Paul Zulehner spricht ja gern von der Jesusbewegung, weil der Begriff „Kirche“ in vieler Hinsicht abschreckend wirkt auf unsere Zeitgenossen. Marcus Mumford von Mumford & Sons hat das wohl ganz ähnlich empfunden, als er sich neulich in einem Interview mit dem Rolling Stone Magazine als „Jesus-Nachfolger“ bezeichnete, aber den Ausdruck „Christ“ ablehnte.
Was aber ist die Aufgabe dieser Jesusbewegung a.k.a. „Kirche“? Wie und mit welchen Mitteln kann sie die Welt verändern, gerade dann, wenn sie auf die Machtmittel, den rigiden Dogmatismus und die autoritären Strukturen verzichtet, auf die jene problematischen Gestalten von Kirche und Christentum, für die wir uns heute nur entschuldigen können, allzu gern zurückgriffen? Kann sie das überhaupt?
John Caputo hat das für mein Empfinden ganz treffend formuliert. Er greift Charles Sheldons Frage „What would Jesus do?“ auf (bei Martin Niemöller hieß das dann ein halbes Jahrhundert später: „Was würde Jesus dazu sagen?“ – der Akzent auf dem Tun statt dem Reden gefällt mir allerdings besser). Freilich ist es schnell geschehen, dass wir vorschnelle Antworten geben und dass der Jesus, von dem wir da reden, uns erstaunlich ähnlich sieht – und nicht wir ihm. Caputo schreibt:
Die Aufgabe der Kirche ist es, sich selbst dieser Frage zu stellen, statt sie als Prügel zu benutzen, um andere zu strafen. Die Kirche, das Archiv Jesu, ist in einer ganz realen Weise diese Frage. Sie hat keine andere Pflicht und kein anderes Privileg als die Erinnerung an Jesus zu tragen und sich selbst diese Frage zu stellen. Die Kirche ist nicht die Antwort. Die Kirche ist die Frage, diese Frage, die Versammlung von Menschen, die von der Erinnerung an Jesus zusammengerufen wurden und die diese Frage stellen, die zusammengerufen und in Frage gestellt wurden von dieser Frage, die unter Anklage stehen, unter dem Ruf, die befragt werden und angesichts dieser Frage die Aussage nicht verweigern können, und die allmählich begreifen, dass es kein einfachen, vorgefertigten und abgepackten Antworten darauf gibt.