Fieser Vergleich?

Die Empörung kam bei mir zuerst an: Prominente Evangelikale reagierten verärgert über ein Interview in Christ und Welt, in dem der Wiener Religionswissenschaftler Rüdiger Lohlker Salafisten als „Evangelikale des Islam“ bezeichnete. Ob es so geschickt war, dies auch gleich zur Überschrift zu machen, ist die eine Frage. Die andere ist, ob hier schlicht unverantwortlich geschrieben und verglichen wird. Ein Leserkommentar beim Pro Medienmagazin fordert auch prompt die Bastonade für den Provokateur. Sarkasmus?

Evangelikale hatten ja keine ganz schlechte Presse in letzter Zeit. Das Thema Christenverfolgung traf dieses Jahr auf deutlich positiveres Echo als früher, Aktionen zum Thema Menschenhandel wurden in den letzten Tagen sehr positiv kommentiert. Erfolgt nun ein Gegenschlag, ist das gar der Versuch einer erneuten Ausgrenzung? Ich war neugierig und habe nachgelesen.

Zunächst einmal wird der Salafismus beschrieben und erklärt, dass es eine quietistische, eine politische und eine militante Richtung gibt und vor allem letztere der Anlass war, diese Strömung zum Feindbild umzufunktionieren. Dabei sei der Salafismus erst einmal eine weltweite Frömmigkeitsbewegung. Und genau an diesem Punkt – weltweite Frömmigkeitsbewegung – zieht Lohlker nun den Vergleich, von dem er schon ahnt, dass er Empörung auslösen wird, und den er selbst gleich vorab als „überspitzt“ bezeichnet und damit auch schon ein Stück relativiert.

Er führt die Parallelen dann weiter aus: Bekehrungserlebnisse und Erweckungserfahrungen, bewusste Glaubensentscheidung, konservative Kritik an der Moderne, die sich der neuen Medien bedient, eine Art Gleichheitsideal wie das „Priestertum aller Gläubigen“ – und das war es auch schon. So weit ich das beurteilen kann, ist das als Beschreibung des Evangelikalismus (so uneinheitlich dieser auch ist) weder falsch noch gehässig.

Richtig auf die Barrikaden gehen müssten auch die Kirchen der Reformation, wenn Lohlker später Parallelen zu Luther und Calvin zieht und den Reformatoren das Anliegen zuschreibt, die Religion durchaus mit einem gewissen Eifer von Verweltlichung reinigen zu wollen. Endgültig entfallen schließlich alle Vergleiche zu irgendwelchen christlichen Richtungen der Gegenwart, wenn es um das Bild eines strafenden und verbietenden Gottes geht (dazu wären nicht nur mir durchaus noch einzelne Stimmen eingefallen…) und um gewaltbereite Anhänger.

Mein persönlicher Eindruck ist, dass Lohlker hier nicht Evangelikale mit Salafisten vergleicht, sondern Salafisten mit Evangelikalen und Reformatoren. Das ist insofern ein Unterschied, als er damit voraussetzt, dass Evangelikale erstens bekannt und zweitens in Kirche und Gesellschaft integriert sind, und mit dem Vergleich für mein Empfinden zeigen möchte, dass Salafismus (wie Evangelikalismus auch) nicht zum Schreckgespenst taugt, dass es sogar denkbar ist, dieser ambivalenten Bewegung vielleicht konstruktiver zu begegnen, als es bisher gelungen ist.

In einem Atemzug mit Salafisten genannt zu werden, ist natürlich schon deshalb für niemanden schmeichelhaft, weil das stereotype Feindbild des bombenwerfen Bartträgers sich bei uns schon so festgesetzt hat. Wenn die Aufregung nun dazu führt, dass Evangelikale sich gegenüber Muslimen im Allgemeinen und Salafisten im Besonderen um größtmögliche Differenzierung und Fairness bemühen (und etliche, wenn auch nicht alle, tun das ja längst!), dann hätte das auch etwas Gutes für unsere Gesellschaft und auf längere Sicht auch für die ersehnte und nachhaltige Wahrnehmung evangelikaler Christen als einer Gruppe, die den gesellschaftlichen Frieden fördert.

Nachtrag: Michael Diener antwortet auf Christ und Welt mit diesem Artikel. Die innerevangelikalen Spannungen und Akzentverschiebungen aus jüngerer Zeit diskutieren Andreas Malessa und Michael Diener in diesem Beitrag auf hr2, der auch Stimmen aus den Landeskirchen sammelt. Unter anderem kommt auch EKD-Präses Nikolaus Schneider zu Wort.

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42 Antworten auf „Fieser Vergleich?“

  1. Der Artikel ist der Sicht eines den Evangelikalen Fernstehenden würdig. Nur weiter so mit der Selbstzerfleischung untereinander, das gefällt dem Widersacher!

  2. Wie wäre es mal mit sachlichen Aussagen zum Thema statt mit plumpen Verunglimpfungen? Wen soll ich denn hier eigentlich konkret „zerfleischt“ haben und warum?

  3. „So weit ich das beurteilen kann, ist das als Beschreibung des Evangelikalismus (so uneinheitlich dieser auch ist) weder falsch noch gehässig.“

    Findest du nicht, dass dies ein unzulässiger Vergleich ist? EC legt sonst immer so viel Wert auf Kontext und Zusammenhang, warum hier nicht auch?

    „Wenn die Aufregung nun dazu führt, dass Evangelikale sich gegenüber Muslimen im Allgemeinen und Salafisten im Besonderen um größtmögliche Differenzierung und Fairness bemühen (und etliche, wenn auch nicht alle, tun das ja längst!), dann hätte das auch etwas Gutes für unsere Gesellschaft und auf längere Sicht auch für die ersehnte und nachhaltige Wahrnehmung evangelikaler Christen als einer Gruppe, die den gesellschaftlichen Frieden fördert.“

    „Aufregung“ -> Ja, offensichtlich sind Evangelikale so, dass sie sich gleich aufregen, wenn solche dinge über sie ausgesagt werden. Das hört sich sehr nach einem Außenstehenden an, der die Hoffnung hegt, dass durch diesen Vergleich die Evangelikalen eher in die Richtung einer Gruppe gehen, die den gesellschaftlichen Frieden fördert. Das heißt im Gegenschluss, dies ist momentan nicht so.

    Vielen Dank, Peter. Wenn das nicht mal so eine richtige Breitseite gegen die Evangelikalen geht. Ausgewogen?

  4. Auf die Gefahr, mich schlicht zu wiederholen: Ich hätte das nicht so geschrieben, wenn ich nicht der Meinung wäre, an den Punkten, wo tatsächlich explizit und konkret verglichen wird (die zähle ich ja im einzelnen auch auf), ist der Vergleich nicht diskriminierend.

    Ich kann keine „Breitseite“ erkennen (weder in meinem Post noch bei Christ und Welt) und wundere mich sehr über diese heftige und, wie ich finde, völlig unangemessene Reaktion.

    Und wie immer gilt: das ist meine ganz persönliche Meinung und es wäre unfair, sie pauschal anderen anzudichten, die das nicht so sagen.

  5. „Und wie immer gilt: das ist meine ganz persönliche Meinung und es wäre unfair, sie pauschal anderen anzudichten, die das nicht so sagen.“

    Ja, und deswegen habe ich auch immer „Peter“ geschrieben. Und wenn ich mal EC schreibe, dann betrifft das meine ganz persönliche Beobachtung, die ich aus vielen Posts aus dieser Bewegung machen konnte.

    Peter, es tut mir leid, dass es dich nun so heftig getroffen hat, aber ich habe viel still mitgelesen und mich doch über einiges ziemlich betroffen gezeigt. Manches durchaus Nachdenkenswerte habe ich mitgenommen, aber auch (leider) mehr sehr negatives über „die Evangelikalen“, zu denen ich mich nun einmal zähle. Viele dieser Vorwürfe finde ich ungerechtfertigt. Vor allem aber verstehe ich nicht, warum dies so ist und woher diese doch recht krasse und oft auch etwas verächtliche Abgrenzung zu den „überkommenen Vorstellungen“ der Evangelikalen rührt.

    Sollten wir nicht vielmehr als Christen zusammenstehen? Ich habe den Eindruck, dass hier und bei manch anderem Blog vielmehr die Position der „Welt“ (ja, ich weiß, hörst du nicht gern) verteidigt und im Gegensatz zu den angeblichen Vorstellungen der Evangelikalen gestellt wird.

    Dass es nun speziell diesen Beitrag und dich getroffen hat, ist nun einmal so. Ich hoffe, du verstehst warum.

  6. Ach, das hatte ich noch vergessen:

    „Ich hätte das nicht so geschrieben, wenn ich nicht der Meinung wäre, an den Punkten, wo tatsächlich explizit und konkret verglichen wird (die zähle ich ja im einzelnen auch auf), ist der Vergleich nicht diskriminierend.“

    Das mag ja sein, es ist aber nur ein kleiner Teil der Wahrheit, der nicht den eigentlichen Kern trifft. Insofern ist der Vergleich falsch.

    Mal ein krasses Beispiel zur Veranschaulichung:
    „Fußballfans sind die Nazis des Sports: Sie rotten sich zu Gruppen zusammen, sind oft unkritische Fans einer Mannschaft, freuen sich über das Zusammengehörigkeitsgefühl, schwenken Fahnen und besitzen bestimmte Symbole, die sie verehren.“ Ist das nun diskriminierend oder nicht?

  7. „Fußballfans sind die Nazis des Sports“ ist diskriminierend gegenüber Fußballfans, sofern vorausgesetzt ist, dass Nazis böse sind. Wenn nicht, nicht.
    „Nazis sind die Fußballfans der Politik“ ist diskriminierend gegenüber Nazis, sofern vorausgesetzt ist, dass Fußballfans böse sind. Wenn nicht, nicht.
    „Salafisten sind die Evangelikalen des Islam“ ist diskriminierend gegenüber Salafisten, sofern vorausgesetzt ist, dass Evangelikale böse sind. Wenn nicht, nicht.
    „Evangelikale sind die Salafisten des Christentums“ wäre diskrimierend gegenüber Evangelikalen, sofern vorausgesetz wäre, dass Salafisten böse sind – und Herr Löhlker oder Herr Aschoff so etwas gesagt hätte. Haben sie aber nicht.

    Über den zweiten Teil des Vergleichs wird in keinem dieser Sätze eine Aussage gemacht. Vielmehr wird der zweite Teil als bekannt und der erste als unbekannt vorausgesetzt (ob das bei Fußballfans und Nazis so zutrifft, wäre eine andere Frage) und mit dem Vergleich der Versuch unternommen, eine Aussage über den ersten Teil zu machen. Nur über diesen.

    Das hat zunächst nichts mit Theologie zu tun, sondern mit deutscher Sprache.

    Zur Diskussion stehen also nicht die Aussagen über Evangelikale, sondern über Salafisten. Ob diese als eine inhomogene Gruppe, die in Frieden möglichst genau ihrer heiligen Schrift folgen und ihrem Gott dienen will und von denen nur einige wenige Ausnahmen zur Gewalt greifen, richtig beschrieben sind, kann ich nicht beurteilen. Wenn es so sein sollte, geht der Vergleich mit „uns Evangelikalen“ völlig in Ordnung.
    Sollten sie falsch beschrieben sein, muss sich ja deswegen kein Evangelikaler angegriffen fühlen. Schließlich geht es um die nicht.

  8. Danke, Andreas!!

    @Johannes: Ich habe nicht den Eindruck, dass wir hier Fortschritte gemacht haben und zwischendurch habe ich auch noch andere Dinge zu tun…

    Um mein komplexes Verhältnis zum Begriff „evangelikal“ zu erläutern: Ich bin hier Vorsitzender der Evangelischen Allianz, mir also Kritik von außen zu unterstellen, wird schwierig, zu viele gute Freunde und Bekannte verstehen sich als „evangelikal“.

    Zugleich würde ich das Etikett „evangelikal“ für mich nie gänzlich uneingeschränkt akzeptieren, weil sich in dieser vielstimmigen Bewegung auch eine Menge Leute tummeln, mit denen ich meine allergrößte Mühe habe – konkret der ganze fundamentalistische Flügel, der stark von Engführungen und Feindbildern lebt. Wenn Du Dich nun mit diesen Positionen identifizierst, dann wundert es mich auch nicht, dass Du Dich angegriffen fühlst.

    Und nein, längst nicht alle „Evangelikalen“ äußern sich zu den unterschiedlichen Reizthemen unserer Zeit in einer Art, die dem gesellschaftlichen Frieden dient. Beispiele öffentlich aufzuzählen würde ich uns beiden gern ersparen. Umgekehrt sage ich damit auch nicht pauschal, dass Evangelikale insgesamt eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden sind. „Evangelikal“ ist für eine präzise theologische Standortbestimmung ein höchst untauglicher Begriff und ich kenne viele Evangelikale, die ihn gern los wären.

  9. @Andreas, nein, so einfach lässt sich das nicht relativieren bzw. rechtfertigen. Es wird bewusst mit den Salafisten mit einer Gruppe verglichen, die bei uns in Deutschland eine sehr schlechte Presse hat (völlig egal, ob das der Wahrheit entspricht). Es ist doch klar, dass dies sehr negative Implikationen auslöst, das weiß jeder, auch der gute Herr Löhlker. So naiv kann man gar nicht sein, schon gar nicht als Religionswissenschaftler.

    Und die Schlussfolgerung von Peter:
    „Wenn die Aufregung nun dazu führt, dass Evangelikale sich gegenüber Muslimen im Allgemeinen und Salafisten im Besonderen um größtmögliche Differenzierung und Fairness bemühen [..], dann hätte das auch etwas Gutes für unsere Gesellschaft und auf längere Sicht auch für die ersehnte und nachhaltige Wahrnehmung evangelikaler Christen als einer Gruppe, die den gesellschaftlichen Frieden fördert.“

    Also nun sind also die Evangelikalen diejenigen, die dafür sorgen müssen, dass diese in einem besseren Licht dastehen, damit sie selbst besser in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden? Habe ich das richtig verstanden? Ein erstaunlicher Schluss, der Ursache und Wirkung verdreht.

    @Peter:
    „Ich habe nicht den Eindruck, dass wir hier Fortschritte gemacht haben und zwischendurch habe ich auch noch andere Dinge zu tun…“
    Ich will und kann dich natürlich nicht zu einer Stellungnahme zwingen, und klar, wir haben alle andere Dinge zu tun. Aber was meinst du damit, dass du nicht den Eindruck hast, dass wir Fortschritte gemacht haben? Wir haben doch noch gar nicht angefangen zu diskutieren? Ich habe meinen Standpunkt, warum ich anfangs so reagiert habe, ausführlich erläutert, welche „Fortschritte“ sollten wir denn da gemacht haben, ohne Austausch auf konkrete Fragen?

    „konkret der ganze fundamentalistische Flügel, der stark von Engführungen und Feindbildern lebt. Wenn Du Dich nun mit diesen Positionen identifizierst, dann wundert es mich auch nicht, dass Du Dich angegriffen fühlst.“

    Das kommt ganz darauf an, was konkret du unter „Engführungen und Feindbildern“ verstehst (da du keine konkreten Beispiele nennst, wird das schwierig). Ich würde mich niemals so bezeichnen, aber ich habe klare Überzeugungen, wer Gott ist, dass er uns Menschen über alles liebt, dass Jesus für mich gestorben ist und meine Sünden vergeben sind und ich deswegen ihm nachfolgen möchte. Ich glaube an die weltweite Gemeinde Christi, die nicht durch irgendwelche Kirchenmauern oder Denominationsgrenzen begrenzt ist. Mir ist klar, dass ich ein Mensch mit begrenztem Verstand bin und nicht frei von Irrtum bin, und dass mein Wissen nur Stückwerk ist. Deshalb (und weil ich nicht der Richter über Menschen bin) lasse ich andere Frömmigkeitsstile stehen. Genauso werde ich aber nicht einfach meinen Mund halten, wenn ich Fehlentwicklungen sehe.

    „Und nein, längst nicht alle “Evangelikalen” äußern sich zu den unterschiedlichen Reizthemen unserer Zeit in einer Art, die dem gesellschaftlichen Frieden dient.“

    Ich stimme mit dir vollkommen überein, dass der Begriff „Evangelikal“ sehr vielschichtig und keineswegs klar abgrenzbar ist, und auch ich sehe da Positionen, die ich so nicht vertreten würde. Auch ich selbst mag den Begriff „Evangelikal“ nicht wirklich und würde mich so eher ungern bezeichnen. Ich beschreibe meine Beziehung zu Jesus lieber persönlich.

    Allerdings kommt dein Satz oben etwas missverständlich rüber: Meinst du, dass jegliche Aussage „dem gesellschaftlichen Frieden“ dienen muss? Anders herum: Soll das heißen, dass wir auch kontroverse Themen oder Dinge, die wir als Christen anders sehen, so nicht ansprechen dürfen, weil sie ein Ärgernis für Nichtchristen sein könnten? Oder wie ist der Satz oben gemeint? Ohne Kontext bzw. konkrete Beispiele ist es immer schwierig, das richtig zu verstehen.

    Ich hoffe, du verstehst, dass ich nicht „stänkern“ möchte, sondern jemand bin, der zwar, wie man unschwer erkennen kann, recht kritisch der Emergent Conversation Bewegung gegenüber stehe, aber auch verstehen möchte. Informationen habe ich inzwischen viele, aber Kommunikation ist ein Zweiwege-System.

  10. @Johannes: Ich sehe keine Annäherung in unserer Bewertung des Interviews und der Frage, ob das nun ein feindseliger Akt gegen Evangelikale ist. Ich wüsste auch nicht, was ich jetzt noch schreiben sollte, wenn das bisherige Dich nicht überzeugt. Also lassen wir den Dissens doch einfach stehen. Ist ja kein Beinbruch. Immerhin stimmen wir darin überein, dass „evangelikal“ ein unscharfer Begriff ist.

    Dass ein nicht ganz unerheblicher Teil des bunten evangelikalen Spektrums mit der pluralistischen Gesellschaft fremdelt und umgekehrt dort mit seinen Moralvorstellungen, Rollen- und Weltbildern als Störung wahrgenommen wird, lässt sich schwerlich bestreiten. Mehr wollte ich gar nicht unbedingt sagen zu dem Thema.

  11. Ich habe mir das Interview in ‚Christ und Welt‘ mal durchgelesen. Ich verstehe das so, dass Herr Lohlker Durchschnittschristen vermitteln will, wie Durchschnittsmuslime die Salafisten sehen. Es geht also garnicht in erster Linie um Evangelikale oder auch die verschiedenen Reformatoren, die ja auch für Vergleiche herhalten müssen. Obwohl die besonders radikalen und gewaltbereiten Salafisten ohnehin noch einmal abgegrenzt werden, bleiben diese Vergleiche natürlich heikel und Lohlker weiß das auch.

    Meiner Meinung nach sollte man aber nur das pflichtgemäße Ärgernis daran nehmen, was ja bereits offiziell passiert ist, und nicht unnötig viel Galle zusätzlich investieren.

  12. @Peter: Schade, aber ist in Ordnung.

    @Thomas: Danke für die Erläuterung. Mir ging es gar nicht um den Ursprungsartikel in „Christ und Welt“, aus Sicht eines (neutralen) Religionswissenschaftlers hat das sicher alles seine Berechtigung. Mir ging es um die Bewertung von Peter und seinem Fazit daraus.

    LG Johannes

  13. @Johannes: Danke für Deine letzte Erläuterung. Mir geht es tatsächlich eher um Lohlkers Position als um Aschoffs. Letzterer kann hier ja für sich selbst reden.

    Zwei Gedanken im Nachklapp:

    1. @Peter und Johannes: Wenn Ihr Euch darin einig seid, dass „evangelikal“ ein unscharfer Begriff ist, wäre von dort aus durchaus nochmal zu fragen, ob Lohlkers Vergleich hilfreich ist. Schließlich scheint er ja den Begriff etwas schärfer abzugrenzen, sonst würde es zur Beschreibung von Salafisten nicht dienen, sie mit Evangelikalen zu vergleichen.

    2. Im Herbst 2001 haben viele Evangelikale den Vergleich mit Islamisten nicht gescheut. Sie betonten – sicher sehr schwarz-weiß – dass die Art, sich auf die jeweilige heilige Schrift zu beziehen, durchaus vergleichbar ist, dass aber unterschiedliche Ergebnisse herauskommen, weil eben die Grundlage unterschiedlich ist.
    Auch wenn jene Zeit sehr von Abgrenzung und Polemik geprägt war, ist der Denkweg durchaus bedenkenswert.
    Salafisten als „Evangelikale des Islam“ heißt zunächst mal, dass „die Salafisten“ sich zu ihrer Religion und ihrer heiligen Schrift in einer ähnlichen Weise verhalten wie „die Evangelikalen“ zu der ihren.
    Konsequent weitergedacht hieße das: Gemeinsamkeiten von Evangelikalen und Salafisten lassen sich mit der ähnlichen Art des Bezugs auf ihre jeweilige Grundlage erklären, Unterschiede nur mit der Grundlage selbst.
    Das würde allerdings wiederum voraussetzen, dass wenigstens einer dieser Begriffe eine gewisse Schärfe hätte.

  14. @Andreas: Eine gewisse Schärfe haben beide Begriffe auf jeden Fall. Aber in beiden Gruppen scheint es ja auch unterschiedliche Strömungen zu geben. Aber guter Hinweis auf 2001. Das erklärt beides: die Vergleichbarkeit von Denk- und eventuell auch Organisationsstrukturen und die Empörung über den Vergleich, weil die zugrundeliegenden Traditionen sich unterscheiden.

  15. Unterschiede auf die Grundlage zurückzuführen, hat natürlich auch Schattenseiten. Denn wer seinen Umgang mit seiner Grundlage für richtig hält (und wer tut das nicht?) und dann bemerkt, dass andere, die mit einer anderen Grundlage genauso (also „richtig“?) umgehen, Hochhäuser kaputtmachen, muss zwangsläufig der anderen Grundlage mehr Gewaltpotential unterstellen. Nicht gerade eine gute Basis fürs Gespräch.
    Hier brauchen wir wahrscheinlich eine ziemlich ausführliche religionswissenschaftliche hermeneutische Diskussion: Ist der Umgang, den ich mit einer heiligen Schrift als „den“ richtigen ansehe, überhaupt zwangsläufig für eine andere auch der richtige? Seit wann gibt es den „salafistischen“ Zugang zum Koran im Vergleich zum „evangelikalen“ Zugang zur Bibel? Ich vermute, noch nicht so lange. Oder fällt er erst in der Moderne und Postmoderne mehr auf? Könnte es gar sein, dass Salafisten halbbewusst reformatorisches Schriftprinzip übernommen und auf eine andere Schrift übertragen haben? Da müsste wohl noch mal gearbeitet werden, aber wahrscheinlich würde das die Kommentarfunktion eines Blogs sprengen.

  16. Ja, da liegt noch viel Arbeit vor uns. Wenn man Muslimen unterstellt, dass sie den Koran so lesen, wie man ihn selber lesen würde (und dabei die eigene Tradition des Lesens heiliger Schriften für selbstverständlich hält), dem wird bei manchen Passagen Angst und Bange. Aber wenn Atheisten die Bibel lesen und von unseren Auslegungstraditionen nichts wissen (oder sich an die gewaltsamen Kapitel der Kirchengeschichte erinnern), dann kommen da auch andere Dinge an als beim „geübten“ Bibelleser.

    Und es wird nicht einfacher dadurch, dass es ja tatsächlich Gruppen gibt, die Terror in verschiedenen Formen religiös begründen. Oder (umgekehrt) dass Politiker wie George W. Bush sich als evangelikal bezeichnen und Kriege mit Lügen über Massenvernichtungswaffen rechtfertigen bzw. auf „Gottes“ Anweisung hin zu führen behaupten, auch da entsteht natürlich der Eindruck eines „Gewaltpotenzials“.

  17. Ich musste herzlich lachen, als ich dieser Diskussion folgte, denn es kam, wie es kommen musste:

    „Mit zunehmender Länge einer Online-Diskussion nähert sich die Wahrscheinlichkeit für einen Vergleich mit den Nazis oder Hitler dem Wert Eins an.“ Godwins Law 😉

  18. Und sobald das Wort „Hitler“ oder „Nazis“ fällt liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Erwähnung von Godwins Gesetz exakt bei 1.

    Aber sagt mal: Warum sehe ich bei Peter und Johannes dasselbe Profilbild? Habt Ihr das auch?

  19. „Aber sagt mal: Warum sehe ich bei Peter und Johannes dasselbe Profilbild? Habt Ihr das auch?“

    Hallo Andreas, ich habe gar kein Profilbild, hab mich ja auch nirgends „angemeldet“, sondern antworte immer ad hoc mit gleichem Namen. Keine Ahnung, warum du etwas anderes siehst.

  20. @Andreas: Nun, solche Nazi-Vergleiche sind halt mehr als schwierig. Davon abgesehen, dass sie fast immer Diskussionen verunsachlichen, sind sie hier auch gefährlich. Kann ich mich denn ernsthaft darüber beschweren, dass Evangelikale mit Salafisten verglichen werden – und eben nicht gaaanz so unsachlich, wie auf dem ersten Blick vermutet, wie Peter ja zeigen wollte, wenn dann um zwei Ecken Salafisten mit Nazis verglichen werden?

    Falls der Nazi-Fussballfan-Vergleich nur ein Beispiel war, ohne inhaltlichen Bezug, gilt eben Godwins Law. Falls er tatsächlich inhaltlich gemeint ist, ….

  21. Der Nazi-Fußball Vergleich kam ja, wenn ich den inzwischen langen Verlauf noch richtig lese, durch Johannes ins Spiel, der den Salafisten-Vergleich so empörend fand. Wie er die Bezüge gemeint hat, müsste er selber erklären. Ich würde jetzt spontan sagen, das war nicht ganz ohne inhaltlichen Bezug so gewählt…

  22. Hallo Peter,

    „Gute Salafisten“ – mir kräuseln sich gerade die Fußnägel hoch… Erstens geht es um einen einzelnen Salafisten, zweitens, nun ja, er vertreidigt einen Christen dagegen, dass er ob seiner Meinung nicht gleich in die Psychiatrie eingeliefert wird. Das ist ehrenwert, aber deswegen gleich „gut“? Und es geht nicht um „Salafisten“, d.h. Mehrzahl, sondern um eine Einzelperson. Und, es ist so sensationelle, das dazu gleich ein Artikel geschrieben wird.

    Naja, und dazu dann noch in Zusammenhang mit dem Vergleich Evangelikale und Salafisten, den du in der Art, wie er geschehen ist, verteidigst.

    Da halte ich es lieber mit Michael Diener, dem Vorsitzenden der Evangelischen Allianz, der du ja auch angehörst und auf den du oben in einem Nachtrag auch verlinkst: http://www.christundwelt.de/detail/artikel/wir-sind-nicht-die-salafisten-des-christentums/

    Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen!

  23. Den Artikel fand ich sehr aufschlussreich, weil er sehr gut das Missverständnis zeigt:

    „Wir sind nicht die Salafisten des Christentums“ – Hat auch niemand behauptet!

    „Mit Salafismus verbindet die öffentliche Wahrnehmung ein Nein zur Unterscheidung von Religion und Staat, ein Nein zur Demokratie, ein Nein zu Menschenrechten und ein Nein zur Toleranz, also zu den Grundwerten einer offenen Gesellschaft.“ – Ganz genau! Und genau diese öffentliche Wahrnehmung stellt sich bei ein bisschen Sachkenntnis über die tatsächlichen Salafisten als falsch oder zumindest sehr undifferenziert heraus. Darauf hat Herr Lohlker hingewiesen und ein bisschen Sachkenntnis verbreiten wollen. Viele der Salafisten sind nämlich, wie er behauptet, friedlich und respektabel und wollen einfach nur in Frieden ihrem Gott dienen. Als Verstehenshilfe bietet sich da fast wie von selbst ein Vergleich mit uns Evangelikalen an.

    Schade, dass Herr Diener in seinem Bestreben, bösartige Klischees über Evangelikale abzuwehren, seinerseits genausolche Klischees über Salafisten weiterkolportiert.

  24. Andreas, ehrlich gesagt habe ich keine Lust, hier gegen Salafisten zu wettern, denn es geht hier um etwas ganz anderes. Aber wenn hier solche Statements wie von dir losgelassen, werden, dann muss ich doch mal etwas sagen.

    Ich beschäftige mich schon länger mit dem Islam in Deutschland. Ich habe einige islamische gute Bekannte, mit denen ich mich sehr gut verstehe. Ich beschäftige mich ernstlich mit dem Islam und versuche ihn (so weit es meine Zeit erlaubt) zu ergründen. Leider gehören die Salafisten mitnichten zu denen, die „friedlich und respektabel einfach nur in Frieden ihrem Gott dienen“ wollen. Nein. Sie wollen etwas anderes.

    Und du sagst, „mit ein bisschen Sachkenntnis“ wäre deine obige Aussage klar? Mich würde mal ernstlich interessieren, woher diese deine Erkenntnis stammt. Das hast du dir doch nur ausgedacht oder wünscht dir das. Sorry, dass ich so hart reagiere, aber wenn du mir dazu Belege lieferst, dann ändere ich meine Meinung sofort.

    Ich habe das Netz wirklich intensiv nach Hinweisen dazu durchsucht und leider praktisch nichts gefunden.

    Vorschlag an die, die nachforschen wollen: Lest doch direkt in den Quellen. Zum einen Koran. Zum anderen die öffentlich zugänglichen Webseiten von den verschiedenen islamischen Richtungen, z.B. islam.de (vom ZMD verantwortet), welches durchaus als gemäßigt gelten kann. Oder dawa-news.net, da kann man die Salafisten direkt zu Wort kommen lassen.

    So, nach der Lektüre würde ich gerne noch mal über dieses Thema sprechen. Oder handfeste Belege lesen.

  25. Hi Johannes!

    Ich habe keinerlei Sachkenntnis außer dem, was Lohlker behauptet. Wenn seine Behauptungen nicht stimmen sollten, sind sie eine Fehlinformation über die Salafisten. Das kann ich nicht ausschließen.
    Mir geht es nur darum, dass, wenn Lohlkers Aussagen über Salafisten stimmen sollten, an dem Vergleich mit Evangelikalen nichts für letztere Schlimmes drinsteckt, er also auch keinen Evangelikalen angegriffen hat und sich darum auch keiner angegriffen fühlen muss. Der Streit über die Legitimität des Vergleichs würde dann davon ablenken, ob seine Informationen an sich stimmen – und wäre umso schlimmer.

  26. Hallo Andreas,

    danke, na das ist doch mal eine ehrliche Antwort! Es wäre in einem solchen Fall dann anzuraten, sich mit der eigenen Meinung etwas zurückzuhalten. Sich nur auf andere zu verlassen bzw. auf einen einzigen Artikel ist nicht so hilfreich.

  27. Tatsächlich ist meine Formulierung mit „ein bisschen Sachkenntnis“ möglicherweise etwas gutgläubig gegenüber dem Herrn Professor gewesen. Ich kann mich jetzt zwischen Deiner und seiner Meinung entscheiden, ohne einen von Euch zu kennen.

    All das lenkt aber ab von dem ursprünglichen Problem:
    Wenn das, was Herr Lohlker über Salafisten behauptet, stimmt, dann ist der Vergleich mit Evangelikalen völlig in Ordnung.
    Wenn das, was er behauptet, nicht stimmt, ist der Vergleich dessen, was er behauptet, mit Evangelikalen auch völlig in Ordnung. Zu kritisieren wäre dann nicht der Vergleich mit Evangelikalen, sondern die Fehlinformation über Salafisten, die dann, aber nur dann, eben doch nicht so wären, wie er behauptet, nämlich so harmlos wie die Evangelikalen, über die er kein Böses Wort verloren hat.
    In beiden Fällen gibt es für Evangelikale keinen Grund, sich aufzuregen.

    Das ist mein (und wenn ich es recht sehe, auch Peters) Hauptpunkt. Deine Meinung dazu habe ich ehrlich gesagt noch nicht verstanden.

  28. Vielleicht lassen wir es dabei dann auch. Drei Minuten Netzsurfen meinerseits haben ergeben, dass Lohlker mit dieser differenzierten Sicht des Salafismus anscheinend keineswegs völlig isoliert ist. Wie Andreas schon schreibt, über Evangelikale fiel kein böses Wort, und es ging ursprünglich nicht um die Frage, ob Lohlker die Salafisten richtig darstellt, sondern nur darum, welche Rolle der Vergleich mit Evangelikalen dabei spielt und ob der als feindselig oder ehrenrührig angesehen werden muss.

  29. Belege lieferst du leider nicht. Und niemand hat behauptet, dass er komplett allein steht. Ich habe vor allem bei den Salafisten selbst geschaut.

    Ja, und der Vergleich ist ehrenrührig.

  30. @Andreas, sorry, habe deinen Beitrag erst jetzt gesehen.

    Irgendwie kapiere ich nicht, warum du und Peter diesen abwegigen Vergleich völlig in Ordnung findet. Lies noch einmal meinen Beitrag vom 14. Jan 2013 um 18:42, und auch den Nazi-Vergleich ;). Will irgendjemand mit Nazis verglichen werden? Nein, das ist das schlimmste. Will irgendjemand mit einer Gruppe verglichen werden, die in Deutschland einen extrem schlechten Ruf hat? Nein! Und jeder, der diesen Vergleich liest, hat sofort sehr negative Assoziationen in seinem Kopf, die mit diesem Vergleichausgelöst wurden. Das kann man kritisieren, aber das ist hier nicht das Thema. Es geht darum, dass ein veritabler Professor, der es besser wissen müsste (er sagt es ja selbst), einen Vergleich heranzieht, von dem er weiß, dass er die Evangelikalen in ein sehr schlechtes Licht rückt. Die weiteren Erklärungen spielen dann gar keine Rolle mehr, denn nur der oberflächliche erste Eindruck bleibt beim Hörer / Leser hängen: Hey, die Evangelikalen sind genauso wie die Salafisten! Mit denen will ich nichts zu tun haben, die gehören aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, weggesperrt. Deren Bekenntnisschulen gehört die staatliche Hilfe entzogen!

    Den letzten Satz habe ich ganz bewusst aus der Erfahrung mit dem Lokalteil der Süddeutschen Zeitung gesagt, in der eine Münchner Bekenntnisschule ganz schlimm über mehrere Wochen verleumdet wurde. Die Folge waren wütende Reaktionen von Lesern, die eben dieses und noch viel schlimmeres von sich gegeben haben. Dass sich das Ganze völlig in Luft aufgelöst hat, bringt nicht viel, die negative Presse hat sich festgesetzt.

    Ich hoffe, dass ihr das nachvollziehen könnt, was ich meine.

  31. Lieber Johannes, mir scheint, wir verstehen einfach die deutsche Sprache unterschiedlich. So herum, wie Herr Lohlker es formuliert, werden nicht die Evangelikalen in ein schlechtes Licht gerückt, sondern die Salafisten in ein gutes. Das kann man kritisieren, wenn es sachlich falsch ist. Eine Kritik an Evangelikalen steckt nicht drin, und deswegen ist deren Aufregung für mich nicht verständlich.
    Als Evangelikaler müsste man aber doch eigentlich allen Grund zur Freude haben, wenn man als positives Beispiel herangezogen wird.
    Noch ein Nazi Vergleich, weil’s so schön ist? 😉
    Wenn man sagen würde, Hitler war gar nicht schlimm, sondern fast ein genauso netter Mensch wie Andreas, dann wäre das zwar sachlich völliger Unsinn, aber für mich keine Beleidigung, schließlich in ich in dem Vergleich ja der Maßstab für Nettigkeit. Ähnlich sollte man es als Evangelikaler in Lohlkers Vergleich sehen.

    Natürlich kann man Lohlkers Vergleich auch andersherum hören, aber das sollte man nicht Lohlker anlasten.

  32. @Johannes: Aha – daher weht der Wind! Dass Du das vor dem Hintergrund der konkreten unangenehmen Erfahrung aus München so hörst, das kann ich verstehen. Ich halte das nach wie vor für ein Missverständnis (wie Andreas offenbar auch). Aber vielleicht klappt es mit einem zeitlichen Abstand ja, dass Du diesen Text nochmal anders hörst. Es erklärt mir aber auch, warum unsere Argumente bei Dir gar nicht ankommen. Geht vielleicht momentan schlicht und einfach nicht.

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