Minze und Dill

Nicht unbedingt meine Lieblingszutaten im Essen, aber es geht auch nicht um Kochrezepte, sondern um einen Ausspruch Jesu, mit dem er gegen eine Art Glauben protestiert, der bei Kleinigkeiten im Nahbereich pingelig ist und dabei fundamentale Schieflagen und Absurditäten im weiteren Zusammenhang unseres Lebens toleriert. Alibi-Aktionen, mittels derer wir uns um das Eigentliche drücken:

Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz außer Acht: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue. Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen. (Matthäus 23,23)

Ich habe mich gefragt, wie das heute klingen würde. Ein paar Dinge sind mir dazu eingefallen:

  • Ihr spendet an eure christlichen Einrichtungen – und wählt Politiker, die armen Ländern die Entwicklungshilfe kürzen
  • Ihr protestiert gegen Abtreibungskliniken – und feiert Soldaten als „Helden“, die den Ölnachschub gewaltsam sichern und massive „Kollateralschäden“ in Kauf nehmen
  • Ihr werft kein Stück altes Brot weg – und fahrt jeden noch so kurzen Weg mit eurem spritfressenden Autos, die nicht nur die Atmosphäre aufheizen, sondern auch die Nachfrage nach Biosprit steigern und riesige Flächen von Regenwald vernichten

Die Reihe lässt sich in den Kommentaren fortsetzen, hoffentlich ohne dabei aus „Minze und Dill“ plötzlich das Spiel „Splitter und Balken“ werden zu lassen. Es geht ja nicht darum, selbstgerecht eine gute Sache gegen eine andere auszuspielen – das eine tun, ohne das andere zu lassen, sagt Jesus. Wie wäre zum Beispiel dieser Satzanfang: Ihr trinkt fair gehandelten Kaffee – und …

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4 Antworten auf „Minze und Dill“

  1. Ihre Vergleiche sind meines Erachtens nicht passend. Es ist signifikant, dass Jesus sehr leicht messbare „Gottesdienste“ wie den Zehnten mit schwer messbaren immateriellen ewigen Werten wie der Treue vergleicht. Darin liegt der eigentliche Bruch mit dem Glauben, den auch heutige Christen immer wieder begehen. Wir konzentrieren uns lieber auf (vergleichsweise unwichtige) leicht überprüfbare Dinge, denn da kann man schön richten und urteilen. Dabei vergessen wir, dass die wichtigsten Dinge viel weicheren Kriterien genügen – und das ist auch gut so!

  2. das mittlere Beispiel passt m.E. schon systematisch nicht. Hier geht es ja um die Gegenüberstellung von „im Kleinen übertrieben treu, bzw konsequent“ und „im Großen völlig daneben“ . Selbst wenn man die heftig umstrittene Aussage „Soldaten sind (potenzielle) Mörder“ als wahr ansehen würde bleibt festzuhalten, dass die in jedem Falle vorsätzliche Tötung eines Kindes im Mutterleib eine ebenso schlimme Sache ist, wie die (evtl fahrlässige ) Tötung eines Kindes in einem Afghanischen Dorf – um einmal auf dieser Ebene zu bleiben. Ich hoffe, wir haben Konsens, dass das Leben ausserhalb des Mutterleibes keine höhere Legitimation gegenüber dem innerhalb hat. Ich bin mir natürlich völlig klar, dass es schwere Notsituationen gibt, die keinen „sauberen Weg“. sondern nur noch eine Unrechtsabwägung zulassen, dies gilt aber bekanntlich für alle Lebensbereiche !

  3. @ Spiritus: Es geht bei dem Beispiel darum, dass ein und dieselbe Sache (da sind wir uns einig!) im einen Kontext akzeptiert wird („ging halt nicht anders“) und im anderen inakzeptabel erscheint. Denn die Kollateralschäden werden natürlich in Kauf genommen.

  4. Ich verstehe Ihren Ansatz nicht. Jesus stellt hier doch deutlich das Gesetz in den Mittelpunkt. Er zieht einen Punkt heraus der recht leicht zu erfüllen ist – den Zehnten. Und sagt, dass dieses Gesetz nur *eines* ist. Und dann stellt er zusammenfassend das ganze Gesetz dem gegenüber: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Treue.
    Hier geht es mitnichten ausschließlich um zwischenmenschliches Handeln (Tötung, Verhinderung von Armut, …) sondern um die Beziehung Gottes zu den Menschen, die nunmal in Barmherzigkeit, Gnade und Treue manifestiert ist und in den Gesetzen wörtlich erfahrbar wurde und wird. *Gott* ist gerecht, gnädig und treu. Für den Menschen sind diese Attribute unerreichbar – wenn auch anstrebbar. Es geht hier mE darum, wieder zu erkennen, was Gott ist und will und nicht um eine ethisch korrekte Handlungsweise. Sprich: Man muss das eine tun, ohne zu vergessen, was Gott ist!

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