Es gibt Gruppen und Kreise, in denen der Dank dafür, „dass wir uns hier in Freiheit versammeln dürfen“ zum eisernen Grundbestand der Liturgie gehört – ob nun in einem Gebet vor Beginn, am Beginn oder im Verlauf einer Veranstaltung und egal, ob man sich der Tatsache überhaupt bewusst ist, dass man eine Liturgie hat – zumal eine ausgesprochen konstante: mancherorts kommt sie öfter vor als das Vaterunser.
Ich bin davon immer wieder überrascht: Über Religionsfreiheit wird zwar eifrig diskutiert, aber sie scheint mir nicht akut in Gefahr, und das nun schon seit 70 Jahren. Hat sich diese Phrase in schlechteren Zeiten so tief eingeprägt, dass sie heute noch selbstverständlich ist?
Oder ist das eine Geste der Erinnerung an das Schicksal der vielen Gläubigen unterschiedlichster Herkunft, die heute weltweit Verfolgung und Benachteiligung erleben, auf die aktuell z.B. der Gebetsaufruf der EKD für den Sonntag Reminiscere hinweist?
Vielleicht ist der Sinn dieser Dankesfloskel ja auch der, die Frage aufzuwerfen, wie Christen hier und jetzt mit dem Geschenk der Freiheit umgehen. Ob sie es also wirklich mutig nutzen und es wagen, mit dem Evangelium positiv zu provozieren und denen eine Stimme zu geben, die sich in unserer Gesellschaft kein Gehör verschaffen können?
Schließlich habe ich mich auch schon ab und zu gefragt, ob sich darin auch ein Misstrauen gegenüber dem säkularen Staat und der multireligiösen Gesellschaft verbergen kann, dessen höchste Repräsentanten bewusst plakativ sagen können, dass auch der Islam zu Deutschland gehört und der Gesetze zur Gleichstellung von unterschiedlichsten Minderheiten erlässt. Wenn dieser Staat, so das Unbehagen, mit seiner Macht gesellschaftliche Gruppen schützt, die man selbst als Konkurrenz oder Gefahr empfindet und deren Freiheit man lieber eingeschränkt sähe, dann ist tatsächlich jeden Moment damit zu rechnen, dass der labile Frieden kippt und Repressionen wahrscheinlich werden.
Welche der unterschiedlichen Motivationen nun jeweils den Hintergrund der Verfolgungsformel bildet, das muss sich jede(r) selbst bewusst machen und gegebenenfalls auch verdeutlichen, wie sie nicht zu verstehen ist. Man könnte sie freilich auch aus dem Standardrepertoire streichen und andere Schätze der reichen Liturgiegeschichte an ihre Stelle setzen.
Also ich kenne diese „Formel“ auch. Mit einem historischen Kontext habe ich sie aber nicht in Verbindung gebracht, sondern eher mit dem zweiten von dir genannten. Eine Geste der Solidarität und eine Erinnerung daran, dass es auch heute nicht selbstverständlich ist, in einer so offenen Gesellschaft zu leben – denn wir kennen das ja gar nicht anders. Von daher finde ich: Es ist eine wichtige Formel!
Die Verfolgungsformel kenne ich aus Zeiten in Kleinstgruppierungen, die klar standen vor dem Herrn und sich als Streiter Christi definierten.
Das Dauerhafte festhalten an der Solidarität mit verfolgten Christen gehört zum Ritus des Streiter Christi genauso wie das – meist unter Mànnern – gemeinsame Fachsimpeln über die „Taktik des Feindes“ und wo der Feind einen wiedermal reinlegen wollte und wie man ihm dann doch mit List, Sprüchen wie Satan weiche etc. das Bein gestellt hat.
Da man hierzulande aber so gut wie nie angefeindet wird – es sei denn der Glücksfall wie der Bremer Prediger, wo man dann lautstark artikuliert „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!!“ – begnügt man sich mit fleissigem Zitieren von Bibelversen martialischer Art wie Schwert des Geistes, Waffenrüstung Gottes und hin und wieder ruft man sich Jesus ist Sieger! oder Die Kraft ist hier! zu.
Weil man also genauso so fleissig kämpft, wie diejenigen Christen, die geköpft werden, ist man auch immer solidarisch mit ihnen!
Meine Meinung dazu muss wohl nicht geäussert werden, sondern ist sicher im Grundton der Darstellung verpackt 🙂
Gut, dann muss ich ja auch nicht dazu schreiben, was ich davon halte…
Ich finde es irgendwo zwischen kindisch und grosstuerisch, dachte aber, das sei sowieso schon in meiner Darstellung rübergekommen.
Es ist rübergekommen, ohne Zweifel, und es belegt meine letzte der vier Thesen, daher muss ich es nicht kommentieren.