Optimismus: Rosa Brille

Immer noch beim Thema Hoffnung, nun am Geo-Heft vom Oktober: “Die Kraft der Zuversicht”. Da wird Hoffnung mit einer rosa Brille “aus der Trickkiste der Evolution” verglichen. So funktioniert sie in der merkwürdig doppelbödigen Beschreibung der Wissenschaft:

… eigentlich wiegt das Negative in unserem Leben viel schwerer. (…) Was also tun? Die Antwort: die positiven Kräfte “künstlich” stärken. Täuschen! Belügen! Beschummeln! Und zwar uns selbst. “Positive Illusionen”, “optimistische Fehlschlüsse” oder “unrealistischen Optimismus” nennen Psychologen dieses Phänomen.

Münchhausen hätte seine helle Freude an dieser Sache. Liebe Evolution, danke für diese großartige Möglichkeit, mich über die – bei nüchterner Betrachtung: trostlose – Realität hinwegzulügen. Und weil mit dem Tod für mich als Individuum aufgrund deiner fürsorglichen Fügung auch wirklich alles aus ist (auch wenn meine Moleküle recycelt werden), taugt die Strategie für die verbleibende Zeit auch bestimmt. Falls mich die Zuversicht aufgrund einer Stoffwechselstörung unerwarteterweise doch noch verlässt, kann ich ja den Zeitraum bis zum gnädigen Vergessen irgendwie selbsttätig verkürzen, was meinst du…?

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3 Antworten auf „Optimismus: Rosa Brille“

  1. In Anlehnung an Dieter Wermuth könnte man folgendes Fazit zu der Aussage formulieren:

    Diese Aussage zeigt vor allem eins: dass es um Sachverstand der gebildeten Stände in diesem Land schlecht bestellt sein muss, wenn schon die Meinungsführer so krausen Unsinn in die Welt setzen und dafür auch noch meist freundlich rezensiert werden.

    Schon interessant was zum Thema Hoffnung so alles kursiert. Eine Erklärung könnte die evolutionistische Rosa Brille sein, Aldous Huxley verwendet Drogen dafür und andere würde die Hoffnung auf eine transzendente Gottheit projizieren. Und da fällt mir eine Aussage von Hans Küng ein:

    »Daß der Gottesglaube psychologisch erklärt werden kann, ist durchaus zuzugeben. Psychologie oder nicht Psychologie ist hier eine falsche Alternative. Psychologisch gesehen weist der Gottesglaube immer Strukturen und Gehalte einer Projektion auf, steht er immer unter Projektionsverdacht. Aber das Faktum der Projektion entscheidet doch keineswegs darüber, ob das Objekt, auf das sie sich bezieht, existiert oder nicht existiert. Dem Wunsch nach Gott kann durchaus ein wirklicher Gott entsprechen. Und warum soll ich nicht wünschen dürfen, daß mit dem Tod nicht alles aus ist? Daß es einen tiefen Sinn in meinem Leben, in der Menschheitsgeschichte gibt, kurz, daß Gott existiert?«
    [Hans Küng in Denkanstösse 2007, 127f.]

  2. Genau das, was du hier so nett vorführst irritiert mich immer so bei Evolutinsfans: Dass hier trotz aller brutalstmöglichen wissenschaftlichen Nüchternheit immer noch personalisiert, geradezu anthropomorphisiert wird. Wer soll den bitte diese nette Dame Evolution sein, die etwas entweder planvoll oder völlig zufällig tut? Nach konsequent aufklärerischer Projektionskritik müsste sich jedes auch nur ansatzweise personalisierte Reden von Evolution genauso auflösen, wie Gott aufgelöst wurde…

  3. Ja, das ist wirklich interessant – allein schon sprachlich führt sich das ad absurdum. Und so häufig! Als fiele es schwer, das wirklich so zu sagen (geschweige denn zu glauben), wie die eigene Theorie es vorgibt. Als hofft man, vielleicht doch noch vom Gegenteil überzeugt zu werden…

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