Weiter in der unsortierten Israel-Nachlese. Heute mal ohne Bezug zum Palästina-Konflikt:
Als ich in Jerusalem erzählte, dass ich ein paar Tage später nach Haifa fahre (inzwischen ist das fast drei Wochen her), wurde mir gesagt, ich müsse dort unbedingt die wunderschönen Baha’i Gärten ansehen. Dort angekommen, machte ich mich also auf den Weg und entdeckte eine streng an den Nordhang des Karmel gezirkelte Anlage, gegen die jeder Barockgarten unordentlich und asymmetrisch wirkt.
So viel Künstlichkeit hatte ich nicht erwartet. Ich bog nach ein paar Minuten lieber wieder ab und spazierte durch das Wadi Nisnis, in dem sich lokale und internationale Künstler verewigt hatten und wo kein Haus wie das andere aussah. Und fragte mich währenddessen: Ist diese Gartenanlage typisch für moderne Kunstreligionen, und deren – zweifellos gut gemeintes – Anliegen, Symmetrie und Ordnung in das gewachsene Gestrüpp konkurrierender Glaubensrichtungen zu bringen?
Direkt unterhalb der Baha’i Gärten liegt übrigens die German Colony. Sie wurde ebenfalls im 19. Jahrhundert von der Tempelgesellschaft erbaut und gegründet, die ihre Wurzeln im württembergischen Pietismus hat, sich aber theologisch von diesem deutlich unterscheidet, weil sie zum Beispiel die Gottessohnschaft und den Erlösungstod Christi ablehnt. Nach der Gründung des Staates Israel wurden die Templer 1950 aufgefordert, Haifa zu verlassen. Heute sind in den schmucken Häuschen Restaurants und Läden untergebracht und Touristen flanieren vorbei.
Zwei religiöse Innovationen des 19. Jahrhunderts also nebeneinander. Die eine aus einem europäisch-christlichen Kontext, die andere aus einem muslimisch-persischen. Beiden merkt man diese Herkunft an, beide versuchen die Tradition, aus der sie stammen, universal zu erweitern und deren innere Widersprüche und Spannungen zu beseitigen, und so ließen sich wohl noch weitere Parallelen finden.
Niedergelassen haben sie sich in Haifa am Fuß des Karmel, auf dem der Prophet Elija seine blutige Konfrontation mit den Baalspropheten hatte. Harte Kontraste auf engem Raum…