Glaube und Naturwissenschaft

Gleich zweimal begegnete mir gestern die Frage nach dem Verhältnis von Glaube und Naturwissenschaft. Dann schrieb mir heute jemand zum Post vom Dienstag, religiöser Glaube sei mit wissenschaftlicher Unwissenheit gleichzusetzen. Ein Satz, den man nur mit viel kulturhistorischer Ignoranz so formulieren kann – und der Beweis dafür, dass man keineswegs religiös sein muss, um Sündenböcke zu brauchen.

Nun habe ich versucht, noch einmal in ein paar Sätzen zu formulieren, warum es zwar gelegentliche Spannungen, aber keinen grundsätzlichen Gegensatz beider Perspektiven gibt. Vielleicht hilft’s ja dem einen oder der anderen:

Glaube und Naturwissenschaft sind zwei verschiedene Sichtweisen auf ein und dieselbe Wirklichkeit. Naturwissenschaft befasst sich mit Objekten, die man beobachten und messen (oder quantifizieren) kann und sie erforscht und beschreibt Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge . Dabei hat sie viele nützliche Entdeckungen gemacht, die aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken sind. Diese Perspektive hat aber auch ihre Grenzen: Sie kann weder die Frage nach dem Sinn (also dem „wozu“ oder „wofür“) beantworten, noch die Frage nach dem, was gut oder schön ist (das versuchen zum Beispiel die Philosophie, oder die Religionen). Und nachdem Gott transzendent, also nicht einfach ein Gegenstand neben anderen in dieser Welt ist, kann die Naturwissenschaft auch keine Aussagen über ihn machen. Auch die lebenswichtige Frage, ob ich geliebt und gewollt bin, kann sie mir nicht schlüssig beantworten. Oder was Gerechtigkeit ist und wie man sie fördert.

Der Glaube hingegen befasst sich mit solchen Beziehungswahrheiten, und neben unserer eigenen Lebensgeschichte und den persönlichen Erfahrungen fragt er danach, ob und wie Gott sich in der Geschichte der Menschheit und der Welt offenbart hat. Statt in einem „Ich-Es“-Verhältnis wie die Naturwissenschaft gründet der Glaube in einem „Ich-Du“ Verhältnis. Ein lebendiges Gegenüber kennenzulernen, bedeutet eine Beziehung zu ihm einzugehen, und damit auch das Risiko, durch das Gegenüber in Frage gestellt oder durch die Beziehung zu ihm verändert zu werden. Egal wie gut ich eine andere Person kenne, sie bliebt doch immer auch ein Geheimnis. Und von genau solchen Erfahrungen und Begegnungen erzählt zum Beispiel die Bibel. Indem Menschen sich von diesen Erzählungen ansprechen lassen, machen sie ihre eigenen, oft lebensverändernden Erfahrungen und Entdeckungen.

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5 Antworten auf „Glaube und Naturwissenschaft“

  1. Grundsätzlich stimme ich Dir zu. Glaube und Naturwissenschaft gehen durchaus zusammen.

    Aber: Wenn mit Glaubensbegründung und z. B. unter Berufung auf die Bibel Dinge behauptet werden, die hart gegen gut gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnisse verstoßen, dann entsteht ein Gegensatz und dieser geht zu Lasten des Glaubens.

    Gerade zu Ostern hat der evangelische Bischof Janssen angeregt, die leibliche Auferstehung Jesu Christi wieder intensiver zu verkündigen. Die Naturwissenschaften dagegen sagen uns, das unmittelbar nach dem Tod irreversible Zersetzungsprozesse beginnen. Die Gegensätze bestehen. Man braucht sich nicht zu wundern, wenn naturwissenschaftlich orientierte Menschen der Kirche den Rücken kehren.

  2. Ich verstehe das so, dass Du sagen willst, die Theologie könne an einer leiblichen Auferstehung nicht festhalten, weil die Naturwissenschaft sie widerlegt hat. Das halte ich für ein fundamentales Missverständnis dessen, was Auferstehung bedeutet. Sie wird ja gerade nicht als immanenter biologischer Prozess beschrieben (dann wäre sie ein Fall für die Wissenschaft), sondern als ein transzendentes Handeln Gottes. Das aber ist nichts, was sich nach den Kriterien empirischer Wissenschaft experimentell wiederholen ließe.
    Die nächste theologische Analogie zur Auferstehung wäre die creatio ex nihilo. Für die Naturwissenschaft wirft das nun die Frage auf, ob sie ihren Denkrahmen offen halten kann für eine creatio ex vetere, eine Neuschöpfung durch Transformation des Alten. Die Implikationen sind recht ausführlich behandelt worden in dem Aufsatzband Resurrection. Theological and Scientific Assessments von Michael Welker u.a.

    1. Der Begriff leibliche Auferstehung impliziert aber für mich gerade den immanent biologischen Aspekt oder nimmt zumindest Missverständnisse in dieser Hinsicht nicht nur billigend, sondern gern in Kauf.

      Ein Auferstandener, der durch Wände geht oder den Emmaus-Jüngern in einem andereren Körper erscheint, ist dagegen anscheinend nicht-biologisch. Die Bibel berichtet beides, Biologisches und Nichtbiologisches, parallel. Ich würde also unter anderem fragen, inwiefern das Reden von leiblicher Auferstehung die Bibel überhaupt korrekt und vollständig wiedergibt.

      Die Erklärung als transzendentes Handeln Gottes ist für mich zunächst mal ein abstrakter sprachlicher Ausdruck. Was wissen wir über die transzendente Wirklichkeit Gottes? Eigentlich nichts, wir glauben nur und versuchen uns, ihr mit Analogien zu nähern, z. B. nach dem Schema: Gott ist wie…aber anders als… und mehr als…. Für die Art und Weise seines Handelns sieht es nicht viel besser aus. Immerhin haben wir aber die Natur, die gläubig von ihrem Ursprung her als Schöpfung verstanden werden kann, aber letztlich für Gläubige und Ungläubige gleich funktioniert.

      Für mich geht es nicht, ein transzendentes Handeln, das man so gut wie überhaupt nicht näher definieren kann, gegen ein naturwissenschaftliches Wissen mit einem wesentlich höheren Härtegrad auszuspielen. Wenn die Auferstehungsberichte die Qualität eines naturwissenschaftlichen Messergebnisses hätten, müssten die Naturgesetze umformuliert werden. So etwas ist ein völlig normaler Vorgang und passiert regelmäßig, war aber in dieser Hinsicht bisher nicht nötig.

      Creatio ex nihilo ist wohl kein Thema für gläubige Naturwissenschaftler. Neuschöpfung durch Transformation des Alten passt hervorragend zu den biochemischen Kreisläufen; es ist sozusagen der Normalfall. Das Rad dreht sich immer weiter und immer vorwärts. Ob das den Begriff creatio ex vetere wirklich trifft, weiß ich allerdings nicht.

  3. Auf leibliche Auferstehung zu verzichten, würde christlichen Glauben zur Gnosis machen: Geist ohne materiellen Bezug, Gott bleibt als Phänomen auf die Psyche des Menschen beschränkt. Damit wäre letztlich auch die soziale, ökologische und politische Dimension des Glaubens aufgegeben, wenn er sich nur auf die „Seele“ bezieht und nicht auf den Leib und mit dem Leib auf die materielle Dimension allen Lebens. Da denken die neutestamentlichen Autoren ganz jüdisch – beides gehört zusammen.

    Freilich ist das eine ungeheuerliche Behauptung. Sie ist allerdings durch die Naturwissenschaften nicht weniger ungeheuerlich geworden als sie das vor 2000 Jahren auch schon schon war. Tote sind tot, ein Leichnam verwest, mehr als Erinnerung bleibt nicht übrig.

    Dass das so ist, ist auch den ersten Christen und heutigen Christen sehr bewusst. Auferweckung ist auch in den biblischen Aussagen und Berichten nichts Natürliches, das von selbst eintritt, sondern es ist nur von einem einzigen Fall die Rede. Insofern läuft die reichlich herablassende Unterstellung, das sei Aberglaube, Magie und alles nur wissenschaftlicher Ignoranz geschuldet, ins Leere. Aber dieses eine Ereignis wirft nun für Christen ein hoffnungsvolles Licht auf die Zukunft der ganzen Schöpfung. Soziales, Politik und Ökologie sind da eingeschlossen.

    In einem rein materialistischen Weltbild ist Auferstehung (wie vieles andere) nicht darstellbar. Aber der gehört eben gerade nicht notwendig zur Naturwissenschaft. Der Szientismus als Ideologie, die nur das als wirklich anerkennt, was mit naturwissenschaftlicher Methodik objektivierbar ist und für den die materielle Welt ein geschlossenes System darstellt, kommt damit nicht klar. Aber das ist eben, allen Beteuerungen zum Trotz, nicht mehr Wissenschaft, sondern ein Wissenschaftsglaube als spröde Ersatzreligion, die mit anderen Glaubenssystemen konkurriert. Wo ein offeneres Verständnis von Wissenschaft möglich ist, da lassen sich Gott und Welt, Biologie als Selbstwirksamkeit der Schöpfung und Gott als transzendenter, allgegenwärtiger Grund der Schöpfung durchaus zusammendenken. Und zwar nicht nur als plumper Supranaturalismus.

    Positive Beispiele finden sich in dem oben schon erwähnten Band oder dem (ebenfalls schon erwähnten) „The Experience of God“ von David Bentley Hart.

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