Joh 14,6 und die Symmetriefalle

Am Ende eines langen Gottesdienstes kam eine Frage, auf die ich zu meinem Kummer keine ausreichend gute Antwort mehr geben konnte: Wie ist es zu verstehen, wenn Jesus von sich sagt, dass er der Weg ist und niemand zum Vater kommt außer durch ihn?

Mit etwas mehr Zeit zum Überlegen und Antworten, zwei positive Aussagen und eine Warnung:

Wir können erstens Gott nur in Jesus richtig erkennen. Wenn wir an ihm vorbei über Erfahrungen spekulieren und Theorien entwickeln, werden immer nur Zerrbilder entstehen. Erst wenn wir Gott in dem Gekreuzigten erkennen, wissen wir, dass er Liebe ist, wie Johannes später schreibt. Deswegen geht es ja auch so weiter im Text:

Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.   

Zweitens ist durch Jesus der Weg zu Gott (vgl. Eph. 2,18) im Sinne von Vergebung und Wiederherstellung der Beziehung offen, weil Jesus diesen Weg für uns geht und den Tod erleidet, damit wir vor ihm gerettet werden und die Welt mit Gott versöhnt wird (auch wenn das noch nicht jeder einzelne begriffen hat oder gut findet).

Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. (2.Kor 5,19)   

Und – Achtung! – jetzt kommt die Symmetriefalle. Unser Kopf spiegelt die Aussage ins Negative, obwohl das so gar nicht zwingend ist (aber wir haben es eben gehört und gelernt, diese Stelle so zu lesen). Und plötzlich steht da: Wer nicht so glaubt (… wie wir?), der ist in Ewigkeit verloren. Das steht da aber gerade nicht. Jesus zieht hier keinen Umkehrschluss.

Das Verhältnis von Sünde und Gnade, von Liebe und Zorn, von Verlorenheit und Gerechtigkeit ist eben nicht symmetrisch, so dass Umkehrschlüsse legitim wären. Das Gute ist ursprünglich und ewig. Das Böse ist parasitär und hat nur eine begrenzte Zeit.

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10 Antworten auf „Joh 14,6 und die Symmetriefalle“

  1. Das ist scheinbar ein grundsätzliches Problem in der religiösen (ich sage mit Absicht nicht ‚christlichen‘) Diskussion über Hölle und Verdammnis, denn ganz viele Stellen werden gerne so wie du es nennst „symmetrisch“ gelesen. Ich arbeite seit geraumer Zeit mit der Methode, mal nur das (heraus-) zu lesen, was tatsächlich im Text steht und muss feststellen, dass da wirklich ein Evangelium im Neuen Testament zu finden ist^^

  2. Zu diesem Thema ein Zitat aus „Jesus von Nazareth“ von Papst Benedikt (besitze das Buch leider nicht selbst, hatte mir aber, als ich es las, Passagen herausgeschrieben – leider ohne Seitenangabe):

    Benedikt zitiert zum einen Edith Stein: „Wer redlich und leidenschaftlich nach der Wahrheit sucht, ist auf dem Weg zu Christus“.

    Weiter schreibt er: „Mir scheint, dass dies (n.m. Erinnerung eben Joh. 14,6 oder war es Matth. 5,6 ? – Anmerkung H.D.) die Stelle ist, an der sich vom Neuen Testament her etwas über das Heil derer sagen lässt, die Christus nicht kennen. Die heutige Theorie geht dahin, dass jeder seine Religion leben solle, oder vielleicht auch den Atheismus, in dem er sich vorfindet. Auf diese Weise werde er das Heil finden. Eine solche Meinung setzt ein sehr seltsames Gottesbild und eine seltsame Vorstellung vom Menschen und dem rechten Weg des Menschseins voraus. Versuchen wir, uns das durch ein paar praktische Fragen deutlich zu machen. Wird jemand deshalb selig und von Gott als recht erkannt werden, weil er den Pflichten der Blutrache gewissenhaft nachgekommen ist? Weil er sich kräftig für den „Heiligen Krieg“ engagiert hat? Oder weil er rituelle Waschungen oder sonstige Observanzen eingehalten hat? Weil er seine Meinungen und Wünsche zum Gewissensspruch erklärt und so sich selbst zum Maßstab erhoben hat?
    Nein, Gott verlangt das Gegenteil: Das innere Wachwerden für seinen stillen Zuspruch, der in uns da ist und uns aus den bloßen Gewohnheiten herausreißt auf dem Weg zur Wahrheit; Menschen, die „hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit“, das ist der Weg, der jedem offensteht; es ist der Weg, der bei Jesus Christus endet.“

    Eine persönliche Anmerkung: Die Frage nach dem Schicksal derer, die Jesus nicht kennen oder ihn ablehnen, (oder uns nicht verstehen in unserem Bemühen, ihn bekannt zu machen) verfolgt mich seit meinen Kindertagen in einer sehr ländlichen kleinen Freien Evangelischen Gemeinde. Bis heute habe ich keine wirklich schlüssige Antwort. Dabei ist sie von so hoher praktischer Bedeutung: Wenn ich jemanden, auf den dies zutrifft, wirklich mag, ihn sogar liebe, dann macht mich der Gedanke wahnsinnig, diese Person könnte „ewig verloren“ sein. Und wenn ich ihn oder sie dann mit Warnungen nerve, geht meiner Erfahrung nach der „Schuss nach hinten los“. Ist ja auch verrückt: Ich will eine angeblich „Gute Nachricht“ loswerden, habe aber erst mal eine sehr schlechte im Gepäck….

    Aber die Frage bleibt: Wie wird es in einem Himmel sein, in dem Menschen fehlen, die ich liebe? Werde ich mich da wirklich freuen können? Ich kann es mir nicht vorstellen. Habe ich diese Leute dann vergessen? Finde ich nicht erstrebenswert. Was, wenn dies z.B. mein eigens Kind ist?

    Was mich immer wieder ruhig macht ist, daran zu denken, dass Jesus, den wir in den Evangelien kennenlernen können als den, der in so überraschender Weise die Grenze zu den „Sündern“ überwandt, am Ende alle Herrschaft übertragen bekommen wird. Er wird der Richter sein. Gott sei Dank!

  3. „Und plötzlich steht da: Wer nicht so glaubt (… wie wir?), der ist in Ewigkeit verloren. Das steht da aber gerade nicht.“

    und wie verstehst du Mk 16,16 „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ ?

    Oder betrachtest du den Abschnitt als nachträgliche Hinzufügung und damit als Verfälschung des Evangeliums?

  4. Hi Peter. Von der Exegese hast du natürlich Recht. Hier geht es nicht um Himmel oder Hölle. Von der Systematischen Theologie her gesehen ist dies aber schon viel eher der Fall. Jesus trifft hier (philosophisch gesehen) auch ohne Himmel und Hölle schon einige sehr krasse absolutistische Ansprüche (ich bin der Weg, die Wahrheit, das Leben) und behauptet noch, dass keiner zu Gott kommen kann, außer durch ihn (ist das nicht die Krönung?).

    Würde dich fragen ob deine Definition von Erkenntnis (ginosko) an dieser Stelle (z. B. Vers 7) lediglich „Wissen“ bedeutet – wie ich es in deinem Post verstehe – oder ein „kennen“ in Form von Beziehung?

  5. @ Senfkorn: Mir ging es um Joh 14 und den Kontext dort. Wenn man wie Du nun Mk 16,16 (klar sekundär, Verfälschung würde ich nicht sagen, aber vielleicht eine andere Tendenz?) als Kontext nimmt – oder als Brille, durch die man die ganze Bibel liest -, kommt so eine Aussage heraus. Aber das ist ein Zusammenhang, der bewusst und mit einer bestimmten Absicht hergestellt wird.

    Ich könnte aber genauso mit der Apg 3,21 Brille kommen. Und dann liest sich das alles wieder ganz anders.

    @ Danny: Ich meine hier schon Beziehung, nicht abstraktes Wissen. Ohne Jesus gäbe es die Vorstellung, dass Gott uneingeschränkt Liebe ist, ja gar nicht. Oder sie wäre ohne das Kreuz nur eine Worthülse. Und natürlich hat Jesus einen hohen Anspruch, den ich um nichts in der Welt relativieren will – daher auch der Verweis auf die anderen Texte oben, die Jesus gerade in der zentralen Rolle als Mittler und Offenbarung Gottes sehen. Systematisch ist die Spannung zwischen Partikularismus und Universalismus nicht völlig aufzulösen. Ich habe es gestern eine knappe Stunde lang versucht, aber keine griffige Formel gefunden.

  6. Deinen Ausführungen im ursprünglichen Beitrag stimme ich voll und ganz zu und bin gerade an der Stelle davon überzeugt, dass es nix bringt hier den negativen Weg (der dann – wie Du auch geschrieben hast – ein menschliches Konstrukt ist) zu verdammen, sondern vielmehr diese wahnsinnig große Gnade und diesen immensen Bedeutungsraum, den die Stelle in ihrer positiven Aussage eröffnet, darzustellen und zu verkündigen. Wenn wir das tun, reicht es. 🙂

    Dennoch hoffe ich nicht, dass Du das mit Apg 3,21 ernst gemeint hast – die Wiederherstellung aller Dinge oder was? Dann bitte den gesamten Vers lesen: „….in der alles wiedergebracht wird, wovon Gott geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten von Anbeginn.“

    Ich frage mich schon immer, wieso diese Stelle für allversöhnende Tendenzen herhalten muss – da gibt es weitaus trefflichere in der Bibel….also ich unterstelle Dir jetzt einfach mal, dass du in diesem Sinne Apg 3,21 der Stelle Mk 16,16 „entgegengesetzt“ hast – zumal ich nicht glaube, dass man eine Bibelstelle durch eine andere entkräften kann. 😉

  7. „Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit, uns aber, die wir errettet werden, ist es Gotes Kraft“. diese Aussage zieht sich (jetzt auch pauschal formuliert) durchs gesamte neue Testament. Natürlich steht es uns nicht zu zu urteielen, wer dabei ist und wer nicht, im Gegenteil: ich hoffe , dass wir schwer überrascht sein werden, über die Menge der „Geretteten“. Peter, Du hast in Deiner Predigt viel in Analogien argumentiert, welches per se problematisch ist, da gerade Bilder, die wie z.B. der Arbeiter im Weinberg nicht überstrapaziert werden dürfen: Die Arbeit im Weinberg ist nach meinem Verständnis z.B. immer ein Bild für „Weinberg = zu Gott gehörend“, der Herr des Weinbergs oft für Gott selber. Was ich sagen will: das Bild kann man noch mehr strapazieren und sagen: alle, die entlohnt wurden, haben für den Herrn des Weinbergs gearbeitet (ich will jetzt nicht auf Werke hinaus). Natürlich bekommt jeder von Gott den gleichen Lohn -> aber eben die im Weinberg gearbeitet haben. Er hat nicht Lohn an die gezahlt, die sich nicht haben anwerden lassen und auf der Straße oder am Marktplatz oder wo immer geblieben sind. Somit ist eine Analogie auf Rettung aus „Gnade“ nicht ersichtlich.

  8. Ah OK. Der „Provokateur“ war am Start, oder was? 😉

    Reparier doch mal den youtube-Post – dann klappts auch wieder mit dem Layout der Startseite 😉

  9. @ Klaus: Gleichnisse beruhen halt immer auf Analogien, das ist die Crux. Und über Dinge wie das jüngste Gericht kann man gar nicht anders reden als in Analogien, die Frage ist dann eben nur noch, welche man wählt.
    Mir ging und geht es um zwei Punkte: Die Aussagelinie, die Du aufgreifst, zieht sich durchs gesamte neue Testament und gleichzeitig gibt es da eine andere, die zumindest zeigt, dass diese zwei Seiten von Heil und Unheil nicht gleichwertig sind, sondern es ein Übergewicht auf der Seite des Heils gibt, die Symmetrie also nicht konsequent durchgezogen ist.
    Der Punkt an dem Gleichnis (dessen ursprünglicher Sinn wohl schon der war, dass Jesus – besonders den Pharisäern – als skandalös großzügig erschien) ist (1.) die Überraschung am Ende, (2.) die Relativierung des Leistungs- bzw. Anspruchsdenkens und (3.) die Frage, ob wir auch Situationen erleben könnten, wo wir finden, dass Gott zu gütig ist. Was das nun genau bedeutet, darf dann ruhig offen bleiben. Das Gleichnis richtet sich ja an die Adresse der „Engagierten“.

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