Gemeinschaftsmythen (1): Der Zeitfaktor

Es stand lange auf meiner Wunschliste – seit ein paar Tagen lese ich nun Joseph Myers‘ kleines, aber feines Buch The Search to Belong. Rethinking Intimacy, Community and Small Groups. Myers beginnt mit einem herzhaften Abriss seiner gesammelten Kleingruppenerfahrungen und wendet sich dann erst einmal verschiedene Mythen zu, die rund um das Thema „Gemeinschaft“ und Zugehörigkeit existieren.

Gemeinschaft ist ein Dauerthema in den meisten Gemeinden. Die Bedürfnisse und Erwartungen sind je nach Persönlichkeit und Lebensabschnitt höchst unterschiedlich – was dazu führt, dass es keine Formel gibt, die alle zufrieden stellt, sondern nur eine ständige Suchbewegung, die nie ans Ende kommt.

Der erste Fehlschluss, sagt Myers, besteht in der Gleichsetzung der Qualität von Beziehungen mit der Dauer gemeinsam verbrachter Zeit. In Wirklichkeit können wir jeden Tag Stunden mit Menschen verbringen, ohne eine tiefere Beziehung zu ihnen zu entwickeln. Umgekehrt können wir jemanden treffen und nach dem ersten Gespräch schon das Gefühl haben, sie oder ihn eine Ewigkeit zu kennen. Und wenn man sich dann nach Monaten oder Jahren wieder trifft, ist es genauso.

Solche Erlebnisse tiefer Verbundenheit wecken vielleicht den Wunsch, mehr Zeit mit einander zu haben. Aber umgekehrt greift die Logik eben nicht.

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