Der dritte Weg ist derzeit für viele ein großes Thema. Es geht dabei nicht darum, zu sagen, dass alles bisherige falsch war – egal, wie man nun den ersten und zweiten Weg inhaltlich beschreiben würde – sondern nach einer Möglichkeit zu suchen, herrschende Gegensätze und vor allem Ausschlüsse zu überwinden, mit Paradoxien zu leben und zu einem tieferen Verständnis des Lebens vorzudringen. Im dualistischen Denken erscheint dies dennoch als Widerspruch.
Die Suche nach dem dritten Weg ist an vielen Stellen erkennbar. Es ist das erklärte Gegenstück zu faulen Kompromissen und kleinsten gemeinsamen Nennern. Es geht auch nicht um den prichwörtlichen „Mittelweg“. Anders als im Schema These-Antithese-Synthese scheint mir oft nicht die höhere Ebene, sondern das tiefere Verstehen das Ziel zu sein.
Treffend beschrieben hat Bernhard von Mutius diesen Ansatz in Die andere Intelligenz – Wie wir morgen denken werden. Ich habe eine stark vereinfachte Version seiner hilfreichen Gegenüberstellung hier eingefügt. Um die in dieser Kürze schablonenhaft wirkenden Begriffe zu entschlüsseln, ist die Lektüre des anregenden Sammelbandes jedoch sinnvoll.
Es ist nicht einfach nur ein intellektueller, sondern ein spiritueller Weg. Das bedeutet, dass sich nicht nur der Inhalt der Erkenntnis dabei verändert, sondern auch ihr Subjekt. Für Glaube und Theologie hat auch Richard Rohr ein paar gute Gedanken dazu. Ganz am Ende von Ins Herz Geschrieben stellt er eine kleine Liste von Streitfragen zusammen, an denen die Misere des dualistischen Denkens sichtbar wird:
- Kreationismus contra Evolution (bzw. Biblizismus und Szientismus)
- Rechtfertigung durch Glauben contra gute Werke
- Dilemma der Debatte um Homosexualität
- Kontinuität contra Innovation
- Geist contra Natur
Auf der website http://geheimnisdesmenschen.blogspot.com/ ist dieses tiefere Erfassen der Wirklichkeit für christlich relevante Themen bereits vorbildlich umgesetzt.
@teacher: nach einem ersten kurzen Blick würde ich hinter „vorbildlich“ ja ein dickes Fragezeichen machen…
Das „neue“ Denken könnte viel mit dem tendentiell ganzheitlichen Denken, z.B. der Hebräer, gemeinsam haben. Oder?
Und: Ist „Denken“ nicht auch Typsache? Oder wirklich eine Frage der Intelligenz? Mit der Folge, dass nicht jeder so denken kann?
Und: Wo sind bei diesem „neuen“ Denken die Grenzen zu ziehen? Z.B., wenn es um die Fundamente des christlichen Glaubens geht (wobei dann wieder klassische Fragen auftauchen wie „Welche Fundamente sind gemeint?“).
Komisch, gerade mache ich mir Gedanken darüber, dass ich innerlich irgendwie zwischen allen Stühlen stehe und mich selber nicht mehr so richtig einzuordnen weiß, bis auf die Tatsache, dass ich Jesus Christus ganz persönlich erfahren habe und ihn von Herzen liebe…
Und dann lese ich hier vom „dritten Weg“. Interessant – dieser Weg könnte ja evtl mit dem ganzen Stühlerücken Schluß machen, oder?
Da fiel mir wieder Peters origineller Blogeintrag aus letztem Juli über Schubladen ein:
https://peregrinatio.net/2009/07/22/spiritualitat/steckt-mich-in-diese-schubladen-bitte
@Simon: Willkommen im Club 🙂
@Dikoss: Ja, die ganzheitliche Richtung stimmt auf jeden Fall und der relationale Denkansatz auch. Intelligenz kann man qualitativ und quantitativ beschreiben, hier ist ersteres der Fall, also eine bestimmte Art von Intelligenz und Logik, die nur am Rande mit klüger und dümmer zu tun hat, eher mit sinnvollen und weniger sinnvollen Kategorien. Das ist nicht auf das Christliche beschränkt. Christlich ist es m.E. überall da, wo es dem Rahmen und der Grundstruktur der biblischen Geschichte folgt und von da aus denkt und formuliert, in dieser „Grammatik“, um es mit Lindbeck zu sagen. Daher ins „Reinkarnation“ zum Beispiel eine fremde Kategorie, die andere Ursprünge hat und in andere Richtungen weist
Auch ich finde die Metapher treffend (obwohl der Gedanke ja nicht ganz neu ist ;-)).
Zu Schulzeiten hat mir ein Freund mal seine Gedanken über die vorhandenen Wirtschaftssysteme erläutert. Er meinte, anstatt ständig nach Mischformen zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu suchen, bräuchte man einen völlig neuen Ansatz. Und er hat das mit Hilfe des klassischen Koordinatensystems veranschaulicht: Man braucht keine neuen Geraden in der Ebene, also zwischen x- und y-Achse, sondern eine dritte Dimension, eine z-Achse…
Rohrs Theologie-Streitfragen-Liste lässt sich auch quasi beliebig erweitern! Zum Beispiel:
– „Die Bibel enthält Widersprüche, ist also nicht Gottes Wort“ „Die Bibel ist Gottes Entwort, enthält also keine Widersprüche“
– „Das Alte Testament passt bestens zum Neuen Testament“ „Das Alte Testament ist was völlig anderes“
– Dogmatik Empirie
– „Kirche der Freiheit“ etc., Greifswald-Ansatz Klassische praktische Theologie nach Schleiermacher
@Peter: Danke. Raus aus dem Verein der Wissenden in den Club der in Gewissheit Suchenden – trifft es das ungefähr?
Übrigens empfinde ich die Formulierung mit dem 3. Weg an sich als etwas problematisch. „Ein Weg“, welcher auch immer, birgt jeweils die Gefahr, mit der Zeit zu einer Autobahn ausgebaut zu werden. Und ehe man sich versieht, ist man zwischen den Leitplanken wieder in festen Denkschemata und vorgedachten Gedanken gefangen… Nee, nee, da streune ich lieber durchs Gelände 😉
@ Simon: Metaphern haben ihre Grenzen – Sieh „Weg“ als „Bewegung“ oder „Richtung“, dann entfällt vielleicht die Alternative zwischen Autobahn und Gelände…
sehr interessant, les ich mir heut abend mal in Ruhe durch
LG und Gottes Segen Liane
Werde mich jetzt mal auf die Suche
nach dem dritten Weg
zwischen Tag und Nacht,
zwischen Wahrheit und Irrtum,
zwischen Licht und Finsternis machen…..
Gerhard