Der Mensch hat seine Existenz nicht nur im Verhältnis zu sich selbst, sondern auch und zuerst im Verhältnis zu anderen und zur Natur. Es ist zu eng, »Existenz« allein im Selbstverhältnis des Menschen, nicht aber auch in seinem Sozialverhältnis und seinem leiblich-sinnlichen Verhältnis zur Natur zu sehen.
Christliche Eschatologie lehrt nicht nur Hoffnung für die »Seele«, das war das frühere Wort für »Existenz«, sondern auch für den Leib, nicht nur für den einzelnen, sondern auch für die Gemeinschaft, nicht nur für die Kirche, sondern auch für Israel, nicht nur für die Menschen, sondern auch für den Kosmos. Diese überindividuellen Hoffnungshorizonte kann man nur dann »mythologisch« nennen, wenn man an den Verhältnissen, über die sie gespannt werden, kein Interesse hat. Die Resignation auf das eigene Selbst ist kaum christlich zu nennen.
Jürgen Moltmann, Das Kommen Gottes: Christliche Eschatologie, S. 38