem ich gestern meinen Kommentar geschrieben habe, kam ich heute zu Volfs Abschnitt über den „Reiter auf dem weißen Pferd“ und das „Lamm auf dem Thron“.
„Die Herrschaft des Lammes wird nicht mit dem ‚Schwert‘ legitimiert, sondern von seinen ‚Wunden’…“ (S. 402)
Da hätte es eine gewissen Plausibilität, wenn der Sohn seine Wunden behält.
Insgesamt ein wunderbares Kapitel.