Im dritten Kapitel von The Missional Leader: Equipping Your Church to Reach a Changing World stellen die Autoren ein dreistufiges Phasenmodell vor, das ihre Erfahrungen mit missionalen Veränderungsprozessen veranschaulicht. Es gibt eine grüne, kreative Zone, eine blaue, stetige Zone und eine rote, krisenhafte. Sie alle können, ja müssen in verschiedenen Richtungen durchlaufen werden, wenn tatsächlich etwas anders werden soll.
In der „emergenten“ Zone ist die Kultur einer Gemeinde von Innovation und Kreativität im Verhältnis zu ihrem Umfeld geprägt. Man lässt sich auf neue Dinge ein und wagt Experimente. Was einzelnen nicht gelingen kann, schaffen Grüppchen: Sie entdecken eine missionale Praxis und sind Gottes Zeugen in einer sich verändernden Umgebung. Aus diesem Zusammenwirken vieler in einem adaptiven System entsteht Emergenz. Sie ist nicht die Voraussetzung, sondern die Folge dieser Interaktionen, wie die Autoren von Surfing the Edge of Chaos erläutern. Immer wieder ist es die Begegnung mit der Schrift auf der einen und dem Kontext auf der anderen Seite, die die Entwicklung prägt und vorantreibt.
In der performativen Zone hat sich eine funktionierende Kultur entwickelt, die nun reproduziert werden kann. Es gibt klare Verfahrensweisen, umfassende Planung wird möglich und nötig, Spezialisierung setzt ein, Techniken und Methoden werden verfeinert, es entstehen Hierarchien und formalisierte Komitees, man legt Wert auf Effizienz. Das alles geht so lange gut, wie sich die Verhältnisse stabil entwickeln. Ist das nicht mehr der Fall, geht die Reise in den roten Bereich.
In der Reaktiven Zone wird die Organisation zunehmend von Verunsicherung, Verwirrung, Konflikten und Ängsten ergriffen. Die Verantwortlichen werden von der Entwicklung überrascht und reagieren, indem sie trotz schwindender Resourcen härter arbeiten, die Regeln energischer einklagen. Man versucht durch die Besinnung auf bisherige Erfolgsrezepte Stabilität zu schaffen. Irgendwann kommt der Punkt, wo diese Hoffnung sich zerschlägt.
Gemeindeglieder machen den Verantwortlichen Vorwürfe. Mitarbeiter ziehen sich zurück auf ihre Interessen oder Teilbereiche und ringen um deren Budget und Anerkennung. Es entstehen Parteiungen um zweitrangige Fragestellungen. Man versucht, die Kontrolle durch Regelwerke zurückzuerlangen. Unter dem Druck der Umstände legen Leiter ihre Verantwortung nieder. In der unteren Hälfte der reaktiven Zone begegnen wir der konfusen Gemeinde – seit den 90er Jahren ist das immer häufiger der Fall.
Eine große Versuchung für Leiter ist es, sich in BHAG zu flüchten: Big, hairy, audacious goals (große, haarige, gewagte Ziele). Man gibt neue, große Visionen aus, die die (auseinander?) driftende Gemeinde zusammenschweißen sollen. So hofft man auf eine Wiederholung der ansteigenden Kurve aus der oberen Hälfte der blauen Zone.
Stattdessen geht es zurück in die untere Hälfte der performativen Zone. Zu Beginn stehen Forderungen nach radikaler Aktion und mutiger Innovation und das Bemühen, etwas von der Tradition zu bewahren, die die Gemeinde bis dahin geprägt hat, gegenüber. Diese Polarität darf nicht durch einen Bruch zwischen Siegern und Verlierern „gelöst“ werden, sondern man muss lernen, sie auszuhalten. Das geht nur, indem man beharrlich das Gespräch sucht und lernt, einander zuzuhören. Es ist eine Phase der Verwundbarkeit, aber Symbole wie Wort, Sakrament und Gottesdienst können die fehlende Stabilität ersetzen. Es ist wichtig, dass das gelingt, damit eine Bewegung in die Experimentierfreudigkeit der emergenten Zone wieder möglich wird.
Nicht die äußere Veränderung, sondern die Unfähigkeit zur Bewältigung des Übergangs (d.h. sich auf die veränderten äußeren Verhältnisse einzustellen) stellt in der Diskontinuität des abrupten Wandels die eigentliche Herausforderung dar. Missionale Leitung bedeutet, sich in allen Phasen dieses Modells zurechtzufinden. Aktuell am gefragtesten sind Orientierung in den Prozessen der emergenten Zone. Denn früher oder später steht jede Organisation vor dieser Herausforderung.