In den letzten Tagen habe ich mich mit Ostergottesdiensten und -predigten befasst. Was mich beim Stöbern und Suchen überrascht hat, war, wie viele (durchaus renommierte, ich sag’ nicht welche) Prediger völlig apolitisch über das Osterevangelium reden konnten. Als wäre Ostern in erster Linie eine Antwort auf die Frage nach dem individuellen Tod – dem eigenen oder dem eines geliebten Menschen!
Und dabei ist mir wieder neu aufgefallen, dass Ostern für mich in erster Linie die Antwort auf die Frage ist, woher wir die Hoffnung auf eine bessere Welt nehmen. Es wird ja nicht irgendwer auferweckt, sondern der Messias der Armen, der die Herrschaft Gottes ankündigt – und den seine Kritik an den ungerechten Verhältnissen ans Kreuz brachte. Und dann heißt Ostern vor allem: Die Revolution geht weiter, egal wie viele seiner Mitstreiter noch eingesperrt und ermordet, abgeschrieben und verleumdet oder anderweitig „kaltgestellt“ werden.
Erst in zweiter Linie geht es dann um den persönlichen Tod und dann heißt Ostern: Irgendwann werden wir alle vollzählig um einen großen Tisch herum sitzen und feiern – auch die, die ihr Leben in dem Kampf für eine gerechte Welt verloren haben. Hier findet das Politische das Individuelle: Wenn ich den Tod nicht fürchten muss, wenn der Tod mich nicht mehr um die Früchte meines Engagements bringen kann, dann kann ich um so befreiter und selbstvergessener einsetzen für alles, was Recht ist.
Ewiges Leben ist also ein engagiertes Leben.
Heute ist ein guter Tag, um darüber nachzudenken. Vor 74 Jahren starben Hans und Sophie Scholl. Ihr Vater Robert rief dem obersten NS-Richter Roland Freisler im Prozess zu: „Es gibt noch eine andere Gerechtigkeit!“. Die Mutter erinnert Sophie angesichts der Hinrichtung an die Nähe Jesu. Und Ihr Mitstreiter Christoph Probst verabschiedet sich mit den Worten „In wenigen Minuten sehen wir uns in der Ewigkeit wieder.“
Obwohl es etwas am Posting vorbei geht (oder eben vielleicht auch nicht, da bin ich mir nicht sicher) störe ich mich irgendwie an der Reduktion auf Jesus als dem „Messias der Armen, der die Herrschaft Gottes ankündigt – und den seine Kritik an den ungerechten Verhältnissen ans Kreuz brachte.“
Jesus ist doch genauso der Messias der Mittelschicht und der Oberschicht. Er ist einfach der Messias für alle – unabhängig von Status, Geschlecht oder der Länge oder Art (sic!) des Registers der persönlichen Verfehlungen.
Und ihn hat nicht nur seine Kritik an ungerechten Verhältnissen ans Kreuz gebracht sondern auch das was er über das Wesen Gottes erzählt hat und was dem religiösen Establishment bedrohlich wurde.
Und Jesu Botschaft ist doch vor allem eine Botschaft der persönlichen Heilwerdung die dann automatisch Konsequenzen für den eigenen Lebensstil haben wird und nicht zuerst eine Systemkritische Botschaft der man unabhängig von der eigenen Persönlichkeit oder dem eigenen Verhältnis zu Gott zustimmen oder sie ablehnen kann.
Ich verstehe das Anliegen der Kritik, aber ich denke, es ist tatsächlich anders. Natürlich ist Jesus auch der Messias für das ganze Volk, aber wenn die Starken die Schwachen „kannibalisieren“, dann gehört es zu dieser Rolle, eben diese zu schützen. So im Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus. Jesus steht in der Tradition der Propheten und des mosaischen Bundes, die die Gleichheit aller in Israel betonen. Und er steht entschlossen gegen die königlich-priesterlichen Traditionen, die die Ungleichheit fördern und legitimieren. Damit steht er z.B. klar gegen die Anliegen der Sadduzäer; und die verstehen das auch ganz richtig und verhaften ihn. Also: Um das ganze Volk zurechtzubringen, muss Jesus die Auseinandersetzung mit manchen viel härter führen als mit anderen. Das bedeutet, er übt nicht gleichmäßige Kritik an allen. Ist, falls Du es detaillierter nachlesen willst, in Richard Horsleys „Jesus and the Powers“ schön herausgearbeitet. Ich würde dann das persönliche Heil in das politische einordnen, nicht umgekehrt. Weil ich denke, dass dies bei Jesus tatsächlich auch so herum funktioniert.