Als Spiegel-Online Leser habe ich diese Woche zwei Meldungen aufmerksam verfolgt:
Wolfgang Schäuble grenzt sich scharf gegen die AfD ab und macht aus seiner herzlichen Abneigung gegen das Programm und den Politikstil der Rechtspopulisten keinen Hehl: Sie sind „eine Schande für Deutschland“.
Xavier Naidoo zeigt sich am Nationalfeiertag in Berlin angeblich „privat“, aber dann eben doch ganz öffentlich, auf Veranstaltungen stramm rechter Gruppen (der „Reichsdeutschen“) und nennt Jesus als Vorbild dafür, denn der – so gibt SPON das sinngemäß wieder – habe sich ja auch von niemandem distanziert.
Wirklich nicht?
Es gibt ja auch im bunten Chor des Christentums ausgesprochen grenzwertige Stimmen. Muss ich „im Namen der Liebe“ also gute Miene zu deren Spiel machen (das wünschen sie sich natürlich, obwohl sie selbst oft mächtig holzen gegen andere), oder sollte ich lieber Schäubles Ansatz wählen und sagen, dass ich manche Positionen äußerst unsympathisch finde und auf gar keinen Fall mit denen in einen Topf geworfen werden möchte, die sie vertreten?
Muss ich, um es konkret zu machen, Xavier Naidoo verteidigen, weil er Christ ist? Oder sollte ich lieber hoffen und beten, dass er aus der Kritik lernt, die er jetzt zu hören bekommt? Und dass meine christlichen Bekannten, die (warum auch immer) die AfD super finden, merken, dass das weder für Deutschland noch für die Christenheit ein Ruhmesblatt ist?
Die Herausforderung wäre wohl „Schimpfen und Schmusen“.
Mit unseren Kindern machen wir es doch auch so. Schimpfen über schlechtes Verhalten. Schmusen mit ihnen, weil sie unsere Kinder sind.
Das ist mit Geschwistern schon schwieriger, den leiblichen wie den geistlichen. Aufgeben würde ich das Ideal trotzdem nicht wollen, auch wenn ich noch rätsle, wie ich das praktisch machen würde.
Ja, auf die Praxis, die beides verbindet, wäre ich jetzt gespannt. Mit den Reichsdeutschen würde ich wenigstens öffentlich nicht „schmusen“…
Die „Reichsbürger“ habe ich im letzten Absatz deines Beitrags jetzt nicht entdeckt, sondern vor allem die Christen, deren Positionen man inakzeptabel findet. Über den Umgang mit denen würde ich gern weiter nachdenken.
Spener hat da schon im 17. Jahrhundert die damals völlig neuartige Kategorie „irrende Brüder“ gefunden.
Könnten wir zu einer Kultur finden, in der man sich politisch zofft und gemeinsam Gottesdienst feiern kann – und beides öffentlich?
Ja, meine Erfahrung ist nur die (und ich bin sicher nicht der einzige), dass Leute nur sehr ungern mit mir Gottesdienst feiern, wenn ich mit ihnen ihnen (wie indirekt auch immer) Kontroversen öffentlich austrage. Wünschenswert wäre es freilich.
Ohne Dich oder die Gesprächspartner persönlich zu kennen, scheint es doch die Erfahrung der meisten zu sein, dass es die je anderen sind, die nicht wollen.
Anscheinend genügt es nicht, die Bereitschaft und Einladung auszusprechen, sondern die Verbundenheit müsste sich auch während des Konfliktaustragens zeigen. Das würde das Bewusstsein schärfen, dass es nur die zweitwichtigsten Dinge sind, über die gestritten wird.
Und genau in der Bewertung scheint das Problem zu liegen: Nicht die Beantwortung bestimmter Fragen wird zum Konflikt, sondern die Beurteilung ihrer Wichtigkeit.
Immerhin, wenn beide Seiten den Wunsch teilen und sein Scheitern als schmerzhaft empfinden, ist die Verbindung noch nicht abgerissen.